Volleyball-EM:Zu flatterig

Niederlande - Deutschland

Es fehlte an vielen Kleinigkeiten, die vor allem am Netz den Unterschied machen: Denise Imoudu (rechts) gegen Marrit Jasper aus den Niederlanden.

(Foto: -/dpa)

Deutschlands Volleyballerinnen scheitern an den Niederlanden und verpassen erstmals seit 2005 wieder ein EM-Viertelfinale.

Von Katrin Freiburghaus, Plowdiw/München

Eigentlich hatten sich die deutschen Volleyballerinnen am Sonntag auf ihr Viertelfinale bei der Europameisterschaft vorbereiten wollen. Stattdessen saßen sie schwer enttäuscht auf gepackten Koffern. Im Achtelfinale waren die Schmetterlinge, wie sich das Team selbst nennt, mit 1:3 (22:25, 25:23, 19:25, 23:25) an den Niederlanden gescheitert. Dabei waren die Deutschen bei Europameisterschaften seit 2007 immer mindestens bis ins Viertelfinale gekommen. Diesmal hatten sie sogar mit dem Halbfinale geliebäugelt - umso härter war die Landung auf dem Boden der Tatsachen.

Sportdirektor Christian Dünnes räumte ohne Umschweife ein, "dass das Fazit, wenn man sich die Platzierung anguckt, sicherlich enttäuschend ist". Auch er hatte dem Team "viel zugetraut" und traue ihm "weiterhin viel zu, das Potenzial ist da - aber wir müssen es auch abrufen". Die Mannschaft von Bundestrainer Felix Koslowski hatte kein schlechtes Spiel gezeigt, mit den Niederländerinnen trotz lediglich einer verlorenen Vorrundenbegegnung aber bereits früh eine Spitzenmannschaft erwischt. Das müsse man mit einbeziehen, sagte Dünnes. Er betonte allerdings auch, "dass in einigen Bereichen die Qualität gefehlt" habe, um das Feld gegen die Niederlande lachend statt mit Tränen in den Augen zu verlassen.

Diese "Bereiche" hatten sich vom Turnierbeginn weg als treue Begleiter an die Fersen des deutschen Teams geheftet, waren aber bei der Auftaktniederlage gegen Polen und nun beim Aus gegen die Niederlande besonders deutlich zutage getreten. Es gehe nicht um ein konkretes Element, was langfristig die womöglich einfacher zu korrigierende Variante wäre, sondern um "viele Kleinigkeiten", wie Kapitänin Jennifer Janiska sagte, "die auf diesem Niveau zwei, drei Punkte pro Satz sind". Eben diese zwei, drei Punkte hatten am Samstag gefehlt, um aus spielerisch starken Phasen, die im zweiten Satz in eine zwischenzeitliche Fünf-Punkte-Führung gemündet waren, konsequent Kapital zu schlagen. Doch die Niederländerinnen hatten nie locker gelassen, allen voran Anne Buijs, die allein 28 Punkte erzielte und im Angriff eine Erfolgsquote von knapp 60 Prozent verzeichnete.

Der Schreck des verlorenen ersten Satzes will nicht mehr weichen

Das deutsche Team hatte wie schon in den meisten Spielen der Vorrunde eine Weile gebraucht, um überhaupt in die Partie zu finden. Der Unterschied war diesmal, dass dem Gegner starke Mittel zur Verfügung gestanden hatten, um genau das zu unterbinden. "Wir haben relativ große Schwierigkeiten mit ihren Außenangreiferinnen gehabt, die haben uns anfangs nach Belieben dominiert, so dass wir nicht so befreit starten konnten, wie wir wollten", resümierte Koslowski. Dieser erste Schreck wich jedoch selbst im aus deutscher Sicht starken zweiten Durchgang nicht mehr, sondern hing den Schmetterlingen über das komplette Spiel wie Gewichte an den Flügeln. "Wir hatten uns reingekämpft, nach dem zweiten Satz wäre also zum Beispiel ein Punkt gewesen, wo man das Spiel hätte drehen und ein bisschen leichter und unbeschwerter aufspielen können", monierte Dünnes.

Während die Niederländerinnen wie ein Team spielten, das gewinnen wollte, wirkten die Deutschen wie eines, das nicht verlieren will. Für die Dynamik auf dem Feld macht das in engen Spielsituationen vor allem am Netz einen entscheidenden Unterschied. Denn während sich Koslowskis Spielerinnen in der Feldabwehr nach jedem Ball streckten und damit spektakulär lange Ballwechsel erzwangen, fehlte in der Verwertung der Bälle am Netz mitunter der Mut. Und so kamen die Bälle ein ums andere Mal zurück. "Wir waren anfangs ein bisschen verkrampft und haben dann großen Druck von ihnen verspürt", sagte der 37-Jährige.

Die Unsicherheit war allerdings kein mentales Problem, sondern eben jenen ganz real vorhandenen Kleinigkeiten und fehlender Konstanz geschuldet, die das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit untergruben. Auch dafür gebe es "viele Faktoren", sagte Dünnes. Das Karriereende der langjährigen Strippenzieherin im Zuspiel, Denise Hanke, sei insbesondere in Bezug auf ihre Führungsqualitäten einer davon, "ihn aber herauszuheben, wäre zu viel, Denise Imoudu hat im Zuspiel ein gutes Turnier gespielt". Es müssten sich "alle hinterfragen, das geht bei mir los". Dasselbe gelte für die Spielerinnen, aber auch in Organisationsfragen. "Die meiste Zeit des Jahres sind die Spielerinnen in den Klubs, und wir haben wenig Zugriff", sagte Dünnes. Geplant sei, künftig auch in den Wintermonaten enger Kontakt zu halten. Die Einflussnahme habe "natürlich Grenzen, wo unsere Empfehlungen mit Vereinsinteressen kollidieren, aber das kann zum Beispiel so aussehen, dass einmal im Winter eine sportmedizinische Untersuchung stattfindet", sagte der ehemalige Nationalspieler. Der Vorschlag sei bei den Vereinen bisher auf offene Ohren gestoßen. Er soll dabei helfen, dass die Flügel beim nächsten Turnier wieder kräftiger schlagen.

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