Volleyball:Zwischen Landpartie und Großstadtdschungel

Aufschlag. Volleyball, Herrsching - Giesen, Viertelfinale, DVV Pokal, Saison 2020-2021, am 26.11.2020 in Herrsching, N I

Sie schwinden: Herrschings Volleyballer (oben) zieht es in die Metropole - bald soll nicht mehr die Nikolaushalle ihre Heimstatt sein, sondern der Münchner Audi Dome.

(Foto: Oryk Haist/imago images)

Junge Löwen, coole Raben - und die Wellenreiter vom Ammersee: Wie die vier Volleyball-Erstligisten Straubing, Vilsbiburg, Haching München und Herrsching in ihre Saison gehen.

Von Katrin Freiburghaus und Sebastian Winter

Der Saisonstart ist ein ungewöhnlicher in den ersten Volleyball-Bundesligen der Frauen und der Männer. An diesem Mittwochabend geht es los, zumindest für drei der vier bayerischen Vertreter; mitten in der Woche also - und just an jenem Tag, an dem laut einer Neuregelung durch den bayerischen Ministerrat für Sportveranstaltungen im Freistaat einige Lockerungen greifen: Maskenpflicht, Abstandsgebot, Alkoholverbot und Zuschauerobergrenzen sind nun nicht mehr erforderlich, sofern Einlasskontrollen sicherstellen, dass alle Besucher genesen oder geimpft sind (2G-Regel) oder, falls die 3G-plus-Regel angewandt wird, sie einen negativen PCR-Test vorweisen. Als einziges bayerisches Team, das zu Hause startet, hat Nawaro Straubing aber bereits angekündigt, dass hier am Mittwoch weiter die 3G-Regel (ohne Plus) gilt, also auch ein aktueller Schnelltest oder ein Schülerausweis akzeptiert werden - weshalb in der Halle weiterhin Maskenpflicht gelte.

WWK Volleys Herrsching

Eine absolute Premiere ist den Herrschinger Volleyballern schon vor dem Saisonstart am Mittwoch in Düren (19.30 Uhr) gelungen: der allererste Sieg in Friedrichshafen. Okay, Testspielerfolge wie jener vom vergangenen Wochenende können auch ziemliche Blender sein. Außerdem hat Herrsching, wenn man es genau nehmen will, gar nicht in Friedrichshafen gespielt, sondern in Neu-Ulm. Dorthin muss die Mannschaft vom Bodensee nämlich für diese Saison mangels eigener tauglicher Halle umziehen. Trotzdem war es ein schöner Erfolg, fast noch schöner als der Sieg gegen den spanischen Meister im zehntägigen Trainingslager auf Gran Canaria. Beides möchte Herrschings Trainer Max Hauser nicht überbewerten und fügt schmunzelnd hinzu: "Das Wichtigste war, dass der Trainer ein bisschen Wellenreiten konnte." Auf Gran Canaria, versteht sich, nicht in Neu-Ulm.

Wieder sind das Playoff-Halbfinale und das Pokalfinale die Herrschinger Ziele, wie in der vergangenen Saison, als Hausers Mannschaft beides knapp verpasste. Gespeist wird der neuerliche Optimismus auch aus den Verpflichtungen von Samuel Jeanlys auf der Diagonalposition, Luke Herr fürs Zuspiel und Jordi Ferragut im Außenangriff. Jedenfalls findet der Wellenreiter Hauser sein Team nun "wieder ein bisschen besser als im Vorjahr", was er aber vor so ziemlich jeder Saison findet.

Auch abseits des Sportlichen steht Großes an. Denn wie Friedrichshafen wird der Klub vom Ammersee ebenfalls bald umziehen, allerdings weder nach Neu-Ulm noch nach Pöcking, Tutzing oder Gran Canaria - sondern in die Metropole München. Dort gibt es am 16. Oktober eine weitere Uraufführung, das erste Heimspiel im Audi Dome, Gegner ist Lüneburg. "Ich glaube es erst, wenn wir drinstehen", sagt Hauser, der mit Herrsching schon vor eineinhalb Jahren den Schritt ins strahlkräftigere und publikumswirksamere München und dort in die Halle der Basketballer des FC Bayern München wagen wollte. Dann kam die Pandemie. "Wir hoffen erstmal, dass wir mehr als 2000 Zuschauer in die Halle bekommen, aktuell ist das Publikum ja noch sehr vorsichtig", sagt Hauser, der zunächst auf das Interesse vieler Münchner Volleyballer hofft. "Mittelfristig wollen wir aber schon die sportinteressierten Münchner und viele Familien locken." Immerhin soll der Audi Dome zur dauerhaften Heimat Herrschings werden.

