Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Frisch verliebt

Straubings Volleyballerinnen treten mit Teenagern in der ersten Liga an - und versuchen den Spagat zwischen Individual- und Team-Entwicklung.

Von Katrin Freiburghaus

Nawaro Straubings Antonia Herpich strahlte, als sie am vergangenen Wochenende die Medaille für die wertvollste Spielerin ihres Teams entgegennahm, und sie tat es nicht für den Fotografen. "Das ist was ganz Besonderes", sagte die 16 Jahre alte Libera nach ihrem ersten Volleyball-Erstligaspiel in der Startformation. Und das, obwohl die soeben 0:3 (12:25, 19:25, 15:25) gegen Suhl verlorene Partie ziemlich kurz gewesen war und die Medaille nicht golden, sondern silbern glänzte. Eine Niederlage in 68 Minuten ist auf Erstliga-Niveau eine ziemliche Packung. Auf der anderen Seite ist Erstliga-Niveau für Herpich und einige ihrer Teamkolleginnen aber eben auch jedes Mal ein ziemliches Erlebnis.

Zahlreiche Verletzungen und krankheitsbedingte Ausfälle haben in Straubing nach und nach die Jüngsten in verantwortungsvolle Positionen gespült. Emilia Jordan, ebenfalls 16 Jahre jung, spielte am Samstag zu, die noch nicht lange 18-jährige Puck Hoogers vertritt auf der Diagonalposition seit Wochen die verletzte Marie Hänle und war Straubings beste Scorerin. "Das war eine Chance für die Jungen, sich zu zeigen, und sie haben das gut gemacht", sagt Trainer Bart-Jan van der Mark. Das Hauptproblem gegen den Tabellenzweiten aus Thüringen war die fehlende Effizienz im Angriff. "Aber das lag zu einem großen Teil an der Qualität des Gegners", befand van der Mark.

Die Konkurrenz hat "viel Geld investiert", sagt Trainer van der Mark

Dafür, dass Straubing dieser Qualität momentan nicht ausreichend viel entgegenzusetzen hat, gibt es unterschiedliche Gründe. Zum einen hätten alle, "die im letzten Jahr hinter uns lagen und unzufrieden waren", wie van der Mark sagt, "viel Geld investiert", um das zu ändern. Die Hauptrunde der vergangenen Saison hatte Straubing als Siebter abgeschlossen. "Aber in der Nische, in der wir operieren, kannst du nicht jedes Jahr Playoffs spielen, das ist unmöglich", meint der Niederländer. Zum anderen treffen die Nebenwirkungen der Pandemie wie Trainingspausen, Lockdowns und Spielverschiebungen Vereine mit dünn besetzten Kadern härter. Muskelverletzungen häufen sich, eine günstige Balance zwischen Belastung und Regeneration ist nicht immer möglich.

Individuell birgt das für die Jüngsten im Team Chancen. "Sie profitieren von Einsätzen in der ersten Liga sehr", sagt van der Mark. Seine Aufgabe sei es, die Folgen zu begleiten. Jordan und Herpich befänden sich in einer Phase ihrer Entwicklung, "in der alles, was klappt, gefeiert wird", sagt er, "der Druck ist niedrig, alles ist neu, alles macht Spaß". Wie frisch Verliebte schützt sie eine dicke Schicht Euphorie vor der Wucht von Rückschlägen. Das ändere sich mit mehr Erfahrung und eigenen steigenden Erwartungen. "Es ist ein Unterschied, ob eine Spielerin etwas ab und zu oder strukturell kann", sagt van der Mark, zwischen diesen beiden Stadien steckten "viel Zeit und Energie". Spielerinnen wie Hoogers würden zunehmend die Maßstäbe der Liga übernehmen. Damit müsse man "erstmal klarkommen", denn diese Entwicklung sei zwar Bestandteil jeder Karriere, aber auch mit Frust verbunden.

Dass die Spielerinnen einen großen Entwicklungsschritt bereits in jungen Jahren durchlaufen, ist eine Straubinger Spezialität

Dass die Spielerinnen diesen Entwicklungsschritt bereits in jungen Jahren durchlaufen, ist dagegen eine Straubinger Spezialität. Eigengewächse haben bei den Niederbayern realistische Chancen auf Einsatzzeiten, das ist nicht erst seit Herpich und Jordan so. Zuvor galt die hoch talentierte Angreiferin Valbona Ismaili als kommende Identifikationsfigur. Im Zuge der Corona-Pandemie sortierte sie jedoch ihre Prioritäten neu und gab den Leistungssport mit 18 Jahren auf. Der Ergebnisdruck ist in Straubing nicht nur deshalb niedrig, weil in der aktuellen Spielzeit niemand absteigt. Van der Mark gibt allerdings zu, "dass wir uns mehr erhofft haben"; der starke Ausbildungscharakter des aktuellen Teams gehe selbst für ihn "einen Schritt weiter, als es eigentlich der Plan war". Gegen Aufsteiger Neuwied gewann sein Team zweimal, für mehr reichte es bislang nicht.

Akut ist daran wenig zu ändern, mittelfristig müsse man sich indes überlegen, wie man künftig vermeide, "dass wir jedes Jahr von vorne anfangen", sagt van der Mark. Denn auch das gehört momentan zur Nische: Hoffnungsvolle Talente sind nach dem ersten Entwicklungsschritt oft schnell wieder weg. Verträge mit längerer Laufzeit sind eine Option, über die man nachdenke. Der 36-Jährige ist gerne Pädagoge. Er ist aber auch so sehr Sportler, dass er sich für seine Spielerinnen öfter goldene Medaillen wünscht als silberne.

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