Volleyball in den USA:Zwei neue Profiligen locken Sportlerinnen mit viel Geld

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Selbst am Himmel sind noch Fans: 92 003 Zuschauer verfolgten im Sommer 2023 in Lincoln das College-Volleyballspiel zwischen Omaha und Nebraska - neuer Rekord für ein Frauen-Sportvent. (Foto: Dylan Widger/USA Today Network/Imago)

Auch deutschen Volleyballerinnen bieten sich außergewöhnlich gute Arbeitsbedingungen. Hinzu kommen prominente Investoren. Überleben wird wohl trotzdem nur eine der beiden Ligen – wenn überhaupt.

Von Sebastian Winter

Es hat ein wenig gedauert, Corona kam dazwischen, andere Dinge auch, aber nun wird sie tatsächlich starten, im Januar 2025, nach fast fünf Jahren Planungszeit: die LOVB, die, kleiner Marketing-Kniff, alle am besten nur Love nennen sollen. Liebe also.

Es ist eine neue Liebe, denn hinter den vier großen Buchstaben verbirgt sich die League One Volleyball, eine neue Frauen-Profiliga in den USA, deren Ziel es ist, den dortigen Sportmarkt aufzumischen. Mittelfristig, so der bescheidene Plan, will die Liga zu den Big Four, den großen Vier, aufschließen – zu Football, Baseball, Basketball und Eishockey.

Vom 8. Januar an messen sich sechs Mannschaften: Atlanta, Austin, Houston, Madison, Omaha und Salt Lake. In Playoffs Mitte April werden die Meisterinnen ermittelt, zudem ist im Februar eine Art Pokalwettbewerb geplant. Die Spielerinnen unterschreiben Verträge mit der Liga und werden danach so auf die Klubs verteilt, dass diese möglichst ausgeglichen besetzt sind. 75 Prozent eines Teams sollen in- und ausländische Nationalspielerinnen ausmachen, Olympiasiegerinnen sind dabei, außerdem die halbe US-Nationalmannschaft, die gerade Silber bei den Sommerspielen in Paris gewonnen hat. Auch deren Identifikationsfiguren Kelsey Robinson Cook und Haleigh Washington haben unterschrieben.

Das Publikumsinteresse an Volleyball in den USA ist groß

Das alles kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Denn bislang lief es so, dass die größten Volleyballtalente nach dem College mangels eigener Profiliga weit weg von der Heimat, ihren Familien und dem US-Markt im Ausland ihr Glück versuchten – meist in Europa, wo es die stärksten Ligen gibt. Jamie Davis, Präsident von USA Volleyball, sagte aber schon im vergangenen Dezember: „Wir freuen uns darauf, sie mit LOVB in ihrer Heimat antreten zu sehen und zu erleben, welche Auswirkungen diese Liga auf die Popularität des Volleyballsports haben wird.“

Dessen Stellenwert steigt ohnehin, Volleyball gilt in den USA als beliebtester Mannschaftssport für Highschool- und College-Mädchen. Auch das Publikumsinteresse ist groß, in Lincoln wurde am 30. August 2023 der weltweite Zuschauerrekord bei einer Frauen-Sportveranstaltung gebrochen. Exakt 92 003 Besucher besuchten dort im Memorial-Stadion das Volleyball-College-Spiel von Nebraska gegen Omaha. Die bisherige Bestmarke stammte aus dem Jahr 2022, als sich 91 648 Fans das Champions-League-Spiel von Barcelonas Fußballerinnen gegen Wolfsburg ansahen.

Nebraskas Harper Murray greift Ende August 2023 in Lincoln im Rekordspiel gegen Omaha an. (Foto: Dylan Widger/USA TODAY Network/Imago)

Nicht zuletzt der Olympiasieg der US-Frauen 2021 in Tokio hat einen enormen Aufschwung für den vermeintlichen Randsport gebracht. LOVB will den Boom nutzen und am großen Rad drehen: Um den Frauensport populärer zu machen, ihn aus der Nische zu holen, haben sich Investoren gefunden für die neue Liga. Basketballspieler und NBA-Star Kevin Durant, Alumni der Universität von Austin, wo nun einer der sechs Volleyballstandorte emporwächst, und die US-Tennisikone Billie Jean King unterstützen das Projekt. Auch Durants Kollege Jayson Tatum, Ski-Olympiasiegerin Lindsey Vonn oder die Schauspielerin Amy Schumer gehören zum Kreis der Förderer. Bode Miller, auf der Piste so erfolgreich wie kein anderer US-Skirennfahrer, bewirbt LOVB, weil seine Frau Morgane Beck dort künftig spielen wird. 35 Millionen Dollar wurden nach der zweiten Finanzierungsrunde eingesammelt, 16 Millionen in Runde eins.

Partnerschaften mit dem Verband USA Volleyball und dem Sportsender ESPN sind geknüpft, das Modell scheint sehr gut vorbereitet zu sein. Dem Kreis der Unterstützer geht es nicht allein um eine Rückholaktion verlorener US-Profis. Nachwuchsteams sollen an den Standorten emporwachsen, die Profis als Mentoren fungieren, die Social-Media-Plattformen dienen als Werbemittel. Es geht den Förderern aber auch um Gleichberechtigung, Fairness, Equal Pay und mentale Gesundheit. Um ein System also, das viele derzeit herrschende Sportligen mit ihren athletenfeindlich vollgepackten Spielplänen konterkarieren.

