Volleyball:Auf nach Lüneburg

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Entfesselt: Herrschings Trainer Max Hauser (im weißen Hemd) und sein Libero Ferdinand Tille (re.). (Foto: Oryk Haist/Imago)

Herrschings Volleyballer drehen das Pokal-Viertelfinale gegen Giesen nach 0:2-Satzrückstand und erreichen das Halbfinale. Nun ist der zuletzt schwächelnde Klub vom Ammersee nur noch einen Schritt vom größten Erfolg der Vereinsgeschichte entfernt.

Von Sebastian Winter

Samuel Jeanlys lehnte sich zurück, er lachte und vergrub seine Hände im Gesicht. Der 22-jährige Franzose, bester Punktesammler am Mittwochabend, hatte die undankbare Aufgabe, das Humba-Lied anzustimmen. "Gib mir ein H, gib mir ein U, gib mir ein M, gib mir ein B, gib mir ein A" - all das funktionierte prächtig. Doch dann kam "Gib mir ein Ausrufezeichen." Und das war dann doch zu viel der komplizierten deutschen Sprache für einen, der zuvor noch nie in diesem Land gelebt hat, geschweige denn in Herrsching am Ammersee. Libero Ferdinand Tille half sofort. Und beim zweiten Mal schaffte Jeanlys das Ausrufezeichen unfallfrei.

Dann sprangen sie umeinander, wild, befreit, entfesselt fast. Beseelt noch von einem Spiel, das sie nicht so schnell vergessen dürften. Die WWK Volleys waren im DVV-Pokal-Viertelfinale gegen die starken Helios Grizzlys Giesen ja schon mit 0:2 Sätzen zurückgelegen, im dritten Satz ging es anfangs so weiter. Doch dann drehten sie dieses schon verloren geglaubte Spiel - und zogen mit einem 3:2 (18:25, 20:25, 25:22, 25:17, 15:10)-Erfolg ins Halbfinale ein. "Was für ein Pokal-Fight, wir sahen nicht mehr wie die Sieger aus", sagte Herrschings Trainer Max Hauser.

"Ab 16:16 im dritten Satz haben wir auch mal angefangen zu lachen auf dem Feld", sagt Trainer Hauser

Die Gastgeber wirkten in den ersten zwei Sätzen vor 250 Zuschauern, die pandemiebedingt in der Nikolaushalle zugelassen waren, völlig verkrampft, "nicht gerade vollgepumpt mit Selbstvertrauen", wie Hauser konstatierte. Vier Niederlagen aus den jüngsten fünf Ligaspielen hatten ihre Spuren hinterlassen, wie auch die Verletzungen ihrer wichtigen Außenangreifer Jordi Ramon Ferragut, der wohl frühestens im Januar wieder einsatzfähig ist, und Tim Peter, der nun immerhin wieder spielen kann. Giesen machte dagegen Ass um Ass, die Gäste ärgerten die Herrschinger in ihrer eigenen niedrigen Halle also mit jener Waffe, die eigentlich dort die Stärke der Volleys ist. 14 Asse schlugen die Niedersachsen Hausers Mannschaft um die Ohren, selbst der sonst so souveräne Tille baggerte manchen Ball an die Decke - und fing frustriert Debatten mit dem Gegner an.

"Ab 16:16 im dritten Satz haben wir dann auch mal angefangen zu lachen auf dem Feld", sagte Hauser. Ganz langsam schlug das Pendel um, durch kleine Aktionen, die die Giesener langsam zermürbten: Jori Mantha fand zusehends seine Annahme, Jeanlys schlug ein Ass, im Angriff war er ohnehin kaum zu bremsen. Vor allem aber zahlte sich die Einwechslung von Iven Ferch für Dorde Ilic im Mittelblock aus. Ferch hatte eine 100-Prozent-Quote im Angriff, schaffte drei Blocks - und war auch in emotionaler Hinsicht einer der Gründe, warum Herrsching immer stärker wurde. Nach dem gewonnenen dritten Satz (den Satzball verwandelte Ferch) brach Giesen zusammen, Herrsching gewann den vierten Durchgang problemlos, auch im fünften war nach einem Ass von Mantha zum 6:2 schnell klar, wer hier nun ins Halbfinale kommen würde. "So ist Volleyball, am Ende gewinnen wir sogar noch souverän", sagte Hauser.

Herrsching, das in der Liga auf den drittletzten Platz zurückgefallen ist, ist nun nur noch einen Schritt vom größten Erfolg der Vereinsgeschichte entfernt. Im Pokalfinale standen die Volleys noch nie, es ist Hausers erklärtes Ziel in dieser Saison - neben dem Einzug ins Playoff-Halbfinale. Am 22. Dezember spielen die Herrschinger bei der SVG Lüneburg in deren nagelneuer Halle ums Finale. "Wir haben eine 50:50-Chance", sagt Hauser. Auch, um den Fluch endlich zu besiegen.

Denn der Pokalwettbewerb schrieb seine Gesetze in der Vergangenheit nicht unbedingt im Sinne der Herrschinger. Viermal erreichten sie in den vergangenen fünf Jahren immerhin das Halbfinale, viermal verloren sie. 2016 und 2019 mit 0:3 beim deutschen Meister Berlin, was wenig überraschend war. Bitterer war 2017 das 1:3 in Bühl, einem schlagbaren Gegner. Fast schon als Trauma gilt die 2:3-Niederlage 2020 in Königs Wusterhausen, als sie schon 2:0 in Führung lagen und das Spiel im fünften Satz nach vielen vergebenen Matchbällen mit 24:26 verloren.

Zeit für Pokal(alb)träume haben die Herrschinger gerade aber nicht. Am Freitag und Samstag stehen die nächsten Ligaspiele an. Zunächst kommt Haching München zum Derby, am Samstag dann ein Gegner, der auf Revanche sinnt: die Grizzlys aus Giesen.

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