Volleyball:Schock am See

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Pariser Blockade: Hier versucht sich VfB-Angreifer Luis Fernando Joventino Venceslau, der insgesamt aber auch nur sechs Punkte erzielte. (Foto: CEV/oh)

Friedrichshafen ist so schlecht wie lange nicht gestartet. In der Champions League droht das Aus, im Klub wächst Ärger über die Geschäftsführung.

Von Sebastian Winter, München/Paris

Markus Steuerwald riss nach dem Schlusspfiff die Arme nach oben, er jubelte - und dürfte zugleich erschrocken gewesen sein. Nicht wegen der Leistung seines Klubs Paris Volley beim 3:0 (25:23, 25:16, 25:22)-Erfolg über den VfB Friedrichshafen in der Champions League, sondern wegen der des Gegners, bei dem er einst zwischen 2006 und 2010 spielte. So leichte hatten es dem deutschen Nationalmannschafts-Libero, der seither in Diensten des französischen Hauptstadtklubs ist, bislang wenige Gegner in diesem Wettbewerb gemacht. Im zweiten Satz brach Friedrichshafen auseinander.

Nach drei Gruppenspielen steht die Mannschaft von Stelian Moculescu vor dem Vorrunden-Aus, mit null Punkten ist sie Letzter. Nicht nur das: Vor einer Woche ist Friedrichshafen im Viertelfinale des DVV-Pokals gescheitert - an den zwar ambitionierten, aber gerade erst aufgestiegenen United Volleys aus Frankfurt. Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt: Friedrichshafen, 13 Mal deutscher Meister, 13 Mal deutscher Pokalsieger, Champions League-Gewinner von 2007, steckt in seiner größten Krise der vergangenen Jahre. Einzig die Meisterschaft können sie am Bodensee nun noch gewinnen, und auch da sieht es schon sechs Wochen nach dem Saisonstart eher trist als vielversprechend aus: Der VfB steckt hinter Berlin und Frankfurt auf Platz drei fest. Der ewige Konkurrent aus der Hauptstadt hat das Duell in Friedrichshafen überdeutlich mit 3:0 gewonnen. Das Prekäre an der Situation ist, dass es nicht nur im sportlichen Bereich eine Unwucht gibt - sondern es auch hinter den Kulissen gewaltig rumort.

Der Manager ist frustriert und nimmt erst mal ein paar Tage Urlaub

Die sportlichen Probleme fußen darauf, dass Friedrichshafen wieder einmal seinen Kader umbauen musste, wie so oft. Es gelang dem dominierenden deutschen Volleyball-Klub des vergangenen Jahrzehnts aber (noch) nicht, ein homogenes Team zu formen, im Gegenteil: Momentan fehlen die Führungsspieler. Wann Zuspieler Simon Tischer zurückkehrt, der wegen eines Bandscheiben-Vorfalls operiert werden musste, ist noch völlig unklar; der ebenfalls lädierte Angreifer Björn Andrae dürfte wohl früher wieder auf dem Platz stehen. Beide sind langjährige deutsche Nationalspieler, auch Identifikationsfiguren, die Friedrichshafen ansonsten fehlen. Ihr Kollege Max Günthör war auch so einer, für den die Menschen am Bodensee gerne in die Arena kamen, er trat aber nach der Meisterschaft im vergangenen Frühjahr zurück. Der jüngste Zugang, der türkische Tischer-Ersatz Arslan Eksi, wirkt noch wie ein Fremdkörper im Team. Er ist nicht der einzige.

Mittlerweile sagt Friedrichshafens Manager Stefan Mau: "So macht es keinem mehr Spaß, zuzuschauen. Die Mannschaft hat sich noch nicht gefunden, die sportliche Situation ist sehr angespannt." Mau, der den Job seit zehn Jahren macht, hat ein paar Tage Urlaub genommen, "in dieser Situation ist das besser". Er dementiert die Meldung, dass er um Urlaub "gebeten habe". So hatte der Südkurier seinen Klub nach dem Ligaspiel gegen Lüneburg am Samstag zitiert, dem Mau ferngeblieben war. Es geht hier nicht vordergründig um sprachliche Kleinigkeiten, sondern vor allem um Respekt - und eine Neu-Ausrichtung, hinter der längst nicht alle stehen.

Neben Günthör sind ja auch andere gegangen, Menschen, die für die erfolgreiche Ära des Klubs standen. Geschäftsführer Jürgen Hauke oder Chef-Scout Donato Isai, fast eine Legende seiner Zunft. Freiwillig haben sie sich eher nicht zurückgezogen, heißt es im Umfeld des Klubs, eher mit einem "Es-reicht"-Gefühl. Und ohne Blumen. "Meinem Nachfolger wünsche ich, dass er die guten Dinge ähnlich weiterführt und die weniger guten Dinge nachhaltig verbessern kann", so lauteten Haukes Abschiedsworte vielsagend.

Nachfolger Sebastian Schmidt setzt aber auf eine Neukonzeption. Er beauftragte eine Agentur mit der Ausarbeitung einer nicht ganz günstigen Werbekampagne, außerdem sollten die Profis so lange in pinken Trikots zu den Heimspielen antreten, bis die Halle einmal ausverkauft ist. Die Trikots sind der Renner, das Problem ist nur, dass die Halle trotzdem nie voll war. Am Samstag gegen Lüneburg kaufte daher ein Sponsor so viele Tickets, dass der Klub werbeträchtig eine ausverkaufte Halle melden konnte - obwohl viele Plätze tatsächlich frei geblieben waren. Von außen betrachtet sieht es ganz danach aus, als wolle Schmidt, der am Mittwoch nicht zu erreichen war, den so traditionsreichen Klub entstauben. Offenbar verprellt er dabei aber einige aus dem Establishment. Auch sonst fehlt bislang der kurzfristige Erfolg. Die Zuschauerzahlen stagnieren jedenfalls, zwei Saisonziele hat Friedrichshafen schon im See versenkt. Über allem steht eine weitere, wichtige Frage: Was machen die ortsansässigen, potenten Hauptsponsoren, wenn das Erfolgsmodell Friedrichshafen keinen Erfolg mehr verspricht. Ihre Verträge laufen in nicht allzu weiter Ferne aus.

Cheftrainer Stelian Moculescu, bei dem im Verein alle Fäden zusammenlaufen, ist ein Anhänger der Neuausrichtung. Nach der Pleite in Paris sagte der 65-Jährige: "Wir schlagen uns zum Teil schon selbst." Das kann man durchaus so stehen lassen.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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