Volleyball-Frauen:Ohne  Flatter diesmal

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Beste Spielerin des Finales – und der gesamten Saison: Stuttgarts Diagonalangreiferin Krystal Rivers. (Foto: Robin Rudel/imago)

Der MTV Stuttgart überwindet die schon fast chronische Nervenkrise und holt im fünften Anlauf endlich den deutschen Meister-Titel.

Von Sebastian Winter, Stuttgart

Die Stuttgarter Arena gibt zuweilen ein prächtiges Bild dafür ab, wie der Fußball andere Sportarten erdrücken kann, so auch am Samstag. 50 000 erleichterte VfB-Stuttgart-Anhänger feierten den Relegationsplatz um den Klassenerhalt - wenige Stunden später bejubelten unter der Südost-Tribüne 2251 Fans in einer speziellen, 2011 angebauten Mehrzweckhalle Stuttgarts Volleyballerinnen. Sie wurden erstmals deutscher Meister.

Auch hier hatte sich großes Sportdrama abgespielt, im fünften und entscheidenden Match des MTV Stuttgart im Playoff-Finale gegen Schwerin. Nachdem der MTV 2015, 2016 (gegen Dresden), 2017 und 2018 (gegen Schwerin) all seine bisherigen Endspiele in der Meisterschaft verloren hatte - und in der vierten Partie am vergangenen Donnerstag beim 0:3 von Schwerin fast vorgeführt worden war, wuchs der Druck beachtlich. Zudem war auch Außenangreiferin Julia Schaefer nicht mehr dabei, sie hatte sich in Schwerin bei einer Abwehraktion das Wadenbein gebrochen.

Dreimal hatte das Team des griechischen Trainers Giannis Athanasopoulos den Pokal gewonnen, das Nervenflattern in der Liga im letzten Moment jedoch nie ablegen können. Diesmal aber war der Wille stärker als das Flattern, wozu auch Schaefer beitrug, die vom Krankenbett noch schrieb: "Rumgeheule bringt jetzt auch nichts. Wir müssen uns alle zusammenreißen, alles abrufen, was wir haben!"

Stuttgart befolgte die Anweisung, startete furios mit einer 9:1-Führung im ersten Satz gegen verunsicherte Schwerinerinnen und ließ seine lauten Anhänger nie daran zweifeln, dass diesmal keine Selbstzweifel störten - zumindest nicht in den ersten beiden Sätzen. Zwar wuchsen die Zweifel wieder im dritten Satz, wurden stärker im vierten, doch im fünften Durchgang, im ultimativen Moment, kam der Bruch in die immer gleiche Geschichte: Die Stuttgarterinnen gewannen mit 3:2 (25:12, 25:20, 14:25, 24:26, 15:11), sie zerschnitten die bittere Negativserie mit einem Selbstbewusstsein, als hätte es diese nie gegeben. "Immer, wenn sie am Boden lagen, sind die Spielerinnen wieder aufgestanden. Sie haben stets an sich geglaubt. Fantastisch", sagte Coach Athanasopoulos und schloss aus dem Ganzen: "Ich habe ein wundervolles Team."

Allein dieser erste Satz: 9:1 muss man erst einmal führen in einem solchen Endspiel, aber bei Schwerin schwächelten eben auch die prägenden Figuren: Kimberly Drewnioks Angriffe landeten an der Antenne oder im Aus, und selbst der so erfahrenen Zuspielerin Denise Hanke unterliefen einfache Fehler. Stuttgart hingegen schuf Fakten, auch durch die Aufschlagserie von Annie Cesar. Und irgendwann stand das Publikum nur noch. Die so oft Geschlagenen waren angestachelt von jahrelangem Schmerz, man spürte das in jeder Ecke dieser engen Halle, in der jeder Trommelschlag das Trommelfell besonders malträtiert.

Die Volleyballtradition in Stuttgart ist groß, aber auch etwas verblasst, zwischen 1987 und 1991 waren die Frauen des CJD Feuerbach mit der großen Renate Riek dreimal in Serie Meister und viermal nacheinander Pokalsieger, 1983 gewannen sie dann den Europapokal. An diesem Samstag vollendete der MTV sein Meisterstück auch dank der US-Amerikanerin Krystal Rivers, 29, die zur besten Spielerin der Partie und dann auch der ganzen Saison gewählt wurde. Als Kind konnte sie wegen einer Erkrankung nicht laufen, und vor ein paar Jahren bekam sie die Diagnose Krebs. Nun sank Rivers nach ihrem letzten Schlag zu Boden wie die anderen, wie Schaefer, die mit Krücken wieder in der Halle war, während Drewniok und ihre Kolleginnen weinten.

© SZ vom 13.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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