Viertelfinale der Europa League:Nur Raúl reicht S04 nicht - Hannover hadert

Die deutschen Teams verlieren ihre Hinspiele gegen spanische Mannschaften: Schalke jubelt gegen Bilbao zunächst über zwei Tore des Spaniers Raúl, doch am Ende steht es wegen einiger schwerer Abwehrfehler 2:4. Hannover präsentiert sich in Madrid sehr kampfstark und hält lange ein 1:1, doch dann gelingt den Spaniern noch der späte Siegtreffer.

Der Held des Abends bei Schalke 04 sollte wieder einmal Raúl González Blanco heißen - jener spanische Señor, bei dem das Toreschießen meist so lockerleicht aussieht, als sei der Fußball für ihn eine höhere Kunstform. Und der 34-Jährige enttäuschte gegen seine spanischen Landsleute von Athletic Bilbao keineswegs, er erzielte zwei Tore (22./59.), doch beim 2:4 (1:1) im Viertelfinal-Hinspiel der Europa League hatte auch der Gegner einen Topspieler in seinen Reihen. Sein Name: Fernando Llorente, seine Profession: brandgefährlicher Stürmer, seine Ausbeute: ebenfalls zwei Treffer (20./73.).

Am Ende stand für die Schalker ein fast schon schockierendes Ergebnis, das die Hoffnungen auf den Einzug ins Halbfinale gegen Sporting Lissabon oder Metalist Charkiw (19./26. April) arg schmälert. Oscar de Marcos (80.) und Ilker Muniain (90.+2) setzten die weiteren Treffer, die die Königsblauen endgültig in ratloses Erstarren stürzten. Dem Dritten der Bundesliga wird am nächsten Donnerstag ein beinahe unmögliches Unterfangen abverlangt, um doch noch im Wettbewerb zu bleiben - denn der spanische Tabellen-Elfte ist im Stadion San Mames eine Macht. Dort besiegten die Basken im Achtelfinale Manchester United mit 2:1.

"Momentan sieht es nicht gut aus für uns. Das ist bitter, weil es eigentlich unnötig war", sagte Schalke-Manager Horst Heldt. "Vom 2:2-Ausgleich haben wir uns nicht richtig erholt. Wir haben die Ordnung, die Nerven verloren. Wir sind klassisch ausgekontert worden." Selbstkritisch äußerte sich Schalkes sonst so treffsicherer Stürmer Klaas-Jan Huntelaar: "Wir haben nicht gut gespielt. Uns hat der richtige Wille gefehlt, um weiterzukommen." Ja, er sagte weiterkommen - und das, obwohl es ja noch ein Rückspiel gibt.

Mit großer Hingabe gefeiert wurde in der Schalker Arena zunächst Raúl von den 53.883 Zuschauern, die immer noch hoffen, dass er in Kürze seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Der filigrane Sturmartist erzielte seine Treffer 74 und 75 in einem Uefa-Vereinswettbewerb, was ihn auf europäischer Ebene zum Rekordmann macht. Doch die Gala des Spaniers reichte nicht zum sechsten Sieg im siebten Heimspiel in der Europa League in dieser Saison. Am Ende stand die erste Heimniederlage - und die hatten sich die Schalker selbst zuzuschreiben.

Drei schlimme Fehler in der Defensive nutzten die Gäste zu ihren leicht herausgespielten Toren. So zum Beispiel beim 0:1: Timo Hildebrand kniete auf dem Spielfeld, die Arme lang vor sich gestreckt, den Kopf auf den Rasen gepresst, als wollte er am liebsten in den Halmen verschwinden. Es lief die 20. Minute gegen Bilbao, und der ehemalige Nationaltorhüter hatte mit einem schweren Patzer das Gegentor der Schalker auf dem Gewissen. Oscar de Marcos hatte von rechts völlig frei flanken können, den Flachschuss von Ander Iturraspe hielt Hildebrand, sehr unsicher wirkend, nicht fest. Schalke-Verteidiger Atsuto Uchida versuchte den Ball zu klären, aber Torjäger Llorente brachte ihn mit einem harmlosen Schuss aus drei Metern über die Linie.

"Es wäre gut, wenn wir zu Null spielen", hatte Julian Draxler vor dem Anstoß erklärt. Dieses Ziel war nun jäh zerstört, die Gäste feierten ihren ersten Treffer. Immerhin: der Bundesligist schlug sofort zurück, angefeuert von den hoffnungsvollen Fans. Schalke mit einer Niederlage gegen Bilbao? Irgendwie schien das niemand glauben zu wollen. Uchida machte seinen Fehler wett, indem er von rechts aus dem Strafraum vor das Tor flankte. Dort war Raúl, der mit Madrid schon zigmal gegen Bilbao gespielt hatte, am Pfosten stehend zur Stelle und überwand Torwart Gorka Iraizoz aus kurzer Distanz mit einer blitzschnellen Reaktion zum 1:1.

