Volleyball:Der verflixte fünfte Satz

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Da flogen ihre Hoffnungen davon: Herrschings Tim Peter (links) und Ferdinand Tille sitzen und schauen. (Foto: Hafner/Nordphoto/Imago)

Mit einer ihrer besten Saisonleistungen verabschieden sich Herrschings Volleyballer von der diesjährigen Bundesliga-Bühne. Trainer Max Hauser zieht eine positive Saisonbilanz - und deutet eine Überraschung an.

Von Sebastian Winter

Manche Spiele sind wie geschaffen, um feuchte Finger zu bekommen, auch am Samstag war das so. Neu-Ulm, die Sportarena an der großen Ausfallstraße: Zwar sind nur knapp 1000 Zuschauer gekommen, um sich das entscheidende dritte Duell im Playoff-Viertelfinale zwischen dem VfB Friedrichshafen und den WWK Volleys Herrsching anzusehen - so richtig ankommen wird der Pokalsieger wohl nicht mehr in seiner neuen Heimat, in die er in dieser Saison wegen seiner eigenen baufälligen Halle für jedes Heimspiel umziehen muss. Aber es herrscht nun trotzdem Siedepunktstimmung.

Fünfter Satz, das Drama, das zuvor viele spektakuläre Ballwechsel geboten hatte, läuft nun unweigerlich auf seinen Höhepunkt zu. Gewinnt tatsächlich der Underdog vom Ammersee und wirft den großen VfB aus dem Titelrennen? Die Antwort geben die Herrschinger dann binnen zwei Minuten: Dorde Ilics Aufschlag landet im Aus. Philipp Schumanns Angriff landet im Aus. Luuc van der Ents Block landet im Aus. Tim Peters Angriff landet im Block. 0:4, kurz danach 1:6, so ein Rückstand ist quasi uneinholbar im Tiebreak eines Profispiels - der fünfte Satz endet ja nach 15 Punkten.

"Wir haben uns in den Tiebreak gekämpft. Dort haben wir den Start verschlafen. Das ist wohl das, was übrig bleibt."

Peter, der wieder sehr überzeugende Außenangreifer, ist es schließlich auch, der den letzten Herrschinger Angriff in dieser Saison auf die Tribüne feuert. 10:15, aus und vorbei. Sein Protest, demzufolge noch ein Friedrichshafener Finger das Spielgerät beim Block berührt haben soll, verhallt im riesigen, ziemlich leeren Rund. "Wir haben das taktisch sehr gut gespielt", sagt sein Trainer Max Hauser äußerlich gefasst kaum zehn Minuten nach dem Spielende, "wir haben sehr gut aufgeschlagen, uns in den Tiebreak gekämpft. Dort haben wir den Start verschlafen. Das ist wohl das, was übrig bleibt." Übrig bleibt für Hauser noch etwas von dieser spannenden Viertelfinalserie, in der Herrsching den VfB im ersten Spiel zum ersten Mal überhaupt auswärts geschlagen hat: "Wir haben sie fast aus dem Wettbewerb gehauen. Das wäre unser größter Erfolg gewesen. Und es tut noch weh."

Nun steht neben dem so knapp verlorenen Playoff-Viertelfinale ein Pokal-Halbfinale in Herrschings Bilanz, in dem sie Lüneburg ebenso hauchdünn mit 2:3 unterlegen waren. Ihr Saisonziel, das Pokalfinale und das Playoff-Halbfinale zu erreichen, haben sie also in beiden Fällen verfehlt. Oder? "Ach nee", sagt Hauser schmunzelnd, "ich habe bei dem Saisonziel gelogen. Ich lüge die Medien generell viel an." Natürlich ist das Koketterie, eines ihrer Ziele hätten die Herrschinger schon gerne erreicht. Sie hatten ja nach einer schwierigen Hauptrunde, in der Tim Peter und Jordi Ramon Ferragut lange Zeit verletzt ausgefallen waren und das Team nie richtig zusammenfand, eine famose Zwischenrunde gespielt.

Die Ansprüche am Ammersee wachsen also weiter, wie auch die Aufmerksamkeit um das Team herum. Zum Playoff-Heimspiel gegen Friedrichshafen kamen vor eineinhalb Wochen 2500 Zuschauer in den Audi Dome, so viele wie noch nie, Heimspiel-Rekordbesuch. Auch das war für den kleinen Klub eine zentrale Wegmarke in dieser Saison. Künftig wollen die Volleys fast alle ihre Spiele in der Münchner Arena am Westpark austragen, "wir wollen ihn noch voller machen, aber auch vielleicht zwei Spiele pro Jahr in Herrsching austragen und dort die Jugendarbeit ausbauen", plant Hauser.

"Es kommt noch etwas Großes", sagt Trainer Hauser. Und meint sich selbst

Der 38-Jährige wird nun wieder einen größeren Umbruch moderieren, im Team, wo lediglich der Ersatzblocker Iven Ferch noch einen Vertrag hat, aber auch drumherum. Sein Libero und verlängerter Arm Ferdinand Tille hat gerade ein Haus im Münchner Umland gekauft, wenn es Job und Familie zulassen, bleibt er weiter an Bord. Auch Jonas Kaminski ist als Chiropraktiker fest in München verankert. Hinter vielen anderen Spielern stehen aber noch Fragezeichen. Tim Peter müsste nun eigentlich den Schritt ins Ausland wagen, wenn er ein Angebot bekommt. Jori Mantha ist auch so ein Wackelkandidat. Zuspieler Luke Herr würden sie gerne halten, allerdings ist die Frage, bis zu welchem Preis sie gehen können und wollen. Vor allem auf der Diagonalposition sehnen sie sich in Herrsching zugleich mal wieder nach einem, der die anderen Klubs das Fürchten lehrt. Und möchten nicht wieder einen Samuel Jeanlys, dem sie großartige Anlagen bescheinigen, der aber zu unerfahren und vor allem im Aufschlag zu schwach für die Bundesliga war.

Auch auf der Organisationsebene wird sich etwas ändern. Dem Vernehmen nach soll das Management-Board umstrukturiert werden, auch um Herausforderungen wie die Spiele im Audi Dome auf mehr Schultern zu verteilen. Und Hauser selbst, ohne den es diesen Erstligisten aus dem nach Giesen zweitkleinsten Ort der Liga wohl nicht gäbe? Er bleibt Trainer in Herrsching, geht am Dienstag mit der Mannschaft zum Saisonabschluss noch Weißwurst essen - und übernimmt offenbar eine reizvolle Zusatzaufgabe beim Deutschen Volleyball-Verband, über deren Inhalt er noch nichts erzählen möchte. Nur so viel: "Es kommt noch etwas Großes."

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