Volleyball: WM der Frauen:Für Ruhm und Geld gen Osten

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Die Volleyball-Nationalspielerinnen versuchen in Japan endlich wieder eine gute WM zu spielen. Danach ziehen einige weiter nach Russland, Tschechien, in die Türkei - und nach Aserbaidschan.

Thomas Hummel

Japan gilt als eines der aufstrebenden Touristenziele. Die Kultur, die feinen Umgangsformen, das bergige Land, da schwärmen die Reisenden. Und das Essen? Da verzerren sich die Gesichter. Gedanken an Natto kommen hoch, einem fermentierten Sojamus, schleimig und Fäden ziehend. Oder an Sashimi, einem Gericht aus rohem, ungewürztem Fisch.

Zusammenhalt, Siegeswille, Kampfgeist: Mit typisch deutschen Tugenden wollen die Volleyball-Frauen mit Margareta Kozuch (vorne) und Kathleen Weiß bei der WM in Japan  überraschen. (Foto: imago sportfotodienst)

"Das ist für uns Europäer ein wenig gewöhnungsbedürftig. Da muss man ab und zu selber in den Supermarkt gehen", erzählt Kathleen Weiß. Die 26-Jährige aus Schwerin kocht sich also mit ihrer Reisegruppe namens deutsche Volleyball-Nationalmannschaft bisweilen selbst das Essen. Und auch für Kultur, Umgangsformen und Land werden die Frauen wenig übrig haben, denn sie sind nach Japan gekommen, um endlich mal wieder eine gute Weltmeisterschaft für den Deutschen Volleyball-Verband zu spielen. Am Freitag beginnt die WM für Deutschland mit der Partie gegen Kasachstan (6:30 Uhr MESZ). Und die Aussichten sind gut wie seit langem nicht.

Nach Platz fünf 1994 steht als bestes Ergebnis deutscher Volleyball-Frauen der zehnte Platz 2002 - und auch der war angesichts der Heim-WM eine große Enttäuschung. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 in Peking verpasste die Mannschaft, es gab Tränen. Doch nun sieht Bundestrainer Giovanni Guidetti das deutsche Frauen-Volleyball im Auftrieb. Er will diesmal mindestens unter die besten acht, von Platz vier träumt er. Denn: "Heute gibt es viele Spielerinnen auf hohem Niveau", sagte er dem Volleyball-Magazin vor der Abreise nach Japan.

Belegen lässt sich das an der großen Nachfrage im finanzkräftigen Ausland. Heike Beier (26, Außenangriff), Christiane Fürst (25, Mittelblock), Margareta Kozuch (23, Universal), Corina Ssuschke (27, Mittelblock), Anne Matthes (25, Außenangriff) und Kathleen Weiß (26, Zuspielerin) spielten in der vergangenen Saison in Italien. Weil die dortige Liga neuerdings Geldprobleme hat, zieht es nun alle bis auf Matthes gen Osten: Nach Tschechien (Ssuschke), in die Türkei (Fürst), nach Russland (Beier, Kozuch) und nach Aserbaidschan (Weiß). Nach Aserbaidschan?

"Natürlich spielt der finanzielle Aspekt eine große Rolle" sagt Kathleen Weiß zu ihrem ungewöhnlichen Umzug. Eine ganze Reihe von internationalen Größen werden die kommende Spielzeit in der Hauptstadt Baku verbringen, in Weiß' Klub Igtisadchi stehen bis heute zehn Ausländerinnen unter Vertrag, eine weitere soll kommen. Das sei eine ganz neue Erfahrung "und ich bin sehr gespannt", sagt Weiß.

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Ziel von Igtisadchi Baku ist es offenbar, auch in der Champions League für Aufsehen zu sorgen. Denn Weiß ist beileibe keine Unbekannte mehr. Trotz ihrer für Volleyball-Verhältnisse kleinen Statur von 1,71 Meter hat sie die Zuspielerin etabliert, zuletzt wurde sie zur besten Stellerin der renommierten italienischen Liga gewählt. "Ich bin sehr zufrieden, wie es die letzten zwei, drei Jahre gelaufen ist und ich würde sagen, dass ich noch nie so gut war wie jetzt", sagt Weiß. Sie steht damit als Beispiel für den Aufschwung der deutschen Nationalmannschaft, die sich langsam an die Weltspitze herantastet.

Nach der Enttäuschung des Olympia-Aus 2008 und dem Ende der Ära von Überspielerin Angelina Grün befürchteten einige den weiteren Absturz. Doch im Jahr darauf gelang dem neuen Team beim hoch angesehenen Grand Prix ein fast sensationeller dritter Platz. Im September qualifizierte es sich als Erster für den Grand Prix 2011, der eine wichtige Etappe zum großen Ziel Olympia 2012 in London ist. Dazwischen gab es aber auch Rückschläge wie Platz neun beim Grand Prix 2010.

Dennoch spricht der emotionale Bundestrainer Guidetti fast euphorisch über seine Mannschaft: "Ich arbeite seit zwölf Jahren als Trainer, aber so wie dieses Team denkt, arbeitet und spielt, das habe ich noch nicht erlebt", sagte er. "Es ist immer motiviert, gibt nie auf, hat immer den Glauben, alle schlagen zu können." Diesen Glauben werden seine Spielerinnen auch benötigen, denn die Auslosung bescherte ihnen schwere Gegner.

In der Vorrunde warten neben den Außenseitern Kasachstan, Kroatien und Thailand auch die zwei Favoriten Kuba und USA. In der Zwischenrunde könnten die starken Teams aus Brasilien, Italien und der Niederlande hinzukommen. Doch auch hier versprüht Kathleen Weiß Zuversicht. Zwar sei die Mannschaft einigen Topteams der Welt physisch unterlegen. "Wir haben keine zwei Meter großen Spielerinnen, die man einfach nur hoch anspielen muss." Doch sie wolle das durch Zusammenhalt ausgleichen, durch "einen unglaublichen Siegeswillen und Kampfgeist".

Am Essen oder an der fremden Kultur kann es in Japan jedenfalls nicht scheitern. Das eine kauft sich die Mannschaft selbst und vor fremden Kulturen haben viele Spielerinnen nachweislich keine Berührungsängste.

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