Zur Halbzeit lautete die Zwischenbilanz: Die Gastgeber hatten mehr vom Spiel als der achtmalige spanische Campeon, aber Bilbao deutete eben durchaus an, warum es im Achtelfinale Manchester zweimal besiegt hatte. "Der Gegner ist von einem anderen Kaliber als die letzten beiden", sagte Christoph Metzelder als Beobachter auf der Tribüne zur Pause. Hildebrand blieb in der Kabine - er hatte sich beim Gegentor eine Schulterverletzung zugezogen.

Mathias Schober ging zwischen die Pfosten und war damit der vierte Torwart der Schalker in der Saison nach Ralf Fährmann, Lars Unnerstall und Hildebrand. Er sollte einen bösen Abend erleben. Zwar beförderte Klaas-Jan Huntelaar in der 52. Minute den Ball ins Tor, aber wegen Abseits gab der portugiesische Schiedsrichter Pedro Proenca den Treffer nicht. Dann war wieder Raúl zur Stelle, der einige Meter hinter der Sechzehnergrenze einfach abzog und volley das 2:1 erzielte - es war die 59. Minute und so langsam, dachte man, bewegten sich die Schalker in Richtung Sieg.

Doch daraus wurde nichts. Wieder segelte ein hoher Ball in den Schalker Strafraum, wieder traf Llorente (73.). Für die Abwehr des Heimteams war es schon jetzt ein Abend zum Vergessen. Zu viele Fehler, zu häufig zu weit weg - Schalke wackelte. Trainer Huub Stevens hatte mit Lewis Holtby und Jose Manuel Jurado zwei Offensivkräfte gebracht, doch zu diesem Zeitpunkt ging längst nicht mehr viel. Bilbao hatte die Kontrolle über diese Partie übernommen, kombinierte jetzt sicher und kam schließlich noch zu zwei weiteren Treffen durch einen Abstauber von de Marcos (81.) und ein Kontertor durch Muniain (93.). Nur einer konnte da noch lachen: Raúl, der in seinem langen Fußballerleben wohl einfach schon zu viel erlebt hat.

Hannover hadert

Hannover 96 hatte vieles richtig gemacht, hatte mitgehalten mit der deutlich besser besetzten Elf von Atletico Madrid und konnte bereits auf ein 1:1 hoffen, doch dann fiel doch noch der Siegtreffer für die Spanier. Mit seinem wichtigen Auswärtstor hat der neue Stürmer Mame Diouf den Niedersachsen zwar die Chancen auf das Halbfinale in der Europa League erhalten, aber am Ende überwog wohl die Enttäuschung über das verpasste Remis. Der Tabellenachte der Bundesliga musste sich am Donnerstag nach gutem Kampf und einem späten Tor mit 1:2 (1:1) geschlagen geben.

Europa League - FC Schalke 04 - Athletic Bilbao

Señor Raúl bei der Arbeit: Die beiden Treffer des Spanier reichten S04 nicht zum Sieg. 

(Foto: dpa)

Dennoch geht die Mannschaft von Trainer Mirko Slomka mit passablen Aussichten in das Viertelfinal-Rückspiel in einer Woche vor heimischem Publikum. Ein 1:0-Sieg würde zum Einzug in die Runde der besten vier reichen. Falcao hatte den Europa-League-Sieger von 2010 mit dem 400. Europapokal-Tor für Atlético in Führung geschossen. Mit dem ersten Angriff der anfangs zu ängstlich agierenden Niedersachsen gelang dem senegalesischen Top-Stürmer der wichtige Ausgleich.

Dank einer Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit war 96 dicht vor dem Teilerfolg, doch der eingewechselte Eduardo Salvio (89.) sorgte für Verärgerung bei den tapfer kämpfenden Gästen. "Natürlich sind wir enttäuscht. Es sah lange nach einem 1:1 aus, aber wir sind sehr heimstark, es ist noch lange nicht vorbei", sagte Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler und betonte: "Wir werden im Rückspiel alles versuchen." Auch Vorlagengeber Lars Stindl zeigte sich trotz aller Enttäuschung optimistisch. "Wir haben einen großen Kampf geliefert. Wir wollen unbedingt eine Runde weiterkommen und nächste Woche gewinnen", sagte der Mittelfeldspieler.

