Volleyball:"Snow-Volleyball soll ins Programm der Olympischen Winterspiele"

Sport Bilder des Tages MOSCOW RUSSIA DECEMBER 21 2018 A Russian athlete in a group stage match; Snowvolleyball, Snow-Volleyball

"Snow-Volleyball soll ins Programm der Olympischen Winterspiele", sagt DVV-Präsident René Hecht.

(Foto: imago/ITAR-TASS)

DVV-Präsident René Hecht spricht über den Wandel im Volleyball und die Chancen der deutschen Hallen- und Beach-Teams auf Tokio.

Interview von Sebastian Winter

SZ: Herr Hecht, das Achterturnier in Berlin, wo sich die deutschen Volleyballer ab 5. Januar für Tokio qualifizieren wollen, steht vor der Tür. Nur der Sieger schafft es zu den Spielen. Ein Grund zu zittern?

René Hecht: Die Anspannung wächst. Wir arbeiten schon so lange an dem Thema. Das Feld bei den Männern ist ja quasi eine EM-Endrunde: Europameister Serbien, Vize-Europameister Slowenien, der EM-Vierte Frankreich, die Belgier, die Bulgaren. Und die Frauen haben ab 7. Januar auch ihre Qualifikation in den Niederlanden. Da warten die Türkei, Belgien, Polen. Aber wir können das schaffen - auch und gerade die Männer mit dem Heimvorteil. 2008 und 2012 hat es bei ihnen in Berlin auch geklappt. Nur 2016 sind sie knapp gegen Weltmeister Polen gescheitert.

Bei der EM im Herbst schieden beide Nationalteams im Viertelfinale aus.

Die Frauen haben eine sehr gute EM gespielt, gerade nach ihrem Generationswechsel, und sind knapp an Polen gescheitert. Bei den Männern gab es vor allem bei Georg Grozer gesundheitliche Probleme, er war gar nicht richtig in Form. Das sieht jetzt anders aus, alle sind fit.

Pressekonferenz der Verbände CEV und DVV

Seit Sommer 2018 Präsident des DVV: René Hecht (zweiter von rechts), hier bei einer Pressekonferenz des Europäischen Volleyball-Verbands CEV in Berlin.

(Foto: Andreas Gora / dpa)

Wenn Deutschland scheitert, ist Berlin Grozers letzte Bühne im Nationaldress. Spätestens nach Tokio tritt er zurück. Was bedeutet er fürs Team?

Wenn Georg fit ist, ist er die Motivationsmaschine auf dem Feld. Er reißt die Leute mit, übernimmt Verantwortung und ist in der Lage, die entscheidenden Punkte zu machen. Super Spieler, herausragende Persönlichkeit, immens wichtig fürs Team.

Sie haben zusammen mit seinem Vater bei der EM 1991 gespielt.

Bei ihm war das ähnlich. Er hat keinen gebeten, nicht viele Worte verloren, wollte nie ausgewechselt werden. Georg Grozer junior und unser Zuspieler Lukas Kampa sind jedenfalls die Leuchttürme in der heutigen Mannschaft, ohne sie wäre es schwer.

Sie selbst haben die Qualifikation für die Spiele 1992 in Barcelona knapp verpasst.

(stöhnt auf) Es war das Schlimmste, was je passiert ist. Wir haben 2:1 gegen Südkorea geführt, sie an die Wand gespielt. Und verkackt. Punkt. Ich hatte den Sieg im vierten Satz auf der Hand, doch der Ball ging zwanzig Zentimeter ins Aus. Das war für uns alle bitter. Auch weil das Team, das sich da nach der Wende zusammengefunden hatte - sechs "Wessis", sechs "Ossis" - geilen Volleyball spielen wollte. Ohne Querelen.

Sind die Volleyball-Männer um Grozer, 35, und Kampa, 33, zu alt?

Würde ich nicht sagen. Sicher wird es nach diesem Olympiazyklus einen Generationswechsel geben. Georg macht nicht weiter, unser Kapitän Lukas Kampa stellt sich auch dieser Frage. Aber Tobias Krick hat eine super EM gespielt, wir haben Brehme, Weber, Schott, Zimmermann. Okay, einen Nachfolger von Grozer gibt es noch nicht. Die Jungen müssen sich noch entwickeln, um auf dieses Level zu kommen.

Wäre ein Scheitern nicht eine Katastrophe, nachdem die Volleyballer schon 2016 in Rio nur im Sand vertreten waren?

Warum Katastrophe? Bei den Männern haben wir da ein sehr gutes Spielerpotenzial, der Jahrgang 2001/'02 ist Europameister geworden letztes Jahr. Da muss uns nicht bange werden. Und die Frauen können als junge Mannschaft nach ihrem Umbruch zeigen, was sie für ein Potenzial haben.

Sie haben eine Maurerlehre nach dem Abitur gemacht. Aus dieser Perspektive gesprochen: Wie stabil ist das DVV-Haus?

Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren sehr viel geschafft, mit der Strukturreform vom vergangenen Sommer und der Beitragserhöhung als wichtigstem Ergebnis. Wir sind wieder auf gemeinsamem Kurs, mit Respekt, Vertrauen, Transparenz den Mitgliedern gegenüber. Das war mir als Präsident sehr wichtig und ist, wenn wir im Bild bleiben wollen, ein solides Fundament, auf dem man aufbauen kann.

Das bedeutet konkret?

In der Beitragserhöhung sind drei Säulen: ein Nachwuchskonzept unter Federführung des DVV, das wir gemeinsam mit den Landesverbänden und der Volleyball-Bundesliga entwickelt haben. Ein gigantischer Aufwand. Dann ein stärkerer Fokus auf den Breiten- und Freizeitsport, das hat man jahrelang versäumt. Die dritte Säule ist die Digitalisierung. Wir arbeiten noch daran, aber ich kann Ihnen schon eines sagen: Es gibt gegenüber den Mitgliedern absolute Transparenz und Offenheit, wofür wir die Mittel verwenden. Jedenfalls nicht, um irgendwelche Löcher zu stopfen.

Wie die Digitalisierung helfen soll, Mitglieder zu gewinnen

Ihr Vorgänger Thomas Krohne war mit dem gesamten Vorstand im Juli 2018 zurückgetreten, im Streit mit den Landesverbänden um die zukünftige Ausrichtung. Nicht wenige haben dem Manager vorgeworfen, das Klima vergiftet zu haben. Braucht man Sie auch als Dachdecker?

Dass sechs Vorstandsmitglieder mit einem Hieb gehen, ist schon selten und war sehr, sehr bedenklich. Wir mussten erst wieder Vertrauen aufbauen. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern und bin kein Politiker, der schöne Reden hält. Aber ein Teamplayer. Ich war 15 Jahre Nationalmannschafts-Kapitän, immer Führungsspieler, mit knapp 400 Länderspielen. Mein Lieblingsspruch ist: Immer den Ball flach halten. Meine Lebensphilosophie: Man muss aus Fehlern lernen können. Und man muss sich einig sein für ein gemeinsames Ziel.

Krohne ist auch über die geplante Digitalplattform "Volleypassion" gestolpert, mit dem Bezahlmodell wollte er neue Mitglieder und Sponsoren gewinnen - und hat Stürme der Entrüstung geerntet.

Das Bezahlmodell haben wir erst einmal ad acta gelegt. Wir haben die kostenlose Plattform und sind dabei, das ganze digitale Thema zu sortieren. Schwerstarbeit! Aber wir müssen uns modern ausrichten. Mehr Mitglieder sind gleich mehr Beitragseinnahmen. Durch digitales Marketing gibt es dort mehr Geld. Die Masse der Volleyballer sind die Breiten- und Freizeitsportler, sie wollen wir für uns gewinnen.

Die Mitgliederentwicklung ist rückläufig.

Ja, in den letzten 15 Jahren haben wir 20, 25 Prozent verloren. Jetzt sind es noch 411 000. Das ist der Demografie geschuldet, der Individualisierung, den digitalen Angeboten und Plattformen, auf denen sich die jüngeren Generationen generell mehr bewegen. Genau dort müssen wir mit einem digitalen Konzept anknüpfen. Die Entwicklung ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass wir wesentlich weniger Trainer haben als früher.

385 Länderspiele

Die deutschen Volleyballer müssen beim einzigen europäischen Olympia-Qualifikationsturnier in Berlin (5. bis 10. Januar, Max-Schmeling-Halle) Erster werden, um im Sommer nach Tokio zu reisen. René Hecht, seit 2018 DVV-Präsident, unterstützt die Mannschaft um Georg Grozer auf der Tribüne in seiner Heimatstadt und fiebert zugleich mit den deutschen Frauen bei deren Qualifikationsturnier in den Niederlanden (ab 7. Januar). Der 2,07-Meter-Mann Hecht ist mit 385 Einsätzen (238 für die DDR) deutscher Rekordnationalspieler. Er nahm an sechs Europameisterschaften und zwei Weltmeisterschaften teil. Hecht hat zwei Kinder. Sein Sohn Florian war Erstligaprofi bei den BR Volleys.

Hat der DVV Talente vernachlässigt?

Sicherlich nicht. Wir haben die U18-Europameister und weitere tolle Spieler in den älteren Jahrgängen. Auch die Mädels sind konstant vorne in Europa mit dabei. Der Beach-Nachwuchs gewinnt reihenweise Medaillen. Unser Bundesstützpunkt-System funktioniert bei den Jungs sehr gut, bei den Mädchen kommen noch zu wenige an den Bundesstützpunkt nach Berlin. Wir brauchen wieder mehr Breite, Kinder die einfach Volleyball spielen wollen.

Volleyball ist Männer-Teamsport Nummer fünf, nach Fußball, Eishockey, Hand- und Basketball.

