Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Die letzte Fähre um halb neun

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Der VfB Friedrichshafen, seit 2014 fast immer Pokal-Sieger im Volleyball, scheitert im Viertelfinale mit 0:3 an Berlin.

Von Sebastian Winter, Friedrichshafen/München

Crash, Boom, Bang, ungefähr so hat es gescheppert am Mittwochabend am Bodensee. Nicolas Le Goff jedenfalls, der 206 Zentimeter lange und 115 Kilogramm schwere französische Mittelblocker, der Europameister und zweimalige Weltligasieger, hämmerte den letzten Angriff mit maximaler Humorlosigkeit in die Hälfte der Friedrichshafener. Deren Trommler legten daraufhin ihre Schlägel beiseite, Berlins Fanklub "7. Mann" jubilierte. Die Volleys aus der Hauptstadt hatten gerade vor 3212 Zuschauern in der nach langer Zeit mal wieder sehr gut gefüllten Halle den VfB Friedrichshafen im Viertelfinale aus dem DVV-Pokal bugsiert - das 3:0 glich fast schon einer Demontage.

"Wir waren heute nicht überzeugt, dass wir gewinnen", sagt der Trainer

Dabei gilt dieser Wettbewerb für den VfB, der dem Serienmeister Berlin den Ligatitel zuletzt vor vier und acht Jahren abluchste, schon länger als Seelenbalsam. Seit 2014 hat Friedrichshafen bis auf einmal immer den Pokal in die Höhe gestemmt. Doch nun hat Friedrichshafen nach dem ebenso klaren 0:3 im Supercup gegen Berlin schon die zweite Titelchance verpasst. Und die Aussagen des neuen Trainers Michael Warm, der im Sommer auf Vital Heynen folgte, klingen auch wenig hoffnungsvoll: "Wir waren heute nicht überzeugt, dass wir gewinnen. Die Emotionen sind nur zwischendurch aufgeflackert, und das reicht gegen eine Mannschaft wie Berlin in diesem Moment nicht."

Berlins Team ist gespickt mit Spielern von internationalem Format. Zuspieler Sergej Grankin, Olympiasieger mit Russland 2012, Diagonalmann Benjamin Patch, Abschlaghöhe 3,80 Meter, der gegen Friedrichshafen besonders starke Mann aus der Südsee, Samuel Tuia, oder eben Le Goff sind nur vier davon. Der Meister verstärkte sich nur punktuell, Friedrichshafen hingegen musste auch auf Schlüsselpositionen neue Spieler kaufen - aus neun Nationen versucht Warm nun, ein Team zu formen. Er selbst hat auch noch eine völlig andere Philosophie als Heynen, der auf Fehlervermeidung setzte. Warm gilt als Verfechter eines risikoreichen Angriffsvolleyballs, gespickt mit harten, waghalsigen Aufschlägen, was gegen Berlin überhaupt nicht funktionierte.

Der Abstand zu Berlin wächst aber auch, weil der VfB mit großen strukturellen Problemen kämpft. Der Etat ist geschrumpft, inzwischen hat Berlin wohl die größeren finanziellen Mittel zur Verfügung, von 2,5 bis um die drei Millionen Euro ist die Rede. Auch das dortige Sportnetzwerk, mit der großzügigen Unterstützung des Senats, hat Friedrichshafen nicht. "Wir sind der Primus am Bodensee, aber spielen in einer 60 000-Einwohner-Stadt. Und der See ist unsere größte Grenze", sagt VfB-Geschäftsführer Guido Heerstraß.

Für Friedrichshafens Verantwortliche ist die direkte Lage am so schönen Gewässer wie eine gläserne Decke, "wir haben dadurch nur ein Einzugsgebiet von 180 Grad", sagt Teammanagerin Gesa Osterwald, die nächste größere Stadt sei Ulm, eine Stunde entfernt. Es fehlt beim VfB nicht an Marketingaktionen, aber manchmal scheitern sie schon am Fährfahrplan. Die Menschen aus der Schweiz in die Halle lotsen? "Die letzte Fähre zwischen Friedrichshafen und Romanshorn fährt um 20.30 Uhr", sagt Osterwald, die Schweizer kämen nach Spielen gar nicht mehr heim. Und mit dem Auto bräuchten sie eineinhalb Stunden einfach. Die heimischen Zuschauer wirken schon länger recht satt, mehr als 3000 Fans sind inzwischen die Ausnahme.

Immerhin hat Friedrichshafen, dessen Libero Markus Steuerwald gerade für die Olympia-Qualifikation im Januar in Berlin nachnominiert wurde, noch die Champions League und die Bundesliga, wo der VfB knapp hinter Berlin Zweiter ist. Er muss sich gewaltig steigern, um dort am 14. Dezember zuhause gegen Berlin zu bestehen.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2019
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