Volleyball:Willkommen bei den Großen

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Erfolgreich verpflanzt: Jannes Wiesner, hier noch für die Netzhoppers KW am Ball. (Foto: Andreas Gora/Imago)

Herrschings Volleyballer setzen sich mit einer reifen Vorstellung im Spitzenquartett der Bundesliga fest und profitieren dabei auch von der Qualität ihrer Perspektivspieler.

Von Katrin Freiburghaus

Thomas Ranner ist kein Grantler. Aber dass der Trainer der WWK Volleys Herrsching von einem „sensationellen Sieg“ spricht und „extrem happy“ ist, passiert auch nicht jeden Tag. Das 3:1 der Herrschinger Erstliga-Volleyballer in Giesen am Samstag war aber nicht nur tabellarisch enorm wichtig, sondern unter suboptimalen Bedingungen auch eindrucksvoll erspielt. Ranners Team war ohne die kranken Jonas Kaminski und Norbert Engemann angereist, die Außenangreifer Laurenz Welsch und Victor Rodriguez fehlten entweder verletzt oder waren angeschlagen und kaum einsetzbar. „Wir waren trotzdem sehr bei uns und haben uns nicht rausbringen lassen“, lobte Ranner die bis auf den zweiten Satz konstant starke Performance seines Teams.

Herrsching festigte auf diese Weise im letzten Spiel der Hinrunde seinen vierten Tabellenplatz und stockte den Abstand zum Fünften Giesen auf vier Zähler auf. Zuspieler Eric Burggräf zog deshalb trotz des holprigen Saisonstarts ein „voll und ganz positives“ Hinrunden-Fazit und spezifizierte: „Ich bin vor allem stolz darauf, wie wir uns als Team entwickelt haben. Wir halten unseren Gameplan besser durch und sind viel souveräner als am Anfang.“ Die Herrschinger werden ihren Halbfinal-Ambitionen somit bisher gerecht. Gleichzeitig ist der Erfolgsdruck im Verein aber auch nicht so hoch wie etwa beim punktgleichen Dritten Friedrichshafen. Zwar ist das Team vom Ammersee schon lange keine Low-Budget-Truppe mehr, eine starke erste Sechs hat aber noch immer den Preis, dass nicht der komplette Kader vom Saisonstart an unbestreitbare Erstligareife mitbringt.

Das beste Beispiel dafür liefert der diesjährige Außenangriff: Mit dem Schweden Daniel Gruvaeus und dem Spanier Victor Rodriguez haben die Oberbayern zwei gestandene Profis in der Stammformation. Die beiden Positionen dahinter sind jedoch mit Eigengewächs Laurenz Welsch und Jannes Wiesner besetzt – zwei 21-Jährigen, die vor zwei Jahren noch in der Nachwuchstruppe des VCO Berlin spielten. Welsch kehrte danach nach Herrsching zurück, Wiesner wurde verpflichtet, aber wegen seiner Ausbildung noch ein Jahr in Königs Wusterhausen geparkt, wo es für ihn eher zäh lief. „Es war schwierig, die Trainingszeiten waren ein bisschen doof, da bin ich dann viel alleine ins Gym gegangen“, sagte Wiesner.

Der Einsatz hat sich offensichtlich gelohnt. Zumindest Giesen fand gegen Wiesners brachiale Angriffe am Samstag kaum ein Mittel. „Ich hatte heute ein einfaches Leben“, sagte Burggräf, „der ist so athletisch, hat so eine Keule im Arm, wenn der Pass hoch genug ist, ist es schwer, den abzuwehren.“ Über 80 Prozent seiner 26 Versuche versenkte Wiesner – eine für den Außenangriff sehr starke Quote. Herrschings Geschäftsführer Max Hauser war Wiesners Physis bereits vor seiner Verpflichtung aufgefallen. Eigentlich hatte er Welschs Entwicklung in Berlin beobachten wollen, dabei war ihm Wiesner aufgefallen. „Sportlich und athletisch“ sei es „extrem selten, dass jemand so viel Kraft hat wie er“, sagte der 40-Jährige. Er attestierte beiden Angriffs-Talenten eine gute Entwicklung.

„Mit einem fertigen Spieler hat er noch nichts zu tun“, sagt Ranner über Wiesner

Ranner will die Erwartungshaltung an Wiesner nach den zuletzt starken Auftritten nicht überhöhen. „Mit einem fertigen Spieler hat er noch nichts zu tun“, sagte er, „er hadert oft mit sich, aber er will was, arbeitet hart und schafft es, zurückzukommen, wenn ihn die Mannschaft auffängt.“ Hauser sieht Wiesner als „absolutes Talent, das um sich herum ein gut funktionierendes Korsett“ benötige. Er brauche „diese Struktur und muss sich wohl fühlen“. Dass er nach den Ausfällen auf seiner Position so gut durchstartet, „hätten wir aber auch nicht gedacht“, gab Hauser zu. Womöglich hat es mit dem Wohlfühlfaktor zu tun, den Wiesner bestätigte: „Ich bin zum ersten Mal alleine aus Berlin weg, aber die Jungs haben mich hier so gut aufgenommen – jetzt geht’s richtig los.“

Vor dem Jahreswechsel stehen dafür die denkbar härtesten Konkurrenten im Spielplan: Am Dienstag fliegt das Team zum Rückspiel im europäischen Challenge Cup mit einer 1:3-Hypothek im Gepäck nach Ankara, wo es am Mittwoch um den Viertelfinal-Einzug kämpft. Am 29. Dezember geht es in der Liga zum Meister nach Berlin. Dass Herrsching selbst mit angespannter Personalsitiation gegen beide Star-Ensemble Außenseiter-Chancen hat, illustriert vielleicht am besten, was im letzten halben Jahr am Ammersee alles richtig gelaufen ist.

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