TSV Haching München

Die sportliche Heimat des TSV Unterhaching bleibt erst einmal die Bayernwerk Sportarena am Utzweg, die sich schön vorstädtisch anhört - und ja auch dort in der Vorstadt steht. Allerdings zieht es auch die Hachinger nach München hinein, gefühlt zumindest. Am 4. August verkündeten sie jedenfalls in hippen Start-up-Räumen mitten in der Metropole ihre neue Partnerschaft mit den Löwen. Nicht jenen aus dem Tierpark Hellabrunn, Benny und Max, sondern den Giesinger Löwen, die im Grünwalder Stadion Fußball spielen. TSV Haching München heißen die Volleyballer fortan, auf ihrem neuen Logo spielen zwei Löwen Volleyball. Klar hoffen die Hachinger auf Synergieeffekte durch den großen Namen, die Sechziger wollen dafür ihre früher so meisterliche Volleyballabteilung wieder aufleben lassen. Irgendwie schon lustig, dass die Hachinger nun ein bisschen zu den Blauen zählen, also den Underdogs. Und die Herrschinger zu den Roten, den Großkopferten.

Volleyball: Zeigt seinem Bruder Benedikt, wo es in dieser Spielzeit hingehen soll für Haching München: Außenangreifer Jonas Sagstetter (li.).

Zeigt seinem Bruder Benedikt, wo es in dieser Spielzeit hingehen soll für Haching München: Außenangreifer Jonas Sagstetter (li.).

(Foto: Claus Schunk)

Absteigen kann Haching im Gegensatz zu den Löwen übrigens nicht, die Volleyball-Bundesliga erspart all ihren Erstligisten dieses Schicksal wegen der Corona-Pandemie für ein weiteres Jahr. Aber Meister können die Junglöwen auch nicht werden. Denn weil die klammen Hachinger einige Lizenzvoraussetzungen nicht erfüllen (unter anderem fehlt ihnen schlicht das Geld), dürfen sie nur die Hin- und Rückrunde spielen. Die neue Zwischenrunde und die Playoffs finden also ohne sie statt, das Saisonende kommt für Haching demnach unweigerlich Mitte Januar, also mitten im Winter. Viel gehört hat man übrigens nicht mehr von den TSV-Volleyballern, die erst am Sonntag (17.30 Uhr) in Giesen in die Saison starten, seit dem 4. August. Außer, dass ihre Führungsspieler Jonas und Benny Sagstetter bei der deutschen Meisterschaft mitgespielt haben - im Sand; und dass der Kader mit jungen deutschen Spielern aufgefüllt wurde - in Libero Mohamed Chefai und Angreifer Simeon Topuzliev gibt es nur zwei Ausländer im Team neben dem tschechisch-rumänischen Trainerduo Stanislav Pochop und Bogdan Tanase.

Rote Raben Vilsbiburg

Vilsbiburg und Straubing liegen zwar nicht im Speckgürtel derselben Stadt, aber trotzdem nicht wesentlich weiter auseinander als die beiden Standorte in Oberbayern: Nur knapp 60 Kilometer trennen die beiden Frauen-Erstligisten. Viel mehr als die räumliche Nähe verband sie während der zurückliegenden Wochen allerdings nicht. "Schwieriger" sei die Vorbereitung gewesen, sagt Vilsbiburgs Trainer Florian Völker; als gedacht, als erhofft, als geplant. Dass die kolumbianische Diagonalangreiferin Dayana Segovia spät zum Team stoßen würde, war klar gewesen. Dass es jedoch erst Ende vergangener Woche soweit war, verzögert den Einspielprozess wohl bis in die Wettkampfphase hinein. Denn Völker ließ sein Team ohne Diagonalangreiferin trainieren, weil er "keiner Spielerin zumuten wollte, dass sie die Vorbereitung auf einer Position absolviert, auf der sie später nicht mehr spielen wird". Entsprechend wenig aussagekräftig waren Testspielergebnisse, zumal Mitte September ein anberaumtes Trainingsduell gegen den italienischen Erstligisten Trentino wegen eines Corona-Verdachtsfalls bei den Südtirolerinnen kurzfristig abgesagt wurde. "Was Spiele betrifft, sind wir ein bisschen hinten dran", gibt Völker vor dem ersten Spiel am Mittwoch in Neuwied (19.30 Uhr) zu, "uns fehlt es noch an Stabilität, die wir uns Spiel für Spiel erarbeiten müssen".

