Volleyball:Schmettern in Shanghai

Sechs Spiele, sechs Siege: Auch dank der überragenden Scorerin Louisa Lippmann stehen die deutschen Volleyballerinnen im EM-Viertelfinale gegen Polen.

Von Ulrich Hartmann, Lodz/München

Mit ihren Gedanken müsste Louisa Lippmann eigentlich schon 8000 Kilometer weiter südöstlich sein - in Shanghai. Deutschlands Volleyballerin des Jahres spielt ab Oktober in China, es wird das bislang größte Abenteuer ihrer Karriere. Aber zuvor muss sich die 24-Jährige noch auf etwas anderes konzentrieren. An diesem Mittwoch spielt sie mit der deutschen Mannschaft bei der Europameisterschaft im Viertelfinale gegen Polen (20.30 Uhr, Sport1), einen der vier Gastgeber des Turniers. Mit einem Sieg stünde man im Halbfinale in Ankara und spielte dann erstmals seit sechs Jahren wieder um kontinentales Edelmetall. Die Vorbereitung auf diese Herausforderung verdrängt bislang noch die Gedanken an China.

Bei der EM ist Lippmann nach den Achtelfinals die zehntbeste Scorerin des Turniers, die beste ihres Teams. 92 Punkte hat sie dazu beigetragen, dass die Deutschen bisher alle sechs Spiele gewonnen haben, sogar gegen Rekord-Europameister Russland. Wer Russland besiegt, kann auch Polen bezwingen, doch in Lodz werden nicht nur die etwa 10 000 heimischen Zuschauer ein Faktor sein, sondern auch drei polnische Spitzenspielerinnen, die auf ihren Positionen die EM-Statistiken anführen: die Außenangreiferin Malwina Smarzek-Godek, die Mittelblockerin Agniezka Kakolewska und die Zuspielerin Marlena Kowalewska. Sie haben alle drei deutlich bessere Quoten als die jeweiligen deutschen Spielerinnen Lippmann, Camilla Weitzel und Denise Hanke. Deshalb müssen die deutschen Frauen schon am Limit und wohl darüber hinaus spielen, um erstmals seit 2013 wieder in ein EM-Halbfinale einzuziehen.

Volleyballerin Louisa Lippmann

Herausragende Athletin eines funktionierenden Kollektivs: Louisa-Christin Lippmann.

(Foto: Guido Kirchner/dpa)

Für Louisa Lippmann ist Volleyball auf diesem Niveau freilich bekanntes Terrain. Die Diagonalangreiferin spielte die vergangene Saison in Florenz, das war nach Münster, Dresden und Schwerin ihre erste Auslandsstation. Nachdem die gebürtige Herforderin von 2015 bis 2018 (je zwei Mal mit Dresden und Schwerin) vier Mal nacheinander deutsche Meisterin geworden war, ging sie mit Florenz allerdings leer aus. Italienischer Meister wurde Conegliano, jener Klub aus der Nähe von Venedig, zu dem nach der EM ihre kongeniale Schmetterkollegin im Nationalteam, Jennifer Geerties, wechselt.

Lippmann macht derweil den nächsten Schritt - auch finanziell. China ist nicht nur aktueller Frauen-Olympiasieger, sondern auch eine volleyballverrückte Nation. Vor Lippmann haben nur Margareta Kozuch (2014/15) und Georg Grozer jr. (2016/17) bereits einmal in Shanghai Volleyball gespielt. Kozuch und Grozer sind jene beiden Volleyball-Größen, die von 2010 bis 2014 gemeinsam fünf Mal in Serie zu den deutschen Volleyballern des Jahres gewählt worden sind. Louisa Lippmann ist nun auf dem besten Weg, eine ähnliche Karriere hinzulegen. Von Kozuch hat sie sich bereits wertvolle Tipps zum Leben und Spielen in Shanghai geholt. Von Grozer ist über Shanghai die Aussage übermittelt: "Diese Stadt ist der Hammer."

Volleyball-EM, Viertelfinale

Mittwoch, 04. September

in Ankara/Türkei

Serbien - Bulgarien (16.00 Uhr)

Italien - Russland (18.00 Uhr)

in Lodz/Polen

Türkei - Niederlande (18.30 Uhr)

Polen - Deutschland (20.30 Uhr)

Das Zitat ist vielleicht Grozers Kampfnamen ("Hammerschorsch") geschuldet, aber auch Lippmann ist, wenn man so will, eine Hammer-Volleyballerin. Mit ihren 1,91 Metern ist sie auch deshalb Deutschlands gefährlichste Spielerin am Netz, weil sie sich seit Jahren in Technik und Taktik immer weiter entwickeln will. Den Bundestrainer Felix Koslowski, der in Schwerin zwei Jahre lang auch ihr Vereinstrainer war, lobt sie dafür, ihr "auch in technischen Dingen" sehr weitergeholfen zu haben. Doch weil ihr das nicht genügte, hat sie von sich aus Kontakt zum Beach-Trainer Jürgen Wagner aufgenommen und arbeitet nebenher also auch noch mit jenem Trainer zusammen, der die Beach-Duos Brink/Reckermann und Ludwig/Walkenhorst zum Olympiatriumph geführt hat.

Und nun also Shanghai. "Ich werde in China so ein bisschen ins kalte Wasser springen", sagt Lippmann, "aber ich freue mich schon extrem auf den Volleyball, der dort gespielt wird, auf ein neues Land und eine neue Kultur." Sie wird neben der US-Kapitänin Jordan Larson eine von nur zwei erlaubten Ausländerinnen in Shanghais Team sein und empfindet dies "als große Ehre". Zum Volleyballspielen wird sie erst im Januar wieder nach Europa zurückkehren, denn dann versucht sie mit der deutschen Mannschaft ultimativ, sich über ein Kontinentalturnier vielleicht doch noch für Olympia nächstes Jahr in Tokio zu qualifizieren. Als Weltenbummlerin in Sachen Volleyball will sie sich Japans Hauptstadt eigentlich nicht entgehen lassen.

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