Fünf freie Tage an Thanksgiving und an Weihnachten gibt’s sogar eine ganze Woche

Jennifer Janiska ist eine von bislang vier deutschen Profis, die in der LOVB antreten werden, neben Nationalmannschaftskapitänin Anna Pogany, Annie Cesar und Kimberly Drewniok. Die 30-jährige Janiska hat in Deutschland vornehmlich bei den Spitzenklubs Schwerin und zuletzt in Dresden gespielt, Pokal und Meisterschaft gewonnen, fast zehn Jahre war sie Nationalspielerin. 2019 wurde sie mit dem italienischen Verein Conegliano Klubweltmeisterin. Die LOVB sieht sie nun als große Chance, noch einmal Neuland zu betreten. Am 2. November fliegt sie zur Vorbereitung in die USA, wo sie für das Team aus Madison, Wisconsin, spielen wird. Am Telefon sagt sie: „Ich habe ein sehr positives Gefühl, was die LOVB angeht. Das System ist sehr gleichwertig, zutiefst US-amerikanisch, der Ansatz sehr Sportlerinnen-freundlich und auch lukrativ für uns.“

Wechselt von Dresden (hier beim Ligaspiel in Stuttgart im vergangenen Februar) in die LOVB: die langjährige deutsche Nationalspielerin Jennifer Janiska. (Foto: Sandy Dinkelacker/Eibner/Imago)

An Thanksgiving bekommen die Profis laut Janiska fünf Tage frei. An Weihnachten gibt es gar eine Woche Urlaub – „das hatte ich in Deutschland und Italien in den letzten acht Jahre nicht“ –, verbunden mit der Möglichkeit, die Feiertage mit der Familie zu verbringen. Profis in Europa sitzen nicht selten an Heiligabend im eigenen Appartement, womöglich allein, weil am zweiten Weihnachtsfeiertag schon wieder Spiele sind und es sich für sie nicht lohnt, zur Familie zu reisen. „Auch der Puffer bis November macht das Angebot sehr attraktiv“, sagt Janiska. „Stichwort Regeneration.“ Wie viele ihrer Kolleginnen war sie oftmals mit der Nationalmannschaft den Sommer hindurch viele Wochen lang unterwegs, um dann im August/September quasi ohne Pause in die Klubvorbereitung einzusteigen.

Wohnung, Autos, An- und Rückreise und die Arbeitskleidung der Profis werden nun von der LOVB übernommen. Dazu gibt es dem Vernehmen nach für die viermonatige Saison ein Mindestgehalt von 60 000 Dollar netto, das durch Boni schnell wachsen kann – Summen, die in der Bundesliga für die allermeisten Profis illusorisch sind. Dazu: Kranken- und Zahnversicherung, psychologische Betreuung, bezahlte Elternzeit. Gefeuert werden dürfen die Spielerinnen nicht.

Und, ein weiterer Aspekt: Trainiert wird, wie Janiska berichtet, „in einem Block zwischen 9 und 14 Uhr, der dann alles beinhaltet von Ball- und Krafttraining bis zu Videostudium und Physiotherapie“. In Europa kannte sie meist nur sich lange hinziehende Arbeitstage mit Vormittagseinheiten, nachmittags Physio und abends wieder Balltraining.

Deutsche Klubs spüren die Auswirkungen der neuen Konkurrenz aus den USA

Ein Investorenmodell wie das der LOVB birgt aber auch Gefahren, die Geldgeber können schnell wieder abspringen, wenn ihr Projekt nicht funktioniert. Die Frage ist also, ob der hehre Ansatz dauerhaft funktionieren kann. Zumal es seit Januar 2024 bereits ein Konkurrenzmodell in den USA gibt, die Pro Volleyball Federation, mit sieben Profiteams, die schon eine sehr erfolgreiche Saison hinter sich haben. Zu den Gründern gehört der ehemalige Quarterback und Super-Bowl-Gewinner Trent Dilfer, die Spielerinnengehälter sollen künftig sechsstellig sein, Teams wie Atlanta Vibe, Orlando Valkyries, San Diego Mojo oder Vegas Thrill treten gegeneinander an, CBS überträgt.

Dass beide Profiligen parallel auf Dauer existieren, ist kaum vorstellbar. Wer frisst nun also wen? Oder gehen sie tatsächlich eine Liaison ein – im Sinne des Frauensports? Dritte Möglichkeit, eher ein Schreckensszenario: Beide Modelle übernehmen sich wirtschaftlich – und scheitern.

Klar ist schon jetzt: Europas Volleyballligen müssen sich etwas einfallen lassen, um der neuen Konkurrenz aus Übersee beizukommen. Das Murren ist groß über die neuen Gegenspieler, auch in der deutschen Bundesliga, die den Ausverkauf fürchtet. Dresden zum Beispiel musste neben Janiska drei weitere Spielerinnen in die USA abgeben, aus Stuttgart geht wohl ein Trio dorthin, fast jeder Klub ist betroffen. „Das hat massive Einflüsse, auch aus wirtschaftlicher Sicht“, sagt Dresdens Geschäftsführerin Sandra Zimmermann der SZ. Einerseits verlieren selbst die besten deutschen Klubs ihre Topspielerinnen an den US-Markt, andererseits „führt das Angebot in den USA auch zu einer Verteuerung der Spielerinnengehälter bei uns“, sagt Zimmermann. Die Berater der Profis haben nun eben andere Hebel bei Gehaltsverhandlungen.

Die neue Liebe, sie kommt also nicht überall gut an. Bleibt die Frage, ob sie nach der Kennenlernphase den Alltag überdauert.

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