Vitali Klitschko vs. Dereck Chisora:Hungrig, schlagstark - aber wohl ohne Chance

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Das nächste Großmaul: Am Samstag fordert der Brite Dereck Chisora den WBC-Weltmeister Vitali Klitschko heraus - und prognostiziert wie so viele vor ihm einen Niederschlag und das Karriereende Klitschkos. Dabei kann derzeit nur einer die Karriere von Vitali Klitschko beenden.

Jürgen Schmieder

Dereck Chisora ist, man kann es nicht anders sagen, dieser Dereck Chisora ist ein perfekter Boxer. Der Brite ist 1,83 Meter groß und 118 Kilogramm wuchtig, bei seinen Kämpfen bewegt er sich flink durch den Ring, er marschiert mutig nach vorne und schlägt überaus kraftvoll. Chisoras stärkste Momente werden am kommenden Samstag auf den Videoleinwänden in der Münchner Olympiahalle und auf den Fernsehschirmen gezeigt werden. "Er ist der derzeit stärkste Herausforderer im Schwergewicht", sagt Vitali Klitschko über seinen Gegner.

So gesehen, also mit den Augen der Klitschko-Vermarktungsmaschinerie, ist Chisora tatsächlich ein perfekter Boxer - oder vielmehr ein perfekter Sidekick für die Show am Samstag. Der 28-Jährige kann prima boxen, er verfügt seit einem Ohrenbiss und einer Prügelei mit seiner Freundin über das Image des bösen Buben - und er kann auch prima auf den Putz hauen: "Ich rieche Angst, ich werde Klitschko in der achten Runde auf die Bretter schicken!" Deshalb werde bei seinem Einmarsch der Klassiker Mama Said Knock You Out vom früheren Krawall-Rapper LL Cool J aus den Boxen dröhnen.

Man darf Dereck Chisora nicht unterschätzen. Er ist - anders als etwa Tomasz Adamek und David Haye, die letzten Gegner der Klitschkos - ein natürliches Schwergewicht, das betont er bei jeder Gelegenheit: "Lennox Lewis hat gesagt, dass ich über den Punch verfüge, um Klitschko gefährlich zu werden." Man muss Chisora aber nicht gefährlicher reden, als er ist. Der Brite hat 15 von 17 Profikämpfen gewonnen, davon zehn durch Niederschlag. Von seinen letzten drei Kämpfen allerdings hat er zwei verloren, im Juli vergangenen Jahres zu Recht nach Punkten gegen Tyson Fury, fünf Monate später zu Unrecht gegen Robert Helenius.

Das Ring Magazine zählt ihn in der unabhängigen Rangliste nicht zu den besten zehn Schwergewichten. Er ist ein technisch arg limitierter Boxer, der dem Gegner zwar mutig entgegenstürmt, ihn jedoch nur selten mit seinen Schwingern trifft. Chisora, im Nebenberuf Gebrauchtwagenhändler, sieht nicht wie ein Preisboxer aus, sondern eher wie einer, der sich auf der Kirmes verdingt. Klitschko kann aufgrund der deutlich größeren Reichweite aus der Distanz boxen, mit seinen herausragenden Reflexen kann er die Angriffe Chisoras parieren. Nach diesen Angriffen bietet der Brite ein leicht zu treffendes Ziel, weil er häufig die Balance verliert und die Deckung vernachlässigt.

Klitschko wird nicht mehr allzu lange boxen, das hat er kürzlich verkündet. Ein Duell mit dem stets vorlauten David Haye - am Samstag übrigens als Kommentator am Ring - würde ihn reizen, doch sieht es derzeit aus, als wolle der 31-jährige Brite lieber im Ruhestand bleiben, als gegen Klitschko anzutreten. "Haye hat unser Angebot abgelehnt", sagt Klitschkos Manager Bernd Bönte, "ich glaube nicht, dass er der nächste Gegner ist." Diesen Satz allerdings hat Bönte auch im vergangenen Jahr gesagt, um ein paar Tage später das Duell zwischen Haye und Wladimir Klitschko zu verkünden. Vitali jedenfalls würde gerne gegen Haye antreten, dann womöglich zum letzten Mal in seiner Karriere.

Die letzten Klitschko-Gegner
:Wer kann mit den Klitschkos mithalten?

Seit 2004 hat keiner der Klitschko-Brüder mehr verloren. Jetzt versucht Francesco Pianeta sein Glück gegen Wladimir, ihm werden aber kaum Chancen gegeben. Die Ukrainer werden häufig kritisiert, nur gegen mittelmäßige Gegner zu boxen. Doch ist das wahr? Eine Liste der letzten Klitschko-Gegner, mit Vote.

Viele Sportler stellen am Ende ihrer Karriere fest, dass da noch eine Menge Leben übrig ist, die man irgendwie füllen muss. Vitali Klitschko löst dieses Problem elegant, indem er zum einen seine Karriere verlängert - warum auch nicht, solange ihn keiner besiegt? Zum anderen hat er seine zweite Laufbahn bereits gestartet: Er ist Politiker und kandidiert seit einiger Zeit für Ämter in seiner Heimat Ukraine.

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Der Makel an Klitschkos Karriere ist die Karriere selbst. Wer unvergesslich sein möchte, braucht unvergessliche Duelle - und für diese Duelle benötigt man einen ebenbürtigen Rivalen: Muhammad Ali hatte Joe Frazier, Boris Becker hatte Stefan Edberg, Ayrton Senna hatte Alain Prost. Klitschko hatte Lennox Lewis - doch der beendete nach dem äußerst glücklichen Abbruch-Sieg im Jahr 2003 einfach seine Karriere, anstatt einem Rückkampf oder gar einer Trilogie zuzustimmen.

Die Klitschkos sind gegen jeden angetreten, der in den Ranglisten zu finden war, sie sind auch gegen Boxer angetreten, die in keiner Rangliste zu finden waren. Es ist nicht ihr Fehler, dass kaum einer dabei war, der sie an die Grenze getrieben hat, der sie zu einem unvergesslichen Duell herausgefordert hätte. Es waren Leute wie nun Chisora: gute, hungrige, talentierte Boxer, aber eben keine Rivalen, die einen der besten Schwergewichtler aller Zeiten an die Grenze treiben können. Sie könnten sich gegenseitig herausfordern, das wäre ein unvergessliches Duell. Doch das haben die Klitschkos schon vor Jahren ausgeschlossen: Sie haben ihrer Mama einst versprochen, nie gegeneinander anzutreten.

Großkotz Chisora freilich findet die Klitschkos unattraktiv: "Für Mike Tyson bin ich nachts aufgestanden, für Manny Pacquiao stehe ich jetzt noch nachts auf, für Klitschko stehe ich nicht auf, weil es langweilig ist." Diese Langeweile wolle er beenden, tönt Chisora, er wolle auch die Karriere von Klitschko beenden.

Das sind markige Worte, die man zuletzt häufig von den Gegnern der Klitschkos gehört hat. Doch meist waren die Muskeln im Unterkiefer kräftiger als die in den Fäusten. So dürfte es wohl auch bei Chisora sein. Derzeit sieht es so aus, als könne nur einer die Karriere von Vitali Klitschko beenden. Und das ist Vitali Klitschko.

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