Süddeutsche Zeitung

Vincent Kompany:Das gute Gewissen geht

Lesezeit: 3 min

Manchester City verabschiedet sein Fan-Idol. Doch bei seinem Abschiedsspiel muss der aktuell verletzte Belgier passen, der diese Begebenheit auf ironische Weise deutet. Somit bleibt ein besonderes Spiel und ein besonderes Tor noch besser in Erinnerung.

Von Sven Haist

Auf dieses eine Spiel kam es dann auch nicht mehr an. Ein paar Stunden vor seiner eigenen Abschieds-Partie teilte Vincent Kompany mit, dass er wegen einer Muskelblessur am Oberschenkel den Einsatz für seine Lieblingsauswahl von Manchester City gegen ein Promi-Aufgebot aus ehemaligen Profis der Premier League absagen müsse. In elf Jahren hatte Kompany für ManCity bis zum Sommer 360 Pflichtspiele absolviert - beziehungsweise 152 Spiele verpasst, wie manche angesichts seiner nie enden wollenden Verletzungsmisere mit einem Augenzwinkern anmerken würden.

Bevor also jemand auf die Idee kommen konnte, zu behaupten, dass dieser finale Ausfall nun wirklich bezeichnend sei für die Karriere von Kompany, sagte der Verteidiger von sich aus: "Die Ironie dürfte niemandem entgangen sein. Ist doch typisch für mich, nicht wahr? Ich bin gewöhnlich nur am Ende einer Saison fit ...". Sich selbst und sein Los auf diese Art und Weise auf den Arm zu nehmen, lieferte den eindrücklichen Beweis, dass ihm in Manchester keiner mehr etwas vormachen kann.

Traumtor gegen Leicester: In seinem letzten Heimspiel gelang Kompany sein Meisterwerk

Eine Muskelverletzung also, zugezogen vor ein paar Wochen in seinem neuen Amt als Spielertrainer des belgischen Rekordmeisters RSC Anderlecht, wo seine Laufbahn auch begonnen hatte, setzte am Mittwochabend seiner Zeit als Fußballer in England offiziell ein Ende. Darin versteckte sich auch der ironische Aspekt, dass diese Blessur es sogar irgendwie gut mit ihm gemeint hat. Denn durch sein Fehlen in der Benefizpartie bleibt nun das letzte Heimspiel der vergangenen Saison als Kompanys Schluss-Auftritt im eigenen Stadion für immer in bester Erinnerung. In der Schlussphase gegen Leicester City gelang dem 33 Jahre alten Verteidiger damals im Mai sein persönliches Meisterwerk. Als das vorentscheidende Spiel im Titel-Fernduell mit Liverpool Mitte der zweiten Halbzeit noch 0:0 stand, knallte Kompany den Ball aus der Distanz furios zum 1:0-Siegtreffer in den Winkel des Leicester-Tores - eine Woche später sicherte sich City die Meisterschaft.

Als er Anlauf nahm für diesen Gewaltschuss, der seinen ausgeprägten Willen bestens repräsentierte, riefen ihm die Mitspieler und Trainer Pep Guardiola zu, den Ball doch bitte lieber weiterzupassen. Was Kompany davon hielt? "Ich habe so viel miterlebt, dass mir niemand mehr erzählen muss, wann ich zu schießen habe." Er schoss und traf - und nach dem Spiel im Mai führte der langjährige City-Kapitän seine Mannschaft auf eine Ehrenrunde. Dabei ließen ihn seine Teamkollegen allein vorauslaufen, um ihm dahinter respektvoll zu applaudieren. Der emotionale Dank der Zuschauer rührte den standhaften Kompany damals zu Tränen. Wer die Atmosphäre im Stadion miterlebte, dem war klar, dass er seinen auslaufenden Vertrag in Manchester nicht mehr verlängern würde. Offiziell gab er seinen Abschied auf der Trophäenparade des Klubs im Mai bekannt. Bei seiner Rede trug er ein Shirt mit der beschriebenen Spielszene, auf dem zu lesen war, was genau ihm Torjäger Sergio Agüero vor dem Schuss ins Glück zugerufen hatte: "Don't shoot! No, Vinny, no!"

Kompany kam aus Hamburg zu City, noch bevor sich dort die Scheichs einkauften

Mit dem bodenständigen Kompany geht auch das gute Gewissen des Vereins, mit dem man sich trotz der ewigen Geldsünden der Citizens stets identifizieren konnte. Noch bevor Scheich Mansour aus Abu Dhabi sich den Klub ein paar Wochen später im September 2008 ins Portfolio holte, wechselte Kompany vom Hamburger SV für etwa zehn Millionen Euro nach Manchester. Seitdem gab der Verein rund 1,5 Milliarden Euro für neue Spieler aus. Als dienstältester Profi gewann Kompany mit dem Klub zwölf nationale Pokale, darunter vier Ligatitel - aber eine internationale Trophäe blieb ihm verwehrt, sowohl mit City als auch mit der belgischen Nationalelf.

Für seine Verdienste hat City nun eine Straße am Trainingsgelände in "Vincent Kompany Crescent" umbenannt, über dem Schild hängt ein Mosaik mit seinem Torjubel beim Derbysieg 2012 über Manchester United. Kompany sagt: "Nichts, was ich erlebte habe, würde ich für irgendetwas eintauschen." Nicht mal seine Verletzungen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4598089
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.09.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.