Die Hoffnungen der Hannoveraner, vom Favoriten Atlético unterschätzt zu werden, erfüllten sich von Beginn an nicht. Die Madrilenen nahmen den in Spanien gänzlich unbekannten Gast aus Niedersachsen vom Anpfiff an ernst. Zielstrebig und engagiert setzte der Tabellenachte der spanischen Liga auf Offensive. Schon in der neunten Minute wurde Atlético nach einem Freistoß durch den Falcao-Kopfball belohnt. 96-Schlussmann Ron-Robert Zieler sah beim Rauslaufen dabei recht unglücklich aus.

Adrian (24.) und Falcao (27.) hatten weitere gute Möglichkeiten - doch es blieb fürs Erste beim 1:0. Hannover leistete sich zu viele Fehlpässe, im Spiel nach vorne gelang den ungewohnt ängstlich agierenden Niedersachsen (fast) nichts. Trainer Mirko Slomka war ob der Darbietung seiner Profis derart bedient, dass er schon nach 34 Minuten seine Auswechselspieler zum Aufwärmen schickte. Der Ausgleich fiel dann völlig überraschend nach dem ersten Torschuss der Gäste. Ein feines Zuspiel von Lars Stindl verwertete Diouf aus kurzer Distanz zum siebten Tor im elften Pflichtspiel seit seinem Wechsel von Manchester United zu 96.

"Das Tor war natürlich wichtig", sagte Sportdirektor Jörg Schmadtke zur Pause im TV-Sender Sky und forderte: "In der zweiten Halbzeit müssen wir nun etwas mehr Ruhe reinbekommen." Das gelang der Elf in den grünen Trikots vor den rund 3000 mitgereisten Fans dann auch tatsächlich besser. Hannover wurde mutiger, Didier Ya Konan verstärkte nun die Offensive, es gab gute Chancen. Die Spanier dagegen wurden mit zunehmender Spieldauer nervöser und deutlich weniger torgefährlich. Nach einer guten Stunde hatte Diouf sogar die Führung für 96 auf dem rechten Fuß.

Nach einem Zuspiel von Ya Konan scheiterte der senegelasische Stürmer am glänzend reagierenden Atlético-Schlussmann Thibaut Courtois. Der 19 Jahre alte Belgier im Tor des neunmaligen spanischen Meisters lenkte den Schuss gerade noch um den Pfosten. Kurz zuvor hatte Atlético-Coach Diego Simeone die Rufe der Fans erhört und den ehemaligen Bundesliga-Profi Diego eingewechselt. Der frühere Bremer und Wolfsburger konnte aber keine entscheidenden Akzente mehr setzen. Dies gelang dafür Salvio mit einem sehenswerten und unhaltbaren Schuss ins obere Toreck. Kurz danach kam der Abpfiff und Hannover musste sich über eine verpasste Überraschung ärgern.

Die anderen Viertelfinals:

Sporting Lissabon und AZ Alkmaar erspielten sich gute Chancen auf das Halbfinale. Gegen den ukrainischen Verein Metalist Charkow setzten sich die Portugiesen mit 2:1 (0:0) durch. Marat Ismailow schoss Sporting in der 51. Minute in Führung und mit einem Freistoß traf der Argentinier Emiliano Insua (64.) zum 2:0 gegen Charkow. Ein Foulelfmeter von Cleiton Ribeiro Xavier brachte für die Ukrainer den Anschlusstreffer (90.+1) zum 2:1-Endstand.

Auch der AZ Alkmaar konnte seinen Heimvorteil nutzen. Gegen den FC Valencia gewannen die Niederländer 2:1 (1:0). Nach einem Eckball hatte Brett Holman (45.+1) Alkmaar zur 1:0-Halbzeitführung geschossen. Wieder auf dem Platz glich zwar Mittelfeldspieler Mehmet Topal (51.) mit einem Kopfball für Valencia aus. Doch Maarten Martens besiegelte in der 79. Minute den Sieg für Alkmaar. Die Niederländer bleiben in ihren Europapokal-Heimspielen ungeschlagen. Die Rückspiele finden am kommenden Donnerstag statt. Der Sieger der Partie Alkmaar/Valencia könnte im Halbfinale am 19.4. auf Hannover 96 treffen. Sollte Schalke 04 doch noch den Einzug ins Halbfinale schaffen, hieße der Gegner Lissabon oder Charkow. Das Europa-League-Finale wird am 9. Mai in Bukarest sein.

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