Volleyball:Kontaktverlust

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Bayerns Volleyball-Erstligisten stehen nach dem Abbruch der Spielzeit vor ungewissen Zeiten - sinnvolle Planung ist in der aktuellen Situation nahezu unmöglich. Fast überall ist auch die Trainerfrage für die kommende Saison ungeklärt.

Von Katrin Freiburghaus

André Wehnert lacht gequält. "Die letzten zwei Tage waren aufregend", sagt er dann - am Telefon. Der Geschäftsführer der Erstliga-Volleyballerinnen aus Vilsbiburg sagt momentan viel in Telefone. Unnötige Kontakte werden vermieden, da geht es ihm wie allen anderen. Das vergangene Wochenende hätte ohnehin aufregend werden sollen, es stand der letzte Spieltag der Bundesliga-Hauptrunde an. Wegen der Pandemie des neuen Corona-Virus war das Spiel jedoch zunächst als Geisterspiel eingestuft und am Donnerstagabend schließlich komplett abgesagt worden - genau wie sämtliche andere Spiele in allen deutschen Volleyball-Ligen.

"Ich fand das nicht überraschend, es war klar: Wenn sie jetzt endlich mal Entscheidungen treffen, müssen sie alles abbrechen", sagt Benedikt Frank, Trainer von Nawaro Straubing. Sein Team wäre am vergangenen Wochenende als einziges spielfrei gewesen. Es bereitete sich auf die Früchte seiner Arbeit vor, die überraschende Teilnahme an den Playoffs. Dass es die nun nicht geben wird, sei "komisch", sagt Frank, "aber es sind jetzt andere Sachen wichtiger". Schon vor der Absage hatte er seinen Spielerinnen die weitere Teilnahme am Training freigestellt, wer sich unsicher fühlte, durfte zu Hause bleiben. Am Freitag saßen die beiden Norwegerinnen Oda Lovo Steinsvag und Ragni Steen Knudsen bereits im Flugzeug in die Heimat. "Wir haben allen angeboten, dass sie hierbleiben können", sagt Frank, "aber wir haben auch für alle, die das nicht wollen, sehr schnell gehandelt: Flug buchen und los."

Eile ist in diesen Tagen überall dort, wo es noch Internationales zu regeln gilt, ein wesentlicher Faktor. Auch die Erstliga-Männer aus Eltmann trafen sich am Freitag nicht zum Abschlusstraining, sondern aßen noch einmal gemeinsam zu Abend, ehe es darum ging, dem aus aller Herren Länder zusammengestellten Team möglichst rasch die Ausreise zu ermöglichen, bevor weitere Grenzen und Flughäfen geschlossen wurden.

Eltmann hatte sich nicht erst seit dem Saisonabbruch ungewollt nah mit der Ausbreitung des Erregers auseinandersetzen müssen. Nach einem Schulprojekt hatte es an der Schule einen bestätigten Corona-Fall gegeben; "zwar nicht in unserer Gruppe", sagt Trainer Marco Donat, "aber wir sind ab da nicht mehr ins öffentliche Krafttraining gegangen". Als Spieler von Grippesymptomen berichteten, wurden sicherheitshalber Tests durchgeführt, erst nach dem negativen Ergebnis lief das Training wieder an. Ähnlich wie bei den Frauen-Teams aus Niederbayern, deren Saisonhöhepunkt mit den Playoffs ersatzlos entfällt, bekam auch Aufsteiger Eltmann keine Chance mehr, einen sportlich sauberen Schlussstrich zu ziehen.

Organisatorisch ist das zweitrangig, weil die Liga die abgebrochene Saison wie eine Spielzeit ohne Ergebnisse behandelt - es gibt weder Meister noch Absteiger. "Aber mental hat es uns den Teppich unter den Füßen weggezogen", sagt Donat, "wir wollten den letzten Platz noch verlassen."

Der Kontakt zum Boden unter den Füßen fehlt perspektivisch auch in anderen Bereichen: Die in Innsbruck und Unterhaching beheimateten Alpenvolleys haben noch nicht entschieden, ob sie überhaupt in der deutschen Liga weiterspielen, Herrschings Volleyballer mussten ihre Premiere im Münchner Audi Dome auf Eis legen. Den Spielern gingen am Donnerstag auf Sicht die Nah- und Fernziele verloren. "Es ist nur Volleyball", betont Vilsbiburgs Kapitänin Lena Möllers, "aber es ist schwierig, wenn man damit sein Geld verdient und nicht weiß, ob das so fortzuführen ist."

Es findet kein Mannschaftstraining statt, an Sponsoren-Verhandlungen ist kaum zu denken. Aufgrund der unklaren wirtschaftlichen Folgen gehen Unternehmen keine Verbindlichkeiten ein, zudem gibt Wehnert zu bedenken, "dass ich ja noch gar nicht weiß, ob wir im Herbst einen Spielbetrieb haben".

Die Trainersituation ist einzig in Eltmann leidlich geklärt, wo Donat noch für ein Jahr gebunden ist. Allerdings läuft bei den Unterfranken ein Insolvenzverfahren, das schon unter normalen Umständen jede seriöse Prognose erschwert. Franks Vertrag in Straubing läuft aus, Vilsbiburgs Timo Lippuner verlässt den Klub, einen Nachfolger gibt es noch nicht. Die Spielersuche ist schwierig. Zumal "jetzt auf einmal alle auf dem Markt" seien, sagt Frank. Das sei "spannend, aber auch unübersichtlich". Wehnert, der um diese Zeit seit 19 Jahren in die Planung einsteigt, sagt: "Bekanntes kann man nicht machen, bei allem anderen weiß man nicht, wo man hingreifen soll." Die gesamte Situation sei "sehr surreal", findet er: "Ich bin heute Früh aufgewacht und habe gedacht: Was ist heute eigentlich?"

© SZ vom 17.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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