Volleyball:Niemand in Rio

Berlin Deutschland 10 01 2016 Volleyball Olympia Qualifikation Männer Maenner 2016 Spiel um P

Scheiterte auch gegen Polen zu oft am gegnerischen Block: Angreifer Georg Grozer.

(Foto: Sebastian Wells/imago)

Wie die Frauen verpassen die deutschen Volleyball-Männer die Qualifikation für die Olympischen Spiele. Nach dem 2:3 gegen Polen kündigt Georg Grozer seinen Rückzug an.

Von Sebastian Winter, Berlin

Wie sich das anfühlt, ein Auswärtsspiel in eigener Halle zu haben, das erlebten die deutschen Volleyballer am Sonntag in Berlin. 7200 Zuschauer waren in die nahezu ausverkaufte Max-Schmeling-Halle zum so wichtigen Spiel um Platz drei geströmt, die Hälfte trug die rot-weißen Farben Polens. Volleyball ist dort nach Fußball (und das mit nicht einmal allzu großem Abstand) Nationalsport Nummer zwei, nach dem Weltmeister-Titel 2014 im eigenen Land ist die Euphorie nur noch größer geworden. Und so sahen sich Georg Grozer, Denis Kaliberda und ihre Kollegen auf dem Feld fast schon ehrfürchtig in der Halle um, als die polnischen Fans und Spieler ihre Nationalhymne, den Dombrowski-Marsch, anstimmten. Nur kurz kam Begleitmusik aus der Konserve, danach zeigten die Gäste, dass sie ihr Landessymbol sehr laut und textsicher intonieren können; auch nach der Hymne machten sie in der Arena ohrenbetäubenden Lärm.

Der stärksten DVV-Auswahl seit Jahren droht nun ein Umbruch

Er ebbte erst ein wenig ab, als die Deutschen, angeführt vom im Vergleich zum verlorenen Halbfinale gegen Russland wieder sehr viel stärkeren Grozer, den ersten Satz deutlich 25:20 gewannen. Er wurde wieder lauter, und fand dann, nach weit mehr als zwei Stunden Spielzeit, seinen Höhepunkt. Polen, der Weltmeister, der Weltranglisten-Zweite, hatte den starken Außenseiter Deutschland im Olympia-Qualifikationsturnier von Berlin 3:2 (20:25, 25;22, 16:25, 28:26, 16:14) niedergerungen.

Es war ein richtungsweisender, nachwirkender Sieg, denn Polen hat sich damit die letzte (im Vergleich zur Quasi-EM in Berlin aber viel größere) Chance für Rio beim Ausscheidungsturnier im Mai und Juni in Japan gesichert. Die deutschen Männer hingegen sind nicht in Brasilien dabei, ebenso wie die Frauen, die in der vergangenen Woche bei ihrem Parallelturnier in der Türkei bereits in der Vorrunde gescheitert waren. Erstmals seit 1992 fehlen somit beide Volleyball-Teams bei den Sommerspielen. "Es war unser großer Traum, bei Olympia zu spielen, ihn müssen wir jetzt leider begraben", sagte der geknickte Libero Ferdinand Tille. Grozer, der Kopf der Mannschaft, kündigte nach dem Spielende seinen Rückzug an. "Ich mache definitiv zwei Jahre Pause, das habe ich meiner Frau versprochen." In zwei Jahren ist Grozer 33; es ist unwahrscheinlich, dass er dann noch einmal zurückkehrt. Die DVV-Auswahl, die Polen am Freitag im letzten Gruppenspiel noch 3:2 bezwungen hatte, durfte sich dieses Mal meistens auf Grozer verlassen, anders als am Samstag bei der Halbfinal-Niederlage gegen Olympiasieger Russland (das am Sonntag das Finale 3:1 gegen Europameister Frankreich gewann und damit für Rio qualifiziert ist). Nach zwei Sätzen hatte der 31-Jährige so viele Punkte erzielt wie zuvor gegen Russland im ganzen Spiel. Allerdings wiesen er und Außenangreifer Kaliberda den Polen bei eigener 21:20-Führung im zweiten Satz mit zwei Angriffen in den Block den Weg zum Ausgleich.

In einem nervösen, am Ende dramatischen Spiel setzten sich die Deutschen Mitte des dritten Satzes etwas ab, auch dank eines krachenden Blocks von Philipp Collin, jenem Rückkehrer, dem Bundestrainer Vital Heynen nach Ablauf einer Dopingsperre wegen Regelverstößen gegen die Meldeauflagen eine neue Chance gegeben hatte. Grozer blockte zwei weitere Male, die Polen wirkten geschockt, auch ihr 2,07 Meter langer Hauptangreifer Bartosz Kurek fand kein Mittel mehr gegen die starke Abwehr des Gegners. Erst im vierten Satz kam Polen spät, aber mit Macht zurück. Es war nun ein Spiel auf Augenhöhe, ein großes Volleyballduell, das in Erinnerung bleiben wird. Die Deutschen hielten dagegen, bei 24:23 hatten sie den ersten Matchball, vergaben ihn, ihr dritter Satzball führte die Polen dann in den Tiebreak - weil Grozer den Ball in den Block schlug.

Der Tiebreak ist immer ein Nervenspiel, Nuancen entscheiden oft, so war es auch diesmal. Niemand konnte sich wirklich absetzen, 7:7, 10:10, eine strittige Schiedsrichter-Entscheidung zugunsten Polens, egal. Marcus Böhmes Block hielt die Deutschen im Rennen, doch dann führten die Polen nach einer grandiosen Rettungstat und einem Block plötzlich 13:12. Wenig später hatten sie Matchball, den ersten, den zweiten, Kapitän Michal Kubiak verwandelte ihn. Aus und vorbei.

Dem deutschen Team, dieser goldenen Generation, der stärksten seit Jahrzehnten, droht ein Umbruch, wie bei den Frauen. Viele Führungsspieler sind um die 30, neben Grozer auch der verletzte Kapitän Jochen Schöps, Zuspieler Lukas Kampa oder Mittelblocker Böhme. Der klamme Verband darf nun bei den Spielen nur noch auf seine Beachvolleyball-Duos hoffen, bei denen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst immerhin gute Medaillenchancen haben. Auch Bundestrainer Heynen ließ seine Zukunft offen. "Wir sind eigentlich dabei", in der Weltspitze, meinte er: "Aber der Modus lässt uns nicht." Schon am Montag trainiert er wieder seine Klubmannschaft in Tours/Frankreich. Auch für Heynen dürfte es schwer werden, in den Alltag zurückzufinden.

"Ich werde mich im Mai, Juni irgendwo im Wald verstecken", sagte er nach dem traurigen Wochenende von Berlin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: