Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich:Benzema gelingt alles - bis auf Flanken

Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich: Karim Benzema: Wird wohl kein Flankengott mehr

Karim Benzema: Wird wohl kein Flankengott mehr

(Foto: AP)

Beinahe hätte sich die französische Nationalelf gar nicht für die WM qualifiziert, nun gilt sie sogar als Favorit im Viertelfinal-Duell gegen Deutschland. Die WM-Analyse des Tages zeigt, wie erbarmungslos die Bleus ihre Gegner überrumpeln - und wie die DFB-Elf sie austricksen kann.

Von Lisa Sonnabend

Beinahe wäre die französische Nationallmannschaft gar nicht nach Brasilien gereist. Erst in den Playoffs qualifizierte sie sich für die WM. Nachdem auch noch Franck Ribéry wegen einer Verletzung ausfiel, traute kaum jemand den Bleus zu, die K.o.-Runde zu überstehen. Doch sie haben es ins Viertelfinale geschafft und sind plötzlich sogar einer der Favoriten für den WM-Titel. So sieht das sogar der nächste Gegner: die vor dem Turnier hoch gehandelte DFB-Elf.

Torwart Manuel Neuer hält den Weltmeister von 1998 für die "stabilste Mannschaft" im Turnier. Und der deutsche Teammanager Oliver Bierhoff sagt vor dem Duell: "Im Moment kann man eher Frankreich in der Favoritenrolle sehen." Stimmt das wirklich? Die Statistiken von unserem Partner Opta zeigen: Die Elf von Didier Dechamps könnte Joachim Löws Truppe durchaus gefährlich werden - wenn diese nicht aufpasst.

  • Löws Elf kontrolliert das Spiel

Die DFB-Elf hat einen Plan für dieses Turnier: Mit Sicherheitsfußball Weltmeister werden anstatt mit einer temporeichen Spielweise Herzen zu erobern. Ob es mit dem Weltmeister-Titel klappt, ist fraglich, doch das Spiel unter Kontrolle hat Löws Mannschaft tatsächlich.

Die DFB-Spieler hatten in den bisherigen WM-Partien stets deutlich mehr Ballbesitz als die Kollegen aus Frankreich. Zuletzt wies die Statistik - trotz des mühsamen 2:1 nach Verlängerung gegen Algerien - einen imposanten Wert auf: Der Anteil der Zuspiele betrug in der Partie 66,7 Prozent. Die Franzosen dagegen kamen selbst bei ihrem rauschhaften 5:2 gegen die Schweiz auf lediglich 41,5 Prozent Ballbesitz.

Es überrascht deswegen nicht, dass Deutschland im Turnier auch mehr Pässe gespielt hat als das Nachbarland. Erstaunlich ist allerdings wie viele mehr. 2695 Mal kickten sich Philipp Lahm, Toni Kroos und Kollegen den Ball zu, 2377 kam Brazuca auch bei einem Teamkollegen an. Frankreich dagegen kann nach vier Spielen nur 1660 erfolgreiche Pässe aufweisen. Gegen Algerien kam die DFB-Elf auf 793 Pässe - so viele spielte nie zuvor ein Team bei einem WM-Spiel. Die meisten Ballkontakte von allen WM-Spielern 2014 hat übrigens Mittelfeldstratege Toni Kroos (473). Der fleißigste Franzose Blaise Matiudi spielte lediglich 266 Mal den Ball. Die Zahlen sprechen für sich, das Problem ist nur: Frankreich kennt ein Rezept, wie Ballbesitz-Mannschaften zu knacken sind.

  • Vorsicht bei Ballverlust!

Frankreich ist gemeinsam mit Holland das WM-Team, das am gefährlichsten kontert. Immer wieder stößt die Mannschaft von Didier Dechamps blitzartig in den gegnerischen Strafraum vor.

Voraussetzung für die Überrumplungsaktionen ist immer ein Ballverlust des Gegners. Dass die Franzosen sehr geschickt darin sind, Spielern den Ball abzuluchsen, zeigt die Opta-Statistik. Die beiden Innenverteidiger Laurent Koscielny und Raphaël Varane gewannen bei der WM 76,5 bzw. 76,9 Prozent ihrer Zweikämpfe. Bei Löws Elf erzielte Philipp Lahm, der 67 Prozent aller Duelle mit einem Gegenspieler gewann, den besten Wert. Jérôme Boateng kommt auf 65,2 Prozent.

Allerdings gehen die Franzosen dabei nicht immer fair zur Sache. 46 Mal foulten sie während der WM und fünf Spieler sahen bereits eine gelbe Karte - die DFB-Truppe kommt auf 39 Fouls und zwei gelbe Karten. Dies könnte ein kleiner Vorteil für Löw sein, denn die fünf rüden Franzosen müssen Angst haben, eine weitere Karte gezeigt zu bekommen und dann womöglich das Halbfinale zu verpassen.

Genauer als der umsichtige Philipp Lahm

  • Die Bleus zielen genauer

Wenn die Franzosen den Ball haben, resultieren daraus meist gefährliche Aktionen. Denn die Elf von Dechamps erlaubt sich nur wenige Fehlpässe: Die Passgenauigkeit liegt bei 86,3 Prozent. Besonders aufpassen sollten Löws Spieler immer dann, wenn Varane am Ball ist. 94,8 Prozent aller Zuspiele von dem Real-Madrid-Verteidiger erreichten nämlich wie geplant einen Mitspieler. So genau passt nicht einmal der umsichtige Philipp Lahm (91,8 Prozent).

  • Benzema gelingt bei der WM alles - bis auf Flanken

Die Franzosen erzielten bei der WM bislang zehn Tore (DFB-Elf neun). Damit haben sie bereits genauso oft getroffen wie bei den vergangenen drei WM-Turnieren zusammen. Für Unruhe im deutschen Trainerstab dürfte auch folgende Statistik sorgen: Obwohl die Bleus viel seltener am Ball waren als die Deutschen, schossen sie im Turnier 31 Mal aufs Tor - und damit einmal häufiger als die DFB-Elf. Für das Viertelfinale entscheidend könnte sein, ob es den deutschen Verteidigern gelingt, Frankreichs gefährlichsten Stürmer in den Griff zu bekommen: Karim Benzema.

Der 26-jährige Kahlkopf erzielte bei der WM drei Treffer. Noch bemerkenswerter sind andere Daten: Bereits 13 Mal zielte Benzema aufs Tor - und damit häufiger als der torgefährlichste Deutsche Thomas Müller (fünf Mal). Der Real-Madrid-Spieler bereitete zudem zwei Treffer vor, lieferte 13 Torschussvorlagen und holte einen Elfmeter heraus. Im Abseits stand er nur zweimal - Müller dagegen sechs Mal. Nur Flanken sollte der Franzose noch ein wenig trainieren: Da gelang ihm während der WM nämlich noch keine einzige.

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