Vitali Klitschko:"Ich will Boxgeschichte schreiben"

Vitali Klitschko trifft seinen Gegner Jameel McCline zum verbalen Schlagabtausch. Nach zwei Jahren Pause will er nichts weniger als in die Annalen des Boxsports eingehen.

Roland Schulz

Die Bühne war bereitet, das Stück schon geschrieben und die Rollen verteilt, als die Helden auftraten. Es kam nur noch auf das Mienenspiel an. Jameel McCline, das Stück verlangte es, trat als erster auf, in einen hellgrauen Anzug gezwängt, den der Mann mit der schieren Masse seines Körpers fast zu sprengen schien. Der Boxer bewegte sich steif und starr, so als trüge er eine Rüstung. Er lächelte. Es sah echt aus.

Er lächelte weiter, wartend. Da kam, das Stück verlangte es, der zweite Held, einen Hauch von Zeit zu spät, auch er trug einen Anzug, wie hineingegossen bewegte er sich darin, geschmeidig und kraftvoll. Vitali Klitschko ließ seinen Blick schweifen, sah in die Kameras, seine Miene war ernst. Dann sagte er: "Jameel lacht.'' Kleine Pause. "Ich sage dir, Jameel: Im Kampf wird keine Begnadigung."

Erst jetzt, nach dieser in seinem schweren Akzent vorgetragenen Kampfansage, gestattete Vitali Klitschko seinem Gesicht eine rasche Gefühlsregung: Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er hatte seine Rolle gut gespielt. Ganz wie das Stück es verlangt hatte. Der Boxer Vitali Klitschko hatte in den Katakomben der Münchener Olympiahalle den Champ zu geben - den siegessicheren Kämpfer, so selbstbewusst und routiniert, als sei er nie weg gewesen, nicht einen Moment.

In Wahrheit hat Vitali Klitschko im November 2005 mit dem Boxen aufgehört: Als amtierender Weltmeister im Schwergewicht war er abgetreten, nach einem Meniskus- und Kreuzbandriss am rechten Knie, der letzten einer langen Reihe von Verletzungen. Jetzt aber will es Vitali Klitschko noch einmal wissen: Am 22. September will er in München gegen Jameel McCline boxen. In einem auf zwölf Runden angesetzten Kampf, dessen Gewinner danach den Schwergewichtsweltmeister nach Version des Verbandes WBC herausfordern soll - der Titel, den Vitali Klitschkoo einst hielt. Warum tut er das? Deswegen?

"Nach zwei Jahren komme ich zurück'', sagte Klitschko auf der Presasekonferenz, in der der Kampf angekündigt wurde, und schob sofort hinter her: "Wie gut bin ich?'' Er schwieg kurz, blickte in die Runde. "Das werde ich sehr vielen Leuten zeigen.'' Wiederum schwieg er, einen Wirkungs-Augenblick lang oder zwei, sprach dann: "Eine Pause ist kein großer Vorteil im Boxen.'' Kleine Pause. "Ich war schon einmal Weltmeister'', sagte er. "Ich war auf der Spitze'', sagte er. Er genoss diese Situation, das gefiel ihm, Vitali Klitschko pirschte sich an die glorreiche Stelle, die dieses Stück für ihn vorsah, heran wie ein Jäger an seine Beute.

Die Alphabet Soup

"Die größte Motivation'', sagte er: "Ich will mit meinem Bruder zusammen Weltmeister sein - und damit Boxgeschichte schreiben.'' Vitali Klitschko lächelte. Es war heraus. Endlich. Hätte Klitschko in diesem Moment nicht hinter einem mit Mikrofonen bestückten Tisch gesessen, sondern auf einer Bühne gestanden, es hätte Applaus geben müssen für sein gutes Spiel in diesem Stück, dessen Verlauf und dessen Rollen schon längst festgeschrieben waren.

Der Schwergewichtsboxer Vitali Klitschko und sein jüngerer Bruder Wladimir haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie ein großer Traum verbindet - zusammen, als Brüder, zu gleichen Zeit Weltmeister im Schwergewicht zu sein. Das ist im Profi-Boxen möglich, da es hier Dutzende Verbände gibt, die Weltmeistertitel vergeben. Allein vier Verbände gelten als anerkannt: WBA, WBC, WBO, IBF - die "Alphabet Soup'', wie sie im Spaß genannt werden.

Wladimir Klitschko, der jüngere Bruder, ist seit dem Jahr 2006 Weltmeister der IBF. Neben ihm sind weitere Boxer aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion Weltmeister: Oleg Maskaev (WBC), Ruslan Chagaev (WBA) und Sultan Ibragimov (WBO) - und Chagaev und Ibragimov werden im September gegeneinander antreten, in einem Titelverinigungskampf. Diese Konstellation hat Vitali Klitschko gereizt: Es ist im Zirkus des Profiboxens selten genug, dass es zu Vereinigungskämpfen kommt, da vier unterschiedliche Weltmeister mehr Geschäft bringen als ein einziger Weltmeister mit vier Titeln.

Noch nie aber ist es zwei Brüdern gelungen, zur gleichen Zeit alle vier Titel untereinander zu vereinen. Das ist das Ziel der Klitschkos: Geschichte zu schreiben. Deswegen kehrt Vitali Klitschko nun zurück, in einem Comeback vom Comeback. "Wladimir hat alles dafür getan, dass unser Traum wahr wird'', sagte er. "Jetzt bin ich dran. Und in München ist der erste Schritt.''

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