Vince Carter in der NBA:Die unendliche Dunking-Story

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Vince Carter von den Atlanta Hawks kann immer noch springen - nur nicht mehr ganz so hoch. (Foto: dpa)
  • Basketballer Vince Carter ist der Dauerbrenner der NBA - keiner spielte so viele Jahre in der US-Profiliga.
  • Jetzt geht der ehemalige Dunking-König in seine 22. Saison.
  • Und er ist immer noch ein brauchbarer Punktelieferant.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Das muss man gesehen haben! Natürlich wird dieser Satz, gerade im Sport, derart inflationär verwendet, dass er an Dringlichkeit verloren hat. Diesen Slam-Dunk-Contest der nordamerikanischen Basketballliga NBA im Jahr 2000 allerdings, in dem ausgewählte Athleten den Ball möglichst spektakulär durch den Ring wuchten, muss man wirklich gesehen haben - und wer das noch nicht getan hat, der möge nun kurz aufhören zu lesen und auf gut sortierten Internetseiten danach suchen.

Da tritt ein junger Mann an, er verzichtet auf Verkleidungen und anderen Schnickschnack und präsentiert ein Oeuvre aus fünf Dunkings, die niemand vergessen wird, der sie gesehen hat: den Reverse360, den 360-Windmill und den zweihändigen Freiwurf-Absprung; außerdem jenen, bei dem Vince Carter so hoch springt, dass er danach den Unterarm am 3,05 Meter hohen Ring befestigt. Und jenen, bei dem er den Ball in der Luft von einem Mitspieler bekommt, durch die Füße schiebt und dann in den Korb prügelt.

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Dieser junge Mann kam im Jahr 1998 als Profi in die NBA - im selben Sommer übrigens wie Tyronn Lue, der bereits seit zehn Jahren als Trainer arbeitet und dabei 2016 Meister mit Cleveland wurde. Oder Mike Bibby, der mittlerweile in der Altherren-Liga Big3 des Rappers Ice Cube zockt. Oder Paul Pierce, der den Guru beim Sportsender ESPN gibt. Oder Dirk Nowitzki, der nach 21 Spielzeiten in Dallas seine Karriere vor ein paar Monaten beendet hat und nun eigenen Angaben zufolge erst einmal möglichst viel isst und deshalb mit einem kleinen Bäuchlein zu kämpfen hat.

Carter hingegen will noch ein bisschen spielen, er hat gerade seinen Vertrag bei den Atlanta Hawks um eine weitere Saison verlängert: Es ist keine Abschiedstour eines 42 Jahren alten Recken, er meint es ernst. Abgesehen davon könnte er mit einem Auftritt im kommenden Kalenderjahr der erste Akteur der NBA-Geschichte werden, der mindestens eine Partie in vier verschiedenen Jahrzehnten absolviert. Er kann seine Mitspieler und damit sein Team tatsächlich noch besser werden lassen, und um zu wissen, warum er das kann, sollte man seine Karriere gesehen haben.

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Zu Beginn dieser Laufbahn war Carter eine Attraktion, aufgrund seiner physikalischen Gesetzen trotzenden Sprungkraft wurde er "Vinsanity" und "Half-Man, Half-Amazing" genannt, wegen seines Vereins Toronto Raptors auch "Air Canada". Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney sprang er während des Spiels gegen Frankreich über den 2,18 Meter großen Gegner Frédéric Weis hinweg, in französischen Medien nannten sie das "le dunk de la mort", den Dunking des Todes, von dem sich Weis übrigens nie erholt hat. Er schaffte es, obwohl von den New York Knicks verpflichtet, nie in die NBA; heute besitzt er einen Tabakladen in der Nähe von Limoges. Über diesen Moment mit Vince Carter sagt er: "Das ist Basketball-Geschichte, blöderweise bin ich halt auch in diesem Video zu sehen. Ich weiß jetzt aber, dass Menschen fliegen können."

In diesen ersten Jahren untermauerte Carter die alte Weisheit, der zufolge die talentiertesten Sportler häufig auch die faulsten und verwöhntesten sind. Er beschwerte sich über Mitspieler und Management in Toronto und drohte damit, auf Dunks zu verzichten und sich überhaupt weniger anstrengen zu wollen. Heute sagt er darüber: "Ich habe Dinge geschafft, ohne wirklich dafür arbeiten zu müssen - das hat mich zu einem verzogenen Bengel werden lassen."

Carter wechselte, erst zu den New Jersey Nets, dann zu Orlando Magic und den Phoenix Suns, gut vier Jahre lang spielte er auch mit Nowitzki bei den Mavericks. Über die Memphis Grizzlies und die Sacramento Kings kam er schließlich in der vergangenen Sommerpause zu den Atlanta Hawks. Er ist acht Mal ins All-Star-Team berufen worden, zuletzt indes vor zwölf Jahren. Er hat bislang keinen Titel gewonnen, das dürfte sich bei den Hawks in diesem Jahr auch nicht ändern. Vielleicht ist das gar nicht so wichtig, denn Carter hat in den vergangenen Jahren nicht nur seine Spielweise verändert von Zirkus-Attraktion über Drei-Punkte-Schütze zum Rollenspieler, aus dem verwöhnten Bengel ist ein väterlicher Freund für Mitspieler geworden.

Hawks-Trainer Lloyd Pierce, der als Spieler übrigens im selben Jahr an der Nachwuchsbörse teilnahm wie Carter (jedoch nicht gewählt wurde), sagt über seinen nur acht Monate jüngeren Akteur: "Er arbeitet härter als jeder andere, und er ist zum Mentor für die jungen Spieler geworden. Er hilft ihnen abseits des Spielfeldes, und auf dem Parkett wissen sie ebenfalls, dass sie sich auf ihn verlassen können." In der vergangenen Spielzeit spielte Carter durchschnittlich 17,5 Minuten pro Partie und erzielte 7,4 Punkte - brauchbare Statistiken, nicht nur für einen 42-Jährigen.

Er kann den Ball schon noch von oben in den Ring stopfen, aber er muss keine Attraktion mehr sein. Er dürfte seine letzte Saison nicht zu einer Ego-Show werden lassen, wie das andere vor ihm getan haben. Er wird spielen und seinen Mitspielern helfen, vielleicht in die Playoffs, und er hebt sich damit ab von vielen jungen NBA-Akteuren, die mehr Marke als Sportler sind. In den USA sagen sie über Leute wie Carter: "They don't make them anymore." Solche Typen gibt es heutzutage nicht mehr.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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