Wie soll sich das ändern? Der Volleyball muss sichtbarer werden. Die Beachvolleyball-WM in Hamburg im Sommer war gigantisch, Berlin hat 2019 das Champions-League-Final-Four ausgerichtet und richtet es 2020 wieder aus. Da müssen wir weitermachen. Die Handballer haben es uns Anfang 2019 vorgemacht. Es ist uns nicht entgangen, dass der DHB mit der WM in Deutschland einen hohen Erlös erzielt hat, der nun in die Basis, in die Infrastruktur investiert wird. Da wollen und müssen wir auch hin.

Snow-Volleyball soll ins Programm der Olympischen Winterspiele

Aber die Zuschauerzahlen in der Liga stagnieren, sie hat immer noch keinen zentralen Vermarkter. Und in Hamburg wurde die WM nicht von Ihnen ausgerichtet, sondern von einer Agentur aus Österreich.

Wir können so eine riesige Veranstaltung momentan nicht finanzieren und das Risiko tragen. Mit Sport 1 haben wir einen TV-Partner an der Seite der Volleyball-Bundesliga und des Verbandes, der 2019 so viel Beach- und Hallen-Volleyball wie noch nie gezeigt hat. Liga, WM, EM, Pokalspiele und jetzt im Januar die Olympia-Qualifikation. Und mit Snow-Volleyball haben wir eine weitere Sportart in den Startlöchern.

Snow-Volleyball?

Snow-Volleyball soll ins Programm der Olympischen Winterspiele. Auch, weil man dort mehr Teamsport haben möchte.

Ernsthaft?

Glauben Sie mir, der Volleyball-Weltverband nimmt das Thema sehr ernst. Das ist ein anderes Format, drei gegen drei auf Schnee. Es wird nicht so eine große Bewegung wie Beach, allein wegen der klimatischen Bedingungen. Es gibt aber schon eine World Tour, Europameisterschaften. Und wir richten 2020 die dritte deutsche Meisterschaft aus, in Oberstaufen, einer Region, die große Begeisterung mitbringt und sehr offen für Snow-Volleyball ist.

Im Sand hatte Laura Ludwig eine schwere Saison mit ihrer neuen Partnerin Margareta Kozuch, Julius Thole und Clemens Wickler wurden dagegen WM-Zweite. Wie viele Olympia-Medaillen erwarten Sie?

Thole/Wickler fahren sicher nicht nach Tokio und sagen, "wir wollen keine Medaille". Wenn sich Borger/Sude und Ludwig/Kozuch qualifizieren, ist auch alles möglich. Bei Ludwig und Kozuch hat man am Ende des Sommers gesehen, dass es funktionieren kann. Das sind zwei hochindividuelle Persönlichkeiten, die Synapsen müssen sich verbinden, und das braucht Zeit.

Sie sagten im Sommer: "Wir haben aus den Olympiasiegen von Brink/Reckermann 2012 und Walkenhorst/Ludwig vier Jahre später nichts machen können, weil wir keinen Plan hatten." Was meinen Sie damit, was muss sich ändern?

Ich würde das nicht mehr so sagen. Gerade im Beach-Volleyball-Bereich hat sich sehr viel bewegt. Mittlerweile führen wir seit mehreren Jahren Europas größte Beach-Volleyball-Tour, erfolgreich in Eigenregie. Wir haben großartige Partner, eine konstante Präsenz im Free-TV. Das alles wurde aber auch mit sehr begrenzten Ressourcen geschaffen, und irgendwann erreicht man eben einen Punkt, wo wir, um im Bild zu bleiben, über die Grundmauern unseres Fundaments nicht mehr hinauskommen.

Das Präsidentenamt war nicht in Ihrem Lebensplan, sagten Sie mal.

Nein. Ich bin weder klassischer Funktionär noch Eventhopper. Und ich habe schon gar nicht für alles gleich eine Lösung, ich bin ja kein Messias. Ich habe mich vor drei Jahren selbständig gemacht, baue ein Therapiezentrum in Berlin auf, mit Physio- und Ergotherapie, dazu Logopädie. Ein Lebenstraum! Sie können sich vorstellen, dass die neun Mitarbeiter auch geführt werden wollen. Außerdem ist das ein nicht unerhebliches Risiko, ich bin hohe Verbindlichkeiten eingegangen, um mir diesen Traum zu erfüllen. Und dann kommt so ein Ehrenamt. Ich war in den ersten eineinhalb Jahren deswegen 120 Tage unterwegs.

Wie lange wollen Sie Volleyballpräsident bleiben?

Das ist noch gar kein Thema, zu viel ist zu tun. Im November 2020 ist die nächste Wahl, fragen Sie mich im nächsten Sommer gerne noch mal.

Bleibt noch Zeit für Ihre Hobbys?

(lacht) Bevor ich DVV-Präsident geworden bin, habe ich es geschafft, einmal pro Woche zu beachen. Aber momentan komme ich gar nicht mehr dazu. Badminton, laufen, beachen, alles ist auf hold. Und Hochseeangeln war ich das letzte Mal vor fünf Jahren in Norwegen. Man rast nur noch durch die Weltgeschichte.

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