Süddeutsche Zeitung

Volleyball:"Wir sind wieder auferstanden"

Stuttgarts Volleyballerinnen gewinnen nach einer dramatischen Finalserie gegen den SC Potsdam ihr erstes Double. Der Respekt der Liga vor den neuen Meisterinnen dürfte nicht kleiner werden - auch weil sie ihre Schlüsselfiguren Krystal Rivers und Simone Lee halten können.

Von Sebastian Winter, München

Es ist schon ein deutliches Zeichen, wenn ein Verein, der gerade deutscher Meister geworden ist, erst einmal zwei Vertragsverlängerungen verkündet, bevor er zu den üblichen Festivitäten übergeht. Aber diese auf den ersten Blick eher seltsam anmutende Reihenfolge zeigt eben auch den Stellenwert, den die US-Amerikanerinnen Krystal Rivers und Simone Lee bei den Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart genießen. Lee, im entscheidenden fünften Playoff-Finalspiel am Sonntag gegen den SC Potsdam (3:0) beste Punktesammlerin, und Rivers, der nur ein Zähler weniger gelang, sind nicht weniger als Stuttgarts sportliche Lebensversicherungen - immerhin liegt die Angriffslast seit der Rückkehr von Lee vor dieser Spielzeit nicht mehr nur auf den Schultern der so sprungkräftigen Rivers. "Das sind unsere wichtigsten Personalien", sagte Stuttgarts Sportdirektorin Kim Renkema am Montag, "und wir wollen Kontinuität und weiterhin ein hohes Niveau auf diesen Positionen."

Rivers und Lee waren auch in diesem wendungsreichen Finaldrama Stuttgarts Erfolgsfaktoren, das mit einem überraschenden 3:0-Auswärtssieg des Außenseiters Potsdam begann, gefolgt von Stuttgarts 3:0-Konter in Potsdam und Potsdams 3:2-Coup beim MTV. Der SC, der 2009 mit einem Mini-Etat in die Bundesliga aufgestiegen war und sich erst in den letzten drei, vier Jahren als hartnäckigster Verfolger des Spitzentrios Schwerin, Stuttgart und Dresden positioniert hat, hatte in der Best-of-five-Serie also Matchball im Heimspiel am vergangenen Freitag - und das im Wortsinn. In der attraktivsten, spannendsten Partie der Serie führte der Klub aus Brandenburg, der bislang noch nie in einem Playoff-Finale stand, im fünften Satz mit 14:12, verlor dann aber im Angesicht der Titelchance seine Courage - und das Spiel.

Am Sonntag hatte Stuttgart dann relativ leichtes Spiel, um den ersten - und weitaus wichtigsten - Heimsieg in dieser Serie zu erreichen. Auch weil die Potsdamerinnen "irgendwie nicht mehr dran geglaubt haben, dass wir es heute schaffen können, wir waren am Ende ja nur noch ein Lazarett", wie Kapitänin Laura Emonts unter Tränen sagte. Ihre wichtigen Mitspielerinnen Valeria Papa und Maja Savic plagten sich mit Rippen- beziehungsweise Rückenproblemen herum, auch die etatmäßige Libera Aleksandra Jegdic war zeitweise verletzt, Außenangreiferin Tatjana Bokan musste aus privaten Gründen kurz vor dem dritten Spiel abreisen.

Die Frauen-Bundesliga will mittelfristig auch strukturell unter die Top drei in Europa

So spielten eben Talente wie Libera Sarah Stiriz, 18, und Blockerin Anastasia Cekulaev, 18, gegen Lee und Rivers, und hatten die Hand schon an der Meisterschale. Doch dann rutschte Potsdams auch erst 22-jähriger Zuspielerin Sarah van Aalen am Sonntag im dritten Satz der Ball beim 21:22 durch die Finger, wie schon am Freitag war es ein Anflug von Nervosität im entscheidenden Moment, der den SC-Spielerinnen im Weg stand. Die Stuttgarterinnen setzten mit ihrer Erfahrung dagegen, Lee glänzte in der Annahme und mit wuchtigen Rückraum-Angriffen, Rivers mit ihrer Urgewalt auf der Diagonalposition. Am Ende zeigten beide ihr breitestes Grinsen, untermalt von den Vertragsverlängerungen. Und Sportdirektorin Renkema schwärmte auch am Montag noch: "Es war eine unfassbare Serie, wir waren tot und sind wieder auferstanden. Perfekter werden wir eine Saison wohl in Zukunft nicht spielen können."

Stuttgart, das in dieser gesamten Saison, samt Hin- und Rückrunde, im DVV-Pokal und in der Meisterschaft nur von Potsdam besiegt wurde, hat nun eine Saison gespielt, die tatsächlich nahezu vollkommen war. Der Anfang März errungene Pokalerfolg gegen Dresden und der aktuelle Meistertitel bedeuten ja nicht nur das erste Double für den Klub, der 2019 nach vielen zweiten Plätzen erstmals die Meisterschaft gewonnen hat. Die Mannschaft hat außerdem das Finale des CEV-Cups erreicht, immerhin der zweithöchste europäische Vereinswettbewerb. Dass sie dort gegen Eczacibaşi Istanbul chancenlos waren, hatten sie einkalkuliert. Schließlich können die Türkinnen mit einem Vielfachen des Stuttgarter Zwei-Millionen-Etats planen und spielen in einer der drei Top-Ligen Europas.

Genau dorthin - unter die ersten drei Ligen - möchte auch die Frauen-Bundesliga mittelfristig strukturell, "selbst wenn das noch ein weiter Weg ist", wie Stuttgarts Sportdirektorin Renkema betont. Aber dass nun neben dem MTV auch der SC Potsdam für die kommende Champions-League-Spielzeit qualifiziert ist, wie bei den Männern also zwei deutsche Klubs, ist der nächste Schritt nach vorne. Die Frauen wollen antreten, auch wenn nun Kosten im niedrigen sechsstelligen Bereich auf sie zukommen: Anders als im Fußball ist der höchste europäische Vereinswettbewerb im Volleyball nach wie vor ein Zuschussgeschäft, das man sich leisten können muss.

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