Volleyball-WM:Zum Auftakt ein Trainerduell

Volleyball-WM: Spielführer Lukas Kampa (Mitte) legt den Ball Tobias Krick auf.

Spielführer Lukas Kampa (Mitte) legt den Ball Tobias Krick auf.

(Foto: Bernd König /Imago)

Schwerer Beginn: Im ersten WM-Spiel treffen die deutschen Volleyballer auf Frankreich und ihren ehemaligen Coach. Zudem fehlt mit Georg Grozer der prägende Spieler der vergangenen Jahre - und sein Nachfolger brach sich vor kurzem den Finger.

Von Felix Meininghaus

Wer ein langes und kräftezehrendes Turnier vor sich hat, wünscht sich für den Auftakt am liebsten einen Herausforderer von überschaubarer Klasse. Man will möglichst konfliktfrei durch die Premiere kommen, bei der es ja auch darum geht, die Feinabstimmung zu justieren und das Lampenfieber in den Griff zu bekommen. Insofern haben Deutschlands Volleyballer ausgesprochenes Pech, wenn sie an diesem Freitag um 17.30 Uhr in Ljubljana ihre erste Begegnung der Weltmeisterschaft bestreiten, die in Polen und Slowenien ausgetragen wird; dem ursprünglichen Gastgeber Russland wurde das Turnier aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine entzogen.

Die Aufgabe könnte anspruchsvoller nicht sein: Auf der anderen Seite des Netzes wartet Frankreich, Olympiasieger von Tokio und Gewinner der Nations League in diesem Sommer. Eine Mannschaft, die Physis, Tempo und ungeheuren Spielwitz zu einer durch und durch mitreißenden Show am Netz zu verknüpfen weiß. Nach der Auftaktbegegnung treffen die Deutschen in der Gruppe D noch auf Kamerun und Slowenien, doch so weit mag Spielführer Lukas Kampa nicht denken: "Das Spiel gegen Frankreich ist bei uns im absoluten Fokus", sagt der 35-jährige Spielmacher. Es sei enorm wichtig, wie das Team ins Turnier starte: "Jeder gewonnene Punkt gibt uns Selbstvertrauen für die beiden anderen Spiele."

Frankreichs neuer Trainer verließ die deutsche Mannschaft trotz laufendes Vertrags

Als wäre das alles nicht Herausforderung genug, kommt noch hinzu, dass bei den Franzosen seit einigen Monaten ein Mann auf der Bank sitzt, den die deutschen Nationalspieler bestens kennen: Andrea Giani, als Spieler mit der italienischen Auswahl eine Legende; und als Trainer mit dem slowenischen und deutschen Team erfolgreich, die er beide zur EM-Silbermedaille führte. Giani, einer der größten Namen des Welt-Volleyballs, sollte nach fünf Dienstjahren eigentlich weiter für den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) arbeiten, wechselte aber trotz gültigen Vertrags im März dieses Jahres die Seiten. Wenn der Olympiasieger rufe, der sich noch dazu auf die Spiele 2024 in der eigenen Hauptstadt vorbereite - so die offizielle Verlautbarung -, könne man einem solch verdienten Mann keine Steine in den Weg legen.

Also suchte Christian Dünnes, Sportdirektor des Verbandes, eine neue Fachkraft und fand einen Nachfolger, der kaum weniger Meriten vorzuweisen hat: Michal Winiarski wird in seiner Heimat Polen verehrt, seit er seine Mannschaft 2014 als Kapitän zum Gewinn der Weltmeisterschaft führte. Der nächste Hochkaräter also, der versuchen soll, das deutsche Team näher an die Weltspitze heranzuführen.

Verzichten müssen die Deutschen auf ihre Galionsfigur Georg Grozer. Der hochdekorierte Profi, der mit seiner Angriffswucht in Ungarn, Deutschland, Italien, Polen, Russland, Korea und China für Aufsehen sorgte, gönnt sich eine Auszeit. Im Alter von 37 Jahren befindet sich Grozer im Spätherbst seiner Karriere und will mit seinen Kräften haushalten.

Grozers Abwesenheit muss für das DVV-Team kein Nachteil sein

Dass der wichtigste Spieler des Teams selbst dann im Mittelpunkt steht, wenn er abwesend ist, verwundert seinen Kumpel Kampa schon lange nicht mehr: "Georg ist gar nicht da, aber er ist bei jeder Pressekonferenz ein ständiges Thema." Ohne seinen Dreh- und Angelpunkt, so vermutet der Routinier, sei das deutsche Team "vielleicht sogar ein bisschen variabler". Zudem seien die jungen Kollegen gefordert, "in die Verantwortung zu gehen".

Zum Beispiel Linus Weber, der in nicht allzu ferner Zukunft in die immensen Fußstapfen des großen alten Mannes treten soll. Bundestrainer Winiarski ist überzeugt von den Qualitäten des 22-jährigen Diagonalangreifers, der in der kommenden Spielzeit für Projekt Warschau in der starken polnischen Liga ans Netz gehen wird: "Natürlich gibt es noch Situationen, die er besser lösen kann, aber das Potenzial ist da." Allerdings war die WM-Vorbereitung des 22-Jährigen schwierig. Weber konnte zuletzt wegen eines gebrochenen kleinen Fingers an der rechten Hand zwei Wochen nicht mit der Mannschaft trainieren. Die Reise nach Slowenien hat er dennoch angetreten, nun soll er an die Mannschaft herangeführt werden, um im Verlaufe des Turniers möglichst zu einem entscheidenden Spieler zu reifen.

Wenn sie gefragt werden, wie weit es bei der WM denn gehen solle, üben sich die Protagonisten in Zurückhaltung. Was soll man auch verlässlich prognostizieren für eine Mannschaft, die sich im Umbruch befindet und in diesem Sommer immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen wurde? "Ein genaues Ziel haben wir uns als Mannschaft gar nicht definiert", sagt Libero Julian Zenger, der sein Geld in Italien in Padua verdient. Sie wollen einfach in jeder Partie bestmögliches Zusammenspiel zeigen: "Wenn wir unser Ding aufs Spielfeld bringen, können wir eine äußerst unangenehme Mannschaft sein und für die ein oder andere Überraschung sorgen."

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