Süddeutsche Zeitung

Viertelfinale im DFB-Pokal:Bielefeld schreibt das Märchen von der Alm

  • Drittligist Arminia Bielefeld zieht gegen Borussia Mönchengladbach ins Halbfinale des DFB-Pokals ein.
  • Die Gladbacher fallen ihrer eigenen Routine zum Opfer.
  • Ergebnisse im DFB-Pokal finden Sie hier.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld

Um 21.41 Uhr am Mittwochabend war das ostwestfälische Pokalmärchen um ein drittes Kapitel reicher. Drittliga-Tabellenführer Arminia Bielefeld hat binnen fünf Monaten den dritten Bundesligisten aus dem DFB-Pokal eliminiert und sich dabei vom aktuell Elftplatzierten der Bundesliga-Tabelle (Hertha BSC Berlin in der zweiten Runde) über den Neuntplatzierten (Werder Bremen im Achtelfinale) zum Drittplatzierten Borussia Mönchengladbach vorgearbeitet.

Die Bielefelder besiegten Gladbach im Viertelfinale im Elfmeterschießen mit 5:4, nachdem es nach 120 Minuten 1:1 (1:1, 1:1) geheißen hatte. Am Ende parierte Bielefelds Torwart Alexander Schwolow einen Elfmeter vom Gladbacher Ibrahima Traoré und wurde unter der ganzen Arminia-Mannschaft begraben. Bielefeld steht damit erstmals seit 2006 und als einziges unterklassiges Team im Halbfinale Ende April.

Bielefelds Trainer Norbert Meier hatte vor dem Spiel pathetisch an den "ostwestfälischen Stolz" appelliert und die Bundesliga-Fußballer vom Niederrhein zugleich davor gewarnt. Seinen Gladbacher Amtskollegen Lucien Favre schien dies in Verbindung mit der Bielefelder Drittliga-Tabellenführung bereits beeindruckt zu haben.

Der Schweizer hatte den Arminen zum Anpfiff nahezu baugleich eine Formation entgegengestellt, die auch schon den 2:0-Sieg in München und den 4:1-Erfolg in Hoffenheim eingeleitet hatte. Der Innenverteidiger Martin Stranzl fehlte wegen einer Entzündung im Knie, und der Linksaußen Fabian Johnson sowie der zentrale Spielmacher Raffael mussten zunächst auf die Bank. Als Stürmer durfte wie schon in München André Hahn auflaufen, blieb aber blass. Links trieb der Belgier Thorgan Hazard das Spiel voran.

Der Favorit vom Niederrhein tritt auf der Alm allzu phlegmatisch und genügsam auf

Kurz vor dem Anpfiff hatte sich Arminias Geschäftsführer Marcus Uhlig noch sehnlich gewünscht, "dass das Spiel lange offen bleibt", dass es nicht schon früh eine Führung für Gladbach geben würde. Die Pokal-Coups sowie elf Siege aus den jüngsten 14 Drittliga-Spielen hatten Bielefeld das nötige Selbstbewusstsein beschert, und so wurde Uhligs Wunsch erfüllt. Sogar übererfüllt. Nachdem die Gladbacher den Ball zunächst fast phlegmatisch hatten zirkulieren lassen, übernahmen die Bielefelder die Initiative und kamen zu mehreren guten Szenen. Von diesen nutzte der Mittelfeldspieler Manuel Junglas die seine in der 26. Minute mit einem Schlenzer aus 20 Metern an den linken Innenpfosten und von dort ins Tor zur Bielefelder 1:0-Führung.

Die Begeisterung im ausverkauften Stadion währte allerdings nur sechs Minuten. Dann verwandelte Max Kruse in der 32. Minute zum 1:1-Ausgleich einen Elfmeter, den Bielefelds Rechtsaußen Christoph Hemlein verantwortete, weil er zuvor eine Kruse-Flanke händlings abgelenkt hatte. Dennoch wurde deutlich, dass Bielefelds Trainer Meier sich mit Pokalspielen gegen Gladbach auskennt. Im Oktober 2012 hatte sein damaliges Team Fortuna Düsseldorf die Gladbacher in der zweiten Runde mit einem 1:0 nach Verlängerung rausgeworfen.

Der ostwestfälische Stolz und eine sehr disziplinierte Leistung machten die Bielefelder auch in der zweiten Halbzeit nahezu gleichwertig. Durch einen Schuss des eingewechselten Daniel Brinkmann kamen sie nach zehn Minuten wieder zur ersten Chance. Die Gladbacher blieben einfallslos und vertrauten bei ihrem allzu gemächlichen Spiel offenbar auf spätes Glück für das höherklassige Team. Der Trainer Favre demonstrierte am Spielfeldrand stetig Gesten der Geduldigkeit, statt die Mannschaft zu mehr Risiko einzuladen. Und während die leidenschaftlichen Gastgeber weiter zu guten (Konter-)Chancen kamen, pflegten die Gladbacher ihr zwangloses Dominanzspiel bis in die Verlängerung.

Nicht einmal in der Extrazeit vermochten sie sukzessive den Druck zu erhöhen, um einem Elfmeterschießen aus dem Weg zu gehen. Während sich die matten Bielefelder zunehmend mit Wadenproblemen plagten, spielten die nach und nach mit Ibrahima Traoré, Raffael und Fabian Johnson aufgefrischten Gladbacher allzu routiniert weiter und schienen sich keiner Gefahr bewusst. Am Ende der Verlängerung bot sich Bielefelds Klos eine große Kopfball-Chance - doch er vergab.

Dann ging es ins Elfmeterschießen, bei dem die Gäste nervös wurden, weil Raffael gleich zu Beginn weit neben das Tor geschossen hatte. Der Bielefelder Marc Lorenz hätte mit dem fünften Elfmeter die Sensation bereits perfekt machen können, doch Gladbachs Torwart Sommer parierte. Weil aber Ibrahima Traoré mit dem sechsten Gladbacher Elfmeter an Alexander Schwolow scheiterte, wurde um 21.41 Uhr doch noch ein neues Bielefelder Pokal-Kapitel geschrieben.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2015/ska
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