Es war ein spannender Nachmittag, den die 5238 Zuschauer am Sonntag in der Max-Schmeling-Halle verbrachten. Ein Nachmittag, an dem die Berlin Recycling Volleys ihre Führungsrolle in der Bundesliga wieder einmal untermauerten. Mit 3:1 (24:26, 30:28, 25:16, 25:22) rang der deutsche Meister der vergangenen sechs Jahre den Pokalsieger VfB Friedrichshafen nieder, im ewigen Duell. Und das mit einer Mannschaft, die in dieser Saison nicht mehr getragen wird vom russischen Zuspieler Sergej Grankin, dem Olympiasieger, und dem US-Angreifer Benjamin Patch. Grankin ist in seine Heimat zurückgekehrt, Patch legt eine schöpferische Pause ein.
Eines wurde aber auch wieder deutlich an diesem Auftaktwochenende: Berlin ist der Bundesliga mehr denn je entwachsen. Rein sportlich kann Friedrichshafen an guten Tagen weiterhin wie gesehen ein ernstzunehmender Gegner sein, ansonsten findet sich in der höchsten deutschen Spielklasse längst keine Konkurrenz mehr. Der jüngste Rückzug der ambitionierten United Volleys aus Frankfurt, die als Pokalsieger von 2021 im vergangenen Sommer finanziell bedingt keine Lizenz mehr erhielten, zeigt das Dilemma überdeutlich auf. Sie hatten ohnehin in der Bankenmetropole strukturell nie richtig Fuß fassen können.
"Wir können nicht dauerhaft in einer Bundesliga leben, die nur aus Berlin, Friedrichshafen, Düren und zwei anderen Klubs besteht."
In Berlin ist das anderes, wie der langjährige Volleys-Manager Kaweh Niroomand sagt: "Wir haben hier eine riesige Fangemeinde, die Unterstützung der Wirtschaft und der Politik. Das ist auch eine Verpflichtung." Nur mal als kleines Beispiel: Zu den drei restlichen Spielen am Wochenende kamen insgesamt 2000 Zuschauer nach Giesen, Düren und zum VC Olympia Berlin, also nicht mal halb so viele wie zum besten deutschen Klub.
Niroomand hat am Wochenende - auch weil er fürchtet, wegen der überschaubaren Konkurrenz in der Bundesliga mittelfristig in der Champions League abgehängt zu werden - im Tagesspiegel wieder Überlegungen ins Spiel gebracht, mit den BR Volleys nach Polen auszuwandern, in eine der stärksten Ligen der Welt. Der SZ sagte Niroomand am Montag: "Wir können nicht dauerhaft in einer Bundesliga leben, die nur aus Berlin, Friedrichshafen, Düren und zwei anderen Klubs besteht. Dann müssen wir entweder unseren Laden zumachen oder nach Polen ziehen."
In Polen gilt Volleyball als Sportart Nummer zwei hinter Fußball, die Hallen sind voll, die staatlichen Sender übertragen live, die Profis werden auf der Straße erkannt. Die Männer-Bundesliga dagegen hat enorme strukturelle Probleme, seit Jahren gibt es finanziell bedingt keine Aufsteiger, seit 2019 haben sich zudem fünf Erstligisten zurückgezogen. Inzwischen gibt es eine Rettungsmission der Volleyball-Bundesliga, mit der sie ihr Oberhaus zur Saison 2022/23 unter vereinfachten Lizenzbedingungen auffüllen will.
Für die Berlin Volleys wäre der Umzug nach Osten hingegen auch geografisch kein großes Problem. Polens Profiklubs wie Danzig, Kattowitz oder Belchatow lägen näher als Herrsching oder Düren oder Friedrichshafen. "Es ist keine Drohung und auch keine Koketterie, sondern einfach die Sorge um unseren Verein und um die Volleyball-Bundesliga", sagte Niroomand am Montag: "Wenn wir feststellen, wir spielen hier auch für die nächsten zehn Jahre in einer Achter- oder Neunerliga, dann muss man sich das überlegen." Keine Drohung? Dann aber doch ein recht unverblümter Appell des Ligamagneten.