So wie es aussieht, wird es also auch im Winter 2022 nichts mit den Deutschen und einem Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. Dabei hätte dieses Jahr doch wunderbar für den lange ersehnten Erfolg gepasst. 2002 hatte Sven Hannawald - zudem mit dem ersten Vierfachsieg der Tourneegeschichte - als bislang letzter Springer des Deutschen Skiverbandes jene traditionelle Serie gewonnen, die Nervenstärke, Vielseitigkeit und Durchhaltevermögen verlangt.
Nun, genau 20 Jahre später, hatte sich kurz die nächste Chance eröffnet - doch auch Karl Geiger, der sich seit Jahren konstant steigert und bis Samstag das Gelbe Trikot des Weltcup-Führenden trug, wurde am Neujahrstag vom Japaner Ryoyu Kobayashi abgehängt.
Die Restchancen für die Springer von Bundestrainer Stefan Horngacher sind arg geschrumpft, und womöglich steckt hinter dem mäßigen Abschneiden der Deutschen und zuletzt auch der Österreicher mehr als nur technisches Unvermögen. Beiden Teams gelingen ja immer wieder Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, nur bei der Tournee ist oft sogar schon in Garmisch-Partenkirchen Schluss. Und das, obwohl die Serie - ausgenommen die vergangenen beiden Winter - jeweils zur Hälfte vor eigenem Publikum ausgetragen wird, dessen Unterstützung für Deutsche und Österreicher ja eigentlich einen großen Vorteil bringen sollte.
Sven Hannawald hat vor 20 Jahren ja bewiesen, wie das geht
Offensichtlich ist dieser Vorteil geringer als vermutet, vielleicht ist er sogar ein Nachteil. Selbst dann, wenn keine Zuschauer auf den Rängen stehen, wissen die Springer, dass in allen Wohnzimmern zwischen den Jahren die Tournee läuft. Dennoch könnte man sich vom Publikum einfach tragen lassen, egal ob im Stadion oder in der eigenen Vorstellung, Hannawald hat vor 20 Jahren ja bewiesen, wie das geht. Doch dazu braucht es offenbar die Fähigkeit, seinem eigenen Sprung voll zu vertrauen, oder die Gewissheit, nichts mehr verlieren zu können.
Darin könnte nun die letzte Möglichkeit der deutschen Springer in der aktuellen Serie bestehen, besser gesagt, die des überraschend erstarkten Markus Eisenbichler. Der winkte zuletzt nach seinem zweiten Platz zwar ab und erklärte, ihm gehe es gerade nur ums allgemeine Vorankommen, er wolle nur an seiner Form arbeiten, die Tournee-Trophäe bleibe ihm auch nach dem Garmischer Springen "extrem wurscht". Doch Motivatoren und Psychologen dürften begeistert sein. Wurscht - in dieser Einstellung dürfte momentan die beste Chance der Deutschen liegen.