Volleyball:Wie Feuerbach 1990

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"Klar wurmt uns das": Zuspielerin Madison Bugg plant am Sonntag den vierten Stuttgarter Pokalsieg - und später die erste Meisterschaft. (Foto: Tom Bloch/imago)

Stuttgarts Frauen wollen im Pokal-Finale gegen Schwerin den ersten Schritt zum Double machen.

Von Sebastian Winter

Am Mittwoch waren die Volleyballerinnen von Vakifbank Istanbul zu Gast in Stuttgart, angereist für ein Gruppenspiel in der Champions League. Und die sportliche Fallhöhe war immens. Die Türkinnen spielen für einen der weltbesten Klubs, ihrem geschätzten 16-Millionen-Euro-Etat können die besten drei Klubs in Deutschland gerade mal je ein gutes Zehntel an Mitteln entgegensetzen - entsprechend ehrfürchtig blicken sie in Richtung Bosporus. Dort steht im asiatischen Teil der Stadt auch der neunstöckige Sportpalast des von einer der größten türkischen Banken alimentierten Vereins, samt Trainingsfeldern, Fitnessstudios, Bibliothek und Konferenzzentrum.

Insofern war es nicht verwunderlich, dass Istanbul das Feld in der Untertürkheimer Kurve der Fußball-Arena, wohinein die Halle der Stuttgarterinnen gebaut ist, mit einem 3:0-Erfolg verließ. Die Arena war zugleich mit 2251 Zuschauern ausverkauft, "für einen Tag unter der Woche ist das super", sagt Stuttgarts Geschäftsführer Aurel Irion, der auch sonst vieles super findet in diesen Wochen.

Denn Stuttgarts Volleyballerinnen haben nicht nur die besten Aussichten aller deutschen Teams fürs Viertelfinale der Champions League, trotz der Niederlage gegen Istanbul. Sie sind gerade auch das erfolgreichste Team im deutschen Frauen-Profisport. In der Volleyball-Bundesliga haben sie bisher alle 17 Saisonspiele gewonnen und nur sechs Sätze abgegeben, im DVV-Pokal sind sie am Sonntag gegen Schwerin wieder mal im Finale und könnten in der Mannheimer Arena nach 2011, 2015 und 2017 zum vierten Mal gewinnen. Das Frauenspiel ist der Hauptact, es wird live im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt (16.15 Uhr/Sport 1), das Männerfinale Friedrichshafen gegen Außenseiter Lüneburg ist nur das Hors d'œuvre.

Volleyball ist, man übersieht das leicht, hierzulande der zuschauerträchtigste Mannschaftssport bei den Frauen, vor Handball, Fußball und Basketball. Und die Schmetterkünstlerinnen ziehen, auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal, in der laufenden Saison kaum weniger Besucher an als ihre männlichen Pendants. Das liegt auch daran, dass sich Stuttgart, Schwerin und Dresden seit Jahren einen Dreikampf liefern, die Pokalexpertinnen aus Stuttgart waren bislang in der Liga immer die Unglücklichen. Noch nie waren sie Meister, in den jüngsten vier Spielzeiten wurden sie immer Zweiter. "Klar wurmt uns das, wir wollen dieses Jahr nicht wieder Zweiter werden", sagt Irion.

Der Kader scheint reif zu sein für dieses Unterfangen, Stuttgart hat nicht die besten Einzelspielerinnen, aber bislang die homogenste Mannschaft. Und in Sportdirektorin Kim Renkema, die bis 2017 noch für die Schwäbinnen auf dem Feld stand, ein Bindeglied zwischen Team, Geschäftsführer Irion und Trainer Giannis Athanasopoulos. Dass die transatlantischen Beziehungen bröckeln, können sie in Stuttgart auch nicht bestätigen. Sechs Deutsche, wie die junge Zuspielerin Pia Kästner, und fünf Amerikanerinnen bilden den Kern, darunter die starke Diagonalspielerin Krystal Rivers. Das liegt auch an Stuttgarts ehemaliger Libera und jetzigen Co-Trainerin Tamari Miyashiro. Sie ist zugleich Assistentin bei der US-Nationalmannschaft und pflegt beste Kontakte in ihr Heimatland.

Wirtschaftlich gesundet der Klub mehr und mehr, der Etat ist Irion zufolge in den vergangenen zwei Jahren um 40 Prozent auf rund 1,6 Millionen Euro gewachsen. Diese Entwicklung war 2017 noch nicht abzusehen, im Gegenteil: "Damals war Volleyball in Stuttgart in Gefahr", sagt der Geschäftsführer. 200 000 Euro Miese hatte der Bundesligist angehäuft, auch durch die erste Champions-League-Teilnahme, die der Klub ziemlich blauäugig angegangen war. Nur wenige Zuschauer kamen zu den drei Gruppenspielen in die Halle, Stuttgart scheiterte früh. Ohnehin ist die Königsklasse im Volleyball ein immenses Draufzahlgeschäft, mit Reisekosten und Gebühren für die TV-Produktionen kommt ein kleiner sechsstelliger Betrag zusammen.

Inzwischen hat Stuttgart knapp 2000 Zuschauer im Schnitt, den Besucherrekord in der Frauen-Bundesliga halten sie auch, vor zwei Jahren strömten 5392 Fans zum vierten Playoff-Spiel gegen Dresden in die Porsche-Arena, in die sie für diese Partie umgezogen waren. Stuttgart gewann 3:2 - und verlor im letzten Duell in Dresden den Titel. Nun wollen sie sich mit dem Double aus Pokal und Meisterschaft in der Volleyball-Historie verewigen, wie 1990 der so erfolgreiche CJD Feuerbach aus dem Stuttgarter Norden. Vor 29 Jahren gelang Feuerbach dieses Kunststück zum letzten Mal, bald darauf zog sich der Klub aus dem Leistungssport zurück.

© SZ vom 23.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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