Süddeutsche Zeitung

Volleyball in der Krise:Eine Liga droht zu implodieren

Im Playoff-Viertelfinale zwischen Unterhaching und Moers wird deutlich, wie sehr es im Volleyball kriselt: Beide Vereine stehen vor dem Rückzug, auch andere Klubs finden kaum Sponsoren. Der Männer-Bundesliga droht ein Debakel.

Von Sebastian Winter

In diesen Tagen bietet sich den Volleyball-Zuschauern in Unterhaching und Moers ein schauriges Schauspiel. Die beiden Klubs begegnen sich gerade im Playoff-Viertelfinale, Unterhaching hat Moers am Mittwoch in der ersten Partie mit 3:0 Sätzen bezwungen. Wenn für die Randmünchner am Sonntag im zweiten Duell der Best-of-three-Serie alles nach Plan läuft, sind sie im Halbfinale. Moers kann dann für die zweite Liga planen. Und für Unterhaching, das vom Titel träumt, steht die Zukunft in den Sternen.

Kürzlich hat Moers' langjähriger Mäzen Günter Krivec beschlossen, das Kapitel Erstliga-Volleyball zu schließen. Den Rückzug mehrerer Großsponsoren führte der millionenschwere Unternehmer als Begründung an. Es schwingt aber auch Frust mit. Darüber, dass der Verein, der Anfang der neunziger Jahre die Liga dominierte und auch in Europa eine große Nummer war, mit seinem Etat von einer Dreiviertelmillion Euro nicht mehr Schritt halten kann mit Berlin und Friedrichshafen.

Die Liga ist für zwölf Mannschaften angelegt

Auch in Unterhaching versuchen sie seit Monaten erfolglos, einen neuen Geldgeber zu finden: Hauptsponsor Generali steigt nach dieser Saison aus. Der Versicherer präsentiert sein Logo längst im Ski-Weltcup, der eben nicht fast ausschließlich im Internet-TV, sondern bei ARD und ZDF übertragen wird. Mit ihm geht dem viermaligen Pokalsieger jährlich eine Million Euro verloren.

Unterhaching beantragt zwar die Bundesliga-Lizenz bis zum Stichtag 1. April, dann haben sie noch zwei Monate Zeit, einen Sponsor zu finden. Doch wenn die Suche erfolglos bleibt, ziehen sie sich zurück.

Zehn Klubs spielen zurzeit in der Männer-Liga, die eigentlich auf zwölf Vereine ausgelegt ist. Bottrop wurde im Dezember, mitten in der Saison, wegen Missmanagements die Lizenz entzogen. Dresden geriet zur selben Zeit finanziell ins Schleudern, es zweifelt am Erstligaverbleib. Mitteldeutschland und Rottenburg waren zuletzt wirtschaftlich auch nicht auf Rosen gebettet. Sollte nun neben Bottrop und Moers auch das weitaus größere Schwergewicht Unterhaching untergehen, wäre das ein Debakel für die Liga, die dann zu implodieren droht.

Genau das ist das Horrorszenario, das in diesen Tagen die Verantwortlichen der Deutschen Volleyball-Liga (DVL) zittern lässt. Dass einzelne Klubs in einer Saison insolvent gehen oder von der Landkarte verschwinden, ist nicht neu. "Das Dach leckt aber diesmal nicht nur an einer Stelle. Die Frage ist, ob die Löcher es diesmal zum Einsturz bringen", sagt Daniel Sattler, der Prokurist der DVL. Sollten zum Stichtag zehn Klubs die Lizenz beantragen, "dann müssten wir nicht alles infrage stellen", sagt Sattler. Und wenn es weniger sind? Potenzielle Aufsteiger aus der zweiten Liga gibt es auch nur drei, und alle haben Etats, mit denen sich nicht viel erreichen lässt.

Während Berlin und Friedrichshafen, das mit angeblich 2,5 Millionen Euro noch den größeren Etat hat, die Lokomotiven der Liga sind, kommt die Konkurrenz nicht hinterher. Die Probleme sind vielfältig. Bei Unterhaching fehlte in den Boomjahren der Mut, nach München in eine große Halle umzuziehen und das Umfeld zu professionalisieren; der Standort neben Konkurrenten wie dem FC Bayern und dem EHC München ist außerdem nicht einfach. Moers ist seit Jahren abhängig von Mäzen Krivec, auch dort wurde nicht viel in Strukturen investiert. In Dresden führen die Männer neben den profihaften Volleyballfrauen ein Schattendasein. Bühl und Coburg, die aufstreben, sind Ausnahmen.

Überhaupt hat die Frauen-Bundesliga sich schon vor Jahren professionalisiert, neue Geschäftsstellen errichtet, was der Masterplan der DVL auch fordert. Bei den Frauen kämpfen in diesem Jahr fünf, sechs Klubs um den Titel, nicht nur zwei, wie bei den Männern. Die hatten nach dem Olympia-Gold der Beachvolleyballer, dem sechsten Platz der deutschen Männer in der Halle und der erfolgreichen Frauen-Heim-WM 2013 auf Auftrieb gehofft.

Die Spiele laufen nur im Internet

"Das Dumme ist, dass sich einige Vereine nicht mitentwickelt haben", sagte Berlins Manager Kaweh Niroomand kürzlich dem Volleyball-Magazin. Berlin hat sechs hauptamtliche Mitarbeiter, Friedrichshafen fünf, das ist mit Abstand die Spitze. Wenn Friedrichshafens Manager Stefan Mau frohlockt, "es herrscht Aufbruchstimmung, die Liga macht sich auf den Weg in die Professionalisierung", dann meint er deren Elite.

Doch auch die DVL hat in den letzten Monaten nicht immer glücklich agiert. Mal funktionierte der Live-Ticker nicht, mal saßen die Internet-Zuschauer beim Livestream vor schwarzen Bildschirmen. Mal öffnete sich aus Versehen eine Kugel bei der Pokalauslosung, sie musste wiederholt werden. Bloß billig produzieren, lautete das Credo der klammen Liga, die mittlerweile an Stellschrauben gedreht hat. Nun wartet sie bis Montag bang auf Lizenzanträge der Klubs. Danach ist klar, wie undicht das Dach ist.

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SZ vom 29.03.2014/schma
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