Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Kleine, weite Welt

Dank der Durchschlagskraft von Anne Hölzig gewinnen Straubings Volleyballerinnen 3:0 gegen Münster und sind auf dem besten Weg, die Hauptrunde unter den besten Acht zu beenden. Die 23-Jährige kam im Sommer nach Niederbayern, um sich weiterzuentwickeln - und ist zur Leistungsträgerin geworden.

Von Katrin Freiburghaus

Wenn man Anne Hölzig nach ihrem bisher schönsten Saison-Moment fragt, muss sie nicht überlegen. "Ganz klar das 3:0 in Potsdam", sagt die Angreiferin von Straubings Bundesliga-Volleyballerinnen. Potsdam war fünf Jahre lang ihre volleyballerische Heimat. Aus der brandenburgischen Hauptstadt wechselte die 23-Jährige im Sommer nach Niederbayern - vom Tabellendritten der kurz vor dem Ende der Hauptrunde abgebrochenen Saison zum Liga-Achten. "Das war ein riesiger Entwicklungsschritt für sie", sagt Straubings Coach Benedikt Frank, "auch wenn es tabellarisch ein Rückschritt war."

Um das zu verstehen, muss man um Hölzigs damalige Situation in Potsdam wissen: In ihrem fünften Jahr im Klub stimmte die Chemie mit dem Trainer nicht mehr. Ihre bis dahin schnelle Entwicklung stagnierte, sie spielte wenig. Als Studentin mit straff getaktetem Tagesplan war sie unzufrieden mit dem Verhältnis zwischen persönlichem Einsatz und Ertrag.

Sie entschied sich deshalb, ihre Heimat zum ersten Mal zu verlassen. In Berlin hatte sie als Kind gespielt, dann zwei Jahre beim Entwicklungsteam des VC Olympia, ehe sie ein paar S-Bahn-Stationen weiter nach Potsdam gewechselt war. Im Sommer entschied sie sich nicht für die sprichwörtliche große, weite Welt, sondern für die kleine. Sie wählte das bewusst so. Denn ein Nachteil der großen Welt ist ja, dass die Einzelne darin immer nur eine unter vielen ist.

Aber Hölzig ging es weniger darum, mehr aufzufallen, als darum, als Sportlerpersönlichkeit voranzukommen. "In Potsdam waren immer noch genügend andere Spielerinnen da, die einspringen konnten, wenn es bei mir nicht so gut lief", sagt sie. In Straubing ist das anders. In den ersten Spielen staunte Hölzig entsprechend, "dass ich so viel mehr Pässe bekommen habe und damit natürlich auch öfter die Chance hatte, zu punkten".

Hinter Diagonalangreiferin Iris Scholten hat Hölzig bislang die mit Abstand meisten Punkte im Team erzielt

Das Erstaunen hat sie schnell abgelegt, sie ist in die Rolle der Leistungsträgerin hineingewachsen. Hinter Diagonalangreiferin Iris Scholten erzielte sie bislang die mit Abstand meisten Punkte im Team. "Früher war sie vor allem stabilisierender Faktor, bei uns ist sie sowohl das als auch Scorerin", sagt Frank. Bei den Überraschungserfolgen in Potsdam und gegen Meister Stuttgart gelangen ihr jeweils über 20 Punkte, beim souveränen 3:0 gegen Münster am vergangenen Sonntag waren es 17.

Sie vermisse ihr familiäres Umfeld, Freund und Freunde, doch "es war trotzdem richtig, mal was anderes zu sehen und weiter weg zu sein", sagt sie über das zurückliegende halbe Jahr. Familiäres Umfeld beinhaltet in ihrem Fall auch immer den vertrauten, aber großen Schatten des berühmten Vaters Franko Hölzig, der für die DDR und das wiedervereinigte Deutschland insgesamt über 230 Länderspiele bestritt. Sie habe darunter nie gelitten, betont Hölzig. Sie sei aber auch nie unter Druck gesetzt worden. "Wir haben das immer entspannt angehen lassen, weil ich mich nie nur auf Volleyball konzentrieren wollte", sagt sie. Im Sommer beendete sie ihren Bachelor in Grundschullehramt - einem Präsenzstudiengang.

Straubings Trainer Frank wird nicht müde, Hölzigs starke Entwicklung und Bedeutung für die Mannschaft zu loben

Sie werde in diesem Beruf auch arbeiten, betont Hölzig, wann genau, lässt sie aber noch offen. Zehn Jahre als Profi um die Welt zu reisen, könne sie sich momentan allerdings schwer vorstellen. Für einen Wechsel ins Ausland bestand aus ihrer Sicht bisher ohnehin kein Anlass. "Ich fand die deutsche Liga spannend und abwechslungsreich genug", sagt sie. In Straubing trägt sie seit dieser Saison ihren Teil dazu bei, dass das so bleibt. Durch den Erfolg gegen Münster festigte Straubing Platz sieben und ist nach seiner Qualifikation für die ausgefallenen Playoffs in der Vorsaison auch in diesem Jahr auf dem besten Weg, die Hauptrunde unter den besten Acht zu beenden.

Mit einem Team, in dem Hölzig als 23-Jährige zu den erfahrensten Spielerinnen gehört, ist das eine beachtliche Leistung. Ihr Trainer Frank, der während der Partie gegen Münster aus gesundheitlichen Gründen das Bett hütete, statt wie sonst an der Linie auf- und abzutigern, wird nicht müde, Hölzigs starke Entwicklung und Bedeutung für die Mannschaft zu loben. Sie gibt das Kompliment zurück. Frank war ein wesentlicher Grund dafür, dass ihre Wahl auf Straubing fiel. "Ich wusste, dass er keinen Druck aufbaut, sondern seinen Spielerinnen viele Freiheiten lässt", sagt sie. Und damit ist in kleinen Welten manchmal sogar mehr Platz für Entwicklung als in großen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5207380
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/and
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.