Süddeutsche Zeitung

Volleyball:800 gegen 118

Berlins Volleyballer ringen Düren im zweiten Playoff-Halbfinalspiel mit 3:1 nieder - vor 800 Zuschauern. Das vom Senat der Hauptstadt unterstützte Pilotprojekt funktionierte. Es wird wohl trotzdem nicht weitergeführt in dieser Saison. Grund sind die rasant steigenden Inzidenzwerte.

Von Sebastian Winter, München

Welchen Einfluss die heimischen Zuschauer auf den Erfolg ihrer Mannschaft haben, kann man schlecht messen. Aber dass es mit Fans einfach lauter ist in der Halle, dass die Atmosphäre nicht mehr ganz so steril wirkt wie in einer leeren Arena, liegt auf der Hand. Am Mittwochabend klangen selbst die mitunter nervtötenden Klatschpappen beim Playoff-Halbfinalspiel von Berlins Volleyballern gegen Düren wie Musik in den Ohren, die Profis hatten sie ja fünf Monate lang nicht mehr gehört. Bei der Teampräsentation gab es tosenden Applaus. Und siehe da, Berlin gewann das hochklassige Heimspiel in seiner Max-Schmeling-Halle gegen die in dieser Saison so starken Powervolleys mit 3:1 (25:22, 25:20, 24:26, 29:27) und erzwang damit nach der Niederlage zum Auftakt der Best-of-three-Serie das Entscheidungsspiel am Samstag in Düren.

800 auf der Tribüne zwischen Pappfiguren verteilte Zuschauer durften die Partie in der Hauptstadt besuchen, als Teil eines deutschlandweit einmaligen und vom Berliner Senat unterstützten Modellprojekts: Erstmals seit dem vergangenen Herbst waren wieder Fans bei einer Hallensportveranstaltung zugelassen. "Es war verrückt, wieder vor Publikum spielen zu dürfen. Das hat uns unglaublich viel Energie geliefert und sehr geholfen", sagte Berlins Hauptangreifer Benjamin Patch.

"Es war wichtig, ein Signal zu senden, dass so ein Sportevent, wenn die Inzidenzzahlen es einigermaßen zulassen, auch durchführbar ist."

Unerlässliche Voraussetzung waren tagesaktuelle negative Tests für alle Zuschauer und Teilnehmer, direkt nebenan in einer Trainingshalle hatten die Volleys dafür ein Testzentrum mit 15 Stationen aufgebaut. Auf dem eigenen Handy konnten die Fans sehen, ob ihr Ergebnis negativ ist, in die Spielhalle kamen sie nur mit Armband und aufgedrucktem QR-Code, der auch den Ordnern beim Einlass das Testergebnis anzeigte. Die Tickets - 600 gingen in den freien Vorverkauf - waren bereits am Sonntag weitgehend vergriffen.

Volleys-Geschäftsführer Kaweh Niroomand, der das Projekt vorangetrieben hatte, zog am Tag danach zufrieden Bilanz: "Die Logistik war sehr gut, es gab keine langen Wartezeiten, alles war sehr entspannt. Und ich habe viele glückliche Gesichter gesehen, von Menschen, die eine große Sehnsucht nach Sport, nach Unterhaltung und Begegnung haben", sagte der 68-Jährige der SZ: "Es war wichtig, ein Signal zu senden, dass so ein Sportevent, wenn die Inzidenzzahlen es einigermaßen zulassen, auch durchführbar ist." Womöglich werde es ja auch zu Beginn der neuen Saison im Oktober noch Einschränkungen geben durch das Virus.

Allerdings hatten die Berliner auch Kritik geerntet für ihre Aktion: Warum gerade in der aktuellen Zeit, bei steigenden Inzidenzwerten, mitten in der dritten Welle, die noch dazu durch die ansteckenderen Mutationen des Coronavirus' begünstigt wird? Das fragten sich nicht wenige Menschen, auch in den sozialen Netzwerken. Niroomand verweist darauf, dass die Inzidenz sich in Berlin bei Planungsbeginn des Projekts vor ein paar Wochen noch um die 70 herum bewegt habe, am Spieltag war der Wert bereits auf 118 gestiegen. "Bei Werten um die 200 oder 250 hätte ich die Halle nicht für Zuschauer geöffnet. Wir haben ja auch den gesamtgesellschaftlichen Blick und hätten das dann selbst abgebrochen."

Wegen der rasant steigenden Zahlen hatte der Berliner Senat bereits am Dienstag entschieden, beim Fußballderby zwischen Union Berlin und der Hertha am Ostersonntag keine Zuschauer zuzulassen - obwohl auch dieses Spiel Teil des Pilotprojekts war. Die Eisbären Berlin waren ebenfalls involviert, aber auch sie werden in nächster Zeit wohl eher keine Eishockey-Fans empfangen dürfen. Auch Volleys-Geschäftsführer Niroomand ist skeptisch wegen der in die Höhe schießenden Inzidenzzahlen: "Ich gehe nicht davon aus, dass wir in dieser Saison noch einmal ein Spiel vor Zuschauern machen werden. Und ich mache drei Kreuze, wenn sie vorbei ist. Wir wollen Meister werden, aber wenn nicht, gehen wir auch nicht zugrunde."

Ihre Vorreiterrolle haben die BR Volleys, die Niroomand ja gerne als Lokomotive der Liga bezeichnet, mit ihrem - Stand jetzt - geglückten Zuschauer-Projekt jedenfalls erneut untermauert. Auch wenn sie am Samstag in Düren fürchten müssen, nach vier deutschen Meisterschaften in Serie zumindest in sportlicher Hinsicht entthront zu werden. Stehend, aber auf Abstand bedacht, hatten ihnen die Fans am Mittwoch nach dem verwandelten Matchball bei der Ehrenrunde zugejubelt. Ein wenig wie früher, auch wenn die Halle nur zu einem Zehntel gefüllt war.

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