Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Im dichten Mittelfeld

Im Niederbayern-Derby der Bundesliga gibt es keinen Favoriten. Dabei hatten Vilsbiburg und Straubing mal ganz unterschiedliche Ziele.

Von Katrin Freiburghaus

Wenn sich die Bundesliga-Volleyballerinnen aus Straubing und Vilsbiburg am kommenden Samstag in Vilsbiburg zum Niederbayern-Derby treffen, wird es keinen klaren Favoriten geben. Das ist insofern erwähnenswert, als Straubing mit dem Ziel Klassenverbleib in die Saison gestartet ist, während die Roten Raben Vilsbiburg im dritten und letzten Jahr unter der Regie seines zum Saisonende scheidenden Trainers Timo Lippuner zum Spitzentrio aufschließen wollte. Straubing ist punktgleich vor den Vilsbiburgerinnen Sechster; zu Platz drei fehlen acht Punkte.

Doch Lippuner kehrt Vilsbiburg nicht wegen verfehlter Zielvorgaben den Rücken; Geschäftsführer André Wehnert bestätigt, dass der 39 Jahre alte Schweizer den Klub auf eigenen Wunsch verlassen wird. "Wir waren in Gesprächen zur Vertragsverlängerung", sagt er. Denn das Team hat nicht das Problem fehlender Klasse oder mangelhafter taktischer Einstellung, sondern ruft sein Potenzial schlicht nicht konstant genug ab. Überraschende Erfolge wie das 3:2 bei Pokalsieger Dresden wechseln sich mit deutlichen Niederlagen gegen die direkte Konkurrenz ab wie beim 1:3 gegen Münster.

Allerdings ist Vilsbiburg mit dieser Formkurve nicht allein: Das Phänomen betrifft sämtliche Teams zwischen Platz drei und acht. "Wenn man irgendeine Begegnung aus der Bundesliga ohne Beteiligung von Schwerin nimmt und einen Satz zeigt, kann der Zuschauer daraus nicht ableiten, wer in der Tabelle wo steht", sagt Lippuner über die Kräfteverhältnisse im Mittelfeld der Liga. Das hat zur Folge, dass eine seriöse Prognose von Zielen immer schwieriger wird. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Trainingsintensität in Klubs, die Vollprofis beschäftigen, und solchen wie Straubing, bei denen fast alle Spielerinnen parallel eine Ausbildung absolvieren, nicht mehr so stark variiert wie noch vor fünf Jahren. Man könne sich vor der Saison deshalb das Halbfinale vornehmen, sagt Lippuner, man müsse aber eben "damit leben, dass das sechs andere Teams auch tun - und zwar aus legitimen Gründen".

Trainer Lippuner ist es gelungen, junge Spielerinnen auf Bundesliga-Niveau zu bringen

Um sich oben festzusetzen, reicht in Vilsbiburg wie bei der direkten Konkurrenz die Qualität, nicht aber die Quantität. Die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Startsechs sei in der Liga sehr ausgeglichen, sagt Lippuner; entschieden wird die Meisterschaft daher in der Breite. "Man kann sich so aufstellen, dass man gleiche Qualität in der ersten und zweiten Sechs hat, das ist eine finanzielle Geschichte", sagt Wehnert. Lippuner schätzt den nötigen finanziellen Mehraufwand, um auf allen Positionen gleichwertig wechseln zu können, auf eine halbe Million Euro jährlich.

Die Mittel dazu haben derzeit bloß die ersten beiden - Schwerin und Stuttgart. Dahinter könnten die Teams "gewisse Spitzen abrufen", sagt Wehnert, "aber nicht konstant". Und so wird Lippuner wohl nicht daran gemessen, wie das Team am Ende abschneidet. Bereits bei seinem Engagement ging es beim ehemaligen Nationalcoach der Schweiz auch darum, junge Spielerinnen ans Bundesliga-Niveau heranzuführen, und was diese Aufgabe angeht, kann Vilsbiburg in der laufenden Saison sehenswerte Ergebnisse vorweisen.

Die ehemalige Internatsschülerin Corina Glaab bildet ein Zuspiel-Tandem mit Nationalspielerin Lena Möllers, die ebenfalls erst 19 Jahre alte Paula Hötschl ist festes Mitglied des Erstliga-Aufgebots, und die 20 Jahre alte Mittelblockerin Josepha Bock spielt in der Stammsechs. Lippuner sagt, diesen Schritt zu begleiten, habe für ihn "einen mindestens so hohen Stellenwert wie mit einer Profimannschaft eine Medaille zu gewinnen". Insofern ist es konsequent, dass er zu keinem Spitzenklub wechseln wird, sondern in Aarau, wo der Schweizer Nachwuchs in einem Erstliga-Team zusammengezogen wird, für die 15- bis 19-Jährigen verantwortlich zeichnen soll. Vielleicht gelingt ihm zuvor ja aber doch noch der Sprung ins Halbfinale mit den Roten Raben. Der fürs Viertelfinale aussichtsreiche fünfte Platz ist lediglich einen Punkt entfernt.

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SZ vom 21.02.2020
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