Volleyball:Umbau im Paralleluniversum

Volleyball: Ab in den Osten: Straubings Talent Marie Hänle ist bereits zum Spitzenklub Dresden gewechselt.

Ab in den Osten: Straubings Talent Marie Hänle ist bereits zum Spitzenklub Dresden gewechselt.

(Foto: Matthias Rietschel/Imago)

Nach ihrem abrupten Ende in der ersten Liga planen Straubings Volleyballerinnen für den Neuanfang - möglicherweise eine Liga tiefer, in der neuen eingleisigen zweiten Liga Pro. Und dann mit vorwiegend eigenen Talenten, die die Kosten im Rahmen halten.

Von Katrin Freiburghaus

Ende Januar hatte es beim Heimspiel gegen Meister Stuttgart auf den ersten Blick noch einmal so ausgesehen, als könnte es Straubings Erstliga-Volleyballerinnen gelingen, bis zum Saisonende durchzuhalten. Drei Tage nachdem Nawaro Straubing einen Insolvenzantrag gestellt hatte, solidarisierte sich sogar der deutlich überlegene Gegner samt Anhang mit den Niederbayerinnen: Die mitgereisten Fans hatten vor der Partie Straubing-Sprechchöre angestimmt, die Stuttgarter Spielerinnen formierten sich im Anschluss an die Partie zum gemeinsamen Foto. Zwei Tage später aber war klar, dass es sich um Straubings vorerst letztes Heimspiel in der ersten Liga gehandelt hatte: Das Team beendete die Hauptrunde mit sofortiger Wirkung vorzeitig, sämtliche Resultate wurden gestrichen, die Tabelle bereinigt.

So überraschend dieser Schritt wirkte, so deutlich waren die Ursachen dafür bei genauerem Hinsehen bereits gegen Stuttgart erkennbar gewesen: Trainer Lukasz Przybylak und der Klub hatten sich zwei Tage vor der Partie getrennt, das Team musste zudem mit Spielerinnen aus der zweiten Mannschaft aufgestockt werden, um überhaupt antreten zu können. Konkurrenzfähig war der Kader in dieser Formation nicht. Bereits in der Vorbereitung auf das Spiel war kein reguläres Training mehr möglich gewesen, in den folgenden Tagen dünnte sich das Personal weiter aus, weil Straubing seinen Spielerinnen aufgrund der unsicheren Situation kurz vor Ablauf der Transferfrist am 31. Januar freigestellt hatte, Offerten anderer Klubs anzunehmen. Es sei eine "Selbstverständlichkeit, die Spielerinnen bei ihrer sportlichen Zukunft zu unterstützen", sagte Straubings Geschäftsführerin Ingrid Senft zur Begründung.

Fünf Spielerinnen nahmen das Angebot an. Um nächtliche Fahrten zu Vertragsunterzeichnungen zu vermeiden, verlängerte die Volleyball Bundesliga (VBL) das Transferfenster ausschließlich für Straubinger Spielerinnen um drei Tage. Marie Hänle (Dresdner SC) und Linda Andersson (Neuwied) wechselten innerhalb der Liga. Laura Rodwald (Spanien), Shealyn McNamara (Türkei) und Agata Michalewicz (Ungarn) unterschrieben im Ausland. Nach diesem personellen Aderlass "war das Fundament dafür, den Spielbetrieb in der Bundesliga fortzusetzen, weg", sagt VBL-Geschäftsführer Daniel Sattler. Die abschließende Prüfung, ob die Saison aus wirtschaftlicher Sicht noch regulär hätte beendet werden können, war somit obsolet.

Nach dem abrupten Rückzug brauche man "vielleicht auch ein bisschen Demut", sagt Karl Kaden, Jugendtrainer am Straubinger Nachwuchsstützpunkt

Sattler bezeichnet Straubing als "exemplarisch für Klubs mit niedrigem Budget", aber dennoch "als singulären Fall, denn wer nur ausgibt, was er einnimmt, kann auch mit wenig Budget einen gesunden Klub haben". Das sei bei der Einschätzung bestimmter Risiken offenbar nicht der Fall gewesen, die ausgebliebenen Corona-Hilfen, die zum Insolvenzantrag führten, seien "der berühmte letzte Tropfen, aber das andere ist grundlegender". In Bezug auf die nun vorzeitig beendete Saison sagt Sattler jedoch, dass es "hoch wahrscheinlich gewesen, dass ein Weg gefunden worden wäre". Doch ohne Kader kein Bundesliga-Spielbetrieb. Und so hat in Straubing während der heißen Saisonphase in einer Art Paralleluniversum die Neuordnung auf allen Ebenen begonnen.

Bereits fristgerecht eingereicht wurde der Lizenzantrag für die neue eingleisige zweite Bundesliga Pro, die bei den Frauen von der kommenden Saison an als Übergangsliga zwischen erster und zweiter Liga eingezogen wird, um den Sprung ins Oberhaus zu erleichtern. Für die Beantragung einer Erstliga-Lizenz hätte Straubing noch bis Anfang Mai Zeit. Sehr wahrscheinlich wird es aber wohl zunächst eine Liga tiefer weitergehen. Nach dem abrupten Rückzug brauche man "vielleicht auch ein bisschen Demut", sagt Karl Kaden, Jugendtrainer am Straubinger Nachwuchsstützpunkt, "und Zeit, um uns in der zweiten Liga zu regenerieren". Das Erstligaprojekt sei damit nicht aus der Welt, aber angesichts der aktuellen Situation womöglich vertagt.

Für die Straubinger Nachwuchsarbeit wäre die zweite Liga Pro aus seiner Sicht kein Rückschritt, sondern sogar eine Möglichkeit, noch mehr Jugendspielerinnen in einen dann konkurrenzfähigeren Kader zu integrieren. In der vorzeitig beendeten Erstligasaison waren in Emilia Jordan, Antonia Herpich sowie der zurückgekehrten Valbona Ismaili drei Straubinger Eigengewächse fester Bestandteil des Bundesligateams. Allerdings war Straubings kleiner Kader sportlich nur bedingt konkurrenzfähig gewesen. "Aufgrund des etwas niedrigeren Spielniveaus könnten wir in der zweiten Liga Pro verstärkt mit Talenten aus der Umgebung und eigenen Spielerinnen aufwarten", sagt Kaden. Müßig zu erwähnen, dass das für Straubing nicht nur in puncto Jugendarbeit attraktiv ist, sondern auch bei den Personalkosten: Der Nachwuchs verlangt gemeinhin nicht so viel Gehalt - und muss meist auch nicht in eine vom Verein gestellte Wohnung umziehen.

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