Rote Raben Vilsbuburg (rot) vs. VC Dresden (schwarz) Vilsbiburg (Bayern/Deutschland) Volleyball Frauen, 1. Bundesliga, S; Volleyball - Bundesliga Frauen - Vilsbiburg - Luisa Keller

Es fehlt noch an Stabilität: Die Roten Raben Vilsbiburg um Außenangreiferin Luisa Keller haben in der Vorbereitung erst spät zusammengefunden.

(Foto: Michael Sigl/Imago)

Wichtiger sei ihm aber "das große Potenzial". Das sei "cool". Womöglich cooler als erwartet. Die Außenangreiferinnen Luisa Keller, Jodie Guilliams und Alexis Hart seien allesamt in sehr guter Form. Die erfahrene Zuspielerin Magdalena Gryka ist zwar neu im Team, als ehemalige Straubingerin aber bestens mit der eher ländlichen Umgebung in Niederbayern vertraut. Über die Energie auf dem Feld, die Vilsbiburg in der vergangenen Saison in Partien gegen gleichwertige Gegner ausgezeichnet hatte, äußerte sie sich beinahe euphorisch. "Die Teamchemie, die Dynamik in der Gruppe ist super - besser als irgendwo anders, wo ich bisher war", sagt sie. Das will etwas heißen, schließlich ist die 27-Jährige die zweitälteste Spielerin im insgesamt verjüngten Kader des Vorjahresfünften.

Nawaro Straubing

Wie relativ eine Größe wie das Alter ist, zeigt sich im Vergleich mit den Straubingerinnen. Denn obwohl bei ihnen noch immer knapp die Hälfte der Spielerinnen im 21. Jahrhundert geboren wurde, sagt ihr neuer Cheftrainer Jan Bart van der Mark: "Letztes Jahr hatten wir jung und sehr jung. Dieses Jahr gibt es eine bessere Balance zwischen Jugend und Erfahrung im Team." Aus der Vorsaison sind lediglich Zuspielerin Elisabeth Kettenbach und Diagonalangreiferin Marie Hänle übrig geblieben. Gewünscht war das nicht, van der Mark kann diesem drastischen Umbruch aber durchaus Positives abgewinnen. Nachdem der bisherige Co-Trainer das Team im Sommer von Benedikt Frank übernahm, könne es auf diese Weise "für alle neu anfangen, ohne dass noch Sachen aus der Vergangenheit mitlaufen".

23.01.2021, Straubings Elisabeth Kettenbach stellt den Ball für Noemi Oiwoh, , Volleyball, 1. Bundesliga, Dresdner SC -

Eine von zwei Übriggeblieben im Kader: Straubings Zuspielerin Elisabeth Kettenbach strebt einen Platz unter den besten Acht an.

(Foto: Matthias Rietschel/Imago)

Straubing strebt erneut einen Platz unter den besten Acht an. Anders als die Konkurrenz aus Vilsbiburg stieg das Team aber bereits Ende Juli ins Mannschaftstraining ein. Van der Mark steckte zudem viel Zeit in gemeinsame Aktivitäten außerhalb der Volleyballhalle, Ende September absolvierten die Straubingerinnen beispielsweise einen Selbstverteidigungskurs. "Es hilft jeder Mannschaft, wenn ihre Mitglieder einander mal in einem anderen Setting sehen. Das schafft Verständnis füreinander", sagt er. Diese Investition zielt auf mehr als Wohlfühlklima ab. Wie schon in den vergangenen Spielzeiten dürfte ein funktionierendes Teamgefüge bei der Frage des sportlichen Erfolgs der entscheidende Faktor werden. "Wir sind nicht die mit dem großen Etat, die die fertigen Spielerinnen holen. Wir leben von der harten Arbeit als Mannschaft", sagt van der Mark. Zum Auftakt gastiert am Mittwoch (19.30 Uhr) mit Münster gleich ein direkter Konkurrent um die unteren Playoff-Plätze in der Turmair-Arena. Nach anderthalb Jahren vor Geisterkulissen wirkt der Umstand, dass endlich wieder Zuschauer erlaubt sind, für Straubing aber fast wichtiger als der Name des Gegners. "Vor Publikum zu Hause zu spielen - das ist es doch, wofür man das alles macht", sagt van der Mark.

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