Vierschanzentournee:Skispringer Prevc - Schweiger aus Dolenja vas

64th Four Hills Tournament - Innsbruck Day 2

"Er hat einen Bumms drauf, wenn er sich rausschmeißt": Selbst Experten staunen über das weitgehend unbekannte Flugobjekt namens Peter Prevc.

(Foto: Stanko Gruden/Getty)
  • Der Slowene Peter Prevc steht kurz davor, die Vierschanzentournee zu gewinnen.
  • Doch wer ist der 23-Jährige eigentlich? Ein irrsinnig netter und hoch motivierter Familienmensch, berichten Szenekenner.
  • Der Slowene selbst sagt dazu: nichts.
  • Zu den Ergebnissen der Vierschanzentournee geht es hier.

Von Volker Kreisl, Bischofshofen

Irgendwann an diesem Abend in Bischofshofen, als keine Steigerung mehr nötig war und sein Sieg, der eigentlich schon vorher kaum zu verhindern gewesen war, auch wirklich endgültig feststand, da zeigte er erstmals ganz große Gefühle. Jedenfalls für seine Verhältnisse: Er ballte die Fäuste beim Abschwung. Und alle, die ihm zusahen, wussten, dass er ein Skispringer in Bestform ist, dass er aus Slowenien kommt, gerade die Vierschanzentourne gewonnen hat und Peter Prevc heißt. Und doch blieb diese Frage: Wer ist eigentlich Peter Prevc?

Heinz Kuttin, der Trainer der Österreicher, sagt, eigentlich müsse er Prevc gut kennen, schließlich sei er Kärntner und deshalb "quasi Nachbar". Doch Kuttin erlebt Prevc zwar als "irrsinnig nett, aber nicht sehr gesprächig." Ähnliche Erfahrungen haben viele andere. Duldet Prevc mal eine kleine Traube von Reportern um sich, dann antwortet er knapp - wie vor einem Jahr in Garmisch, als er recht bald irrsinnig nett, aber bestimmt fragte: "Darf ich jetzt bitte gehen?" Landsleuten ergeht es nicht besser, Miha Simnovec aus Ljubljana, der seit 15 Jahren das slowenische Skispringen als Reporter begleitet, sagt: "Mit uns spricht er auch nicht viel."

Es gibt diese Athleten, die absichtlich ein Rätsel aus sich selber machen, um Interesse zu wecken, aber das kann man bei Peter Prevc ausschließen. Alle slowenischen Sportler sind etwas zurückhaltend, behauptet Simnovec. Das sei keine Masche, sondern liege an der Mentalität und gelte zum Beispiel auch für den Eishockeyspieler Anze Kopitar, der mit den Los Angeles Kings zweimal den Stanley Cup gewonnen hat. Das Bild dieser Sportler setzt sich nur über Jahre zusammen wie ein großes Mosaik. Und jetzt, da der 23 Jahre alter Skispringer seinen ersten großen Titel gewonnen hat, werden die Konturen immer deutlicher.

Für sein Alter hat Peter Prevc schon viele Medaillen gewonnen, acht sind es, Bronze- und Silbermedaillen, als Einzelspringer und im Team, bei Weltmeisterschaften und Olympia. Womöglich ist er auch deshalb etwas verschlossen, weil ihn die Karriere gelehrt hat, dass man ihm einen Titel immer noch im letzten Moment wegschnappen kann - so, wie es Severin Freund gemacht hat bei seinem knappen Weltcup-Gesamtsieg 2015. Und womöglich hält Prevc sich auch deshalb zurück, weil ihn die Familie gelehrt hat, dass es noch andere Aufgaben neben dem Skispringen gibt.

Prevc trägt diese andere Verantwortung mit Humor, sagt Simnovec. Es gibt eben viel Arbeit zu Hause auf dem Land in Dolenja vas. Nach der Saison geht Prevc schon mal zum Holzhacken in den Wald, fürs Möbelgeschäft seines Vaters macht er Werbung und steht dafür unmittelbar vor Saisonbeginn noch eine Stunde im Laden. Einmal erzählte er doch eine Anekdote, nämlich wie er bei der Rückkehr von seinem ersten Weltcupsieg in Sapporo zu Hause ein kaltes Zimmer vorfand. Als er sich beschwerte, antwortete sein Vater: "Du glaubst wohl, du bist noch im Hotel."

Sapporo, das war am 25. Januar 2014, der Name Prevc wurde allmählich bekannt. Als 17-Jähriger hatte er erstmals bei den Olympischen Spielen überrascht, 2010 in Vancouver war er Siebter geworden. Danach arbeitete er sich mit professioneller Zielstrebigkeit nach oben, obwohl nicht alle sein Talent erkannten. Auf der Liste für das slowenische Skisprung-Zukunftsprojekt Sotschi 2014 stand sein Name zunächst nicht. Doch das ist Vergangenheit. Heute spekulieren die Trainer der Konkurrenz über die entscheidenden Bausteine seines Erfolges.

"Ein technisches Wunder" beim Absprung

Der deutsche Coach Werner Schuster denkt zum Beispiel an Prevc' spezielle Motivationskraft: "Wenn er gegen Severin verloren hat, dann ist er am nächsten Tag gesprungen, als gäbe es kein Morgen mehr." Der Österreicher Kuttin bewundert sein Durchhaltevermögen: "Der Bursche springt die Continental-Cups, der springt im Sommer-Grand-Prix, der springt im Winter in jedem Weltcup, das ist schon brutal." Und der Tiroler Alexander Stöckl, Trainer der Norweger, sagt: "Er ist in der Anfahrtsposition extrem weit vorne. Aus dieser Position wegzuspringen, schaffen nicht viele, das ist ein technisches Wunder. Trotzdem kommt er aus dieser Position schnell nach vorne und hat auch einen Bums drauf, wenn er sich rausschmeißt."

Am Ende ist es wohl die Summe aus Motivation, Hartnäckigkeit, Rausschmeißen und vielen weiteren Details, zu denen auch die Rolle der Familie gehört. Denn es gibt nicht nur einen Prevc: Es gibt noch den Bruder Domen, 16, den Bruder Cene, 19, und die Schwester Nika, 10. Domen macht zurzeit Wirbel mit seinen ersten Top-Ten-Plätzen, Cene versucht in der zweitklassigen Skisprungserie aus seinem Formtief zu kommen, und über Nika wird auch geraunt: Sie springt angeblich so gut wie gleichaltrige Jungs. Und dann ist da noch Schwester Ema, aber die springt nicht Ski.

Um Peter Prevc gab es keinen Wirbel, als er mit diesem Sport begann, doch sein Erfolg ist wohl der Grund dafür, dass die Geschwister die Schanzen entdeckten. Heute passt der Älteste auf, dass die Jüngeren nicht zu früh zu viel in Mikrofone sprechen. Vor allem aber baut er sein System Stück für Stück auf und ist somit ein gutes Beispiel für nachhaltigen Erfolg. Gerade im Skispringen ist es oft verhängnisvoll, zu plötzlich nach oben zu schnellen. Prevc ist über viele Jahre gereift, jetzt vollendet sich das Mosaik eines kompletten Springers.

Nach seinem ersten großen Erfolg hat Peter Prevc nicht nur Gefühle gezeigt, er hat auch etwas gesagt. Und seine Worte verrieten durchaus etwas über die Bedeutung, die der Gewinn der Virschanzentournee für ihn hat: "Es war sehr aufregend, ich habe seit drei Tagen nicht mehr geschlafen, so nervös war ich."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: