Der See lag stumm und abweisend da, dunkel und vollständig vereist. Darüber der hohe Gipfel, die Zugspitze glänzte bereits in der Sonne. Unten am Ufer des Garmischer Rießersees gaben die deutschen Skispringer am Montagvormittag ihre Halbzeit-Pressekonferenz der Vierschanzentournee 2022/23, sie bilanzierten die ersten Tage der Tour, und dabei ging es wie im morgendlichen Berg-Panorama auch um Licht und Schatten.
Nach der Pressekonferenz reiste die deutsche Mannschaft ab, aus der Einöde in die Stadt, nach Innsbruck. Man kann sagen, diese Abreise ist den Springern eher nicht schwergefallen, das Springen in Garmisch hatte für die Deutschen spezielle Schwierigkeiten und entsprechende Enttäuschungen gebracht. Nun, bei der Nachlese war die Stimmung des Teams von Bundestrainer Stefan Horngacher mittelprächtig, doch nun ging es ja weiter ins Inntal.
Der Gesamtsieg hängt für Horngachers Team weit höher als der höchste Gipfel der Deutschen, er ist nicht mehr zu realisieren, nicht für Karl Geiger und auch nicht für seinen Kollegen Andreas Wellinger. Die beiden stehen zwar nach wie vor auf den Plätzen fünf und sechs, jedoch haben beide fast 58 Punkte Rückstand auf den Führenden Norweger Halvor Egner Granerud. Diesen Abstand gutzumachen, ist auch deshalb unrealistisch, weil zwischen Granerud und den Deutschen noch drei weitere hochkarätige Gegner liegen, die Polen Dawid Kubacki und Piotr Zyla, zudem der Slowene Anze Lanisek, der allerdings auch gezeigt hatte, wie schnell man mit einem guten Satz wieder nach vorne kommen kann.
Achterbahn in der Anlaufspur: Die Deutschen kämpfen mit den äußeren Umständen
Positiv denkt auch Horngacher und hat entsprechend ein neues Ziel ausgerufen. Seine zwei bestplatzierten Springer werden nun eben einen Platz auf dem Abschluss-Podest anpeilen, realistischerweise Platz drei. "Sie sind definitiv dabei im Kreis derjenigen, die den drittplatzierten Lanisek nun jagen", sagte Horngacher. Dies könnte gelingen, wenn Geiger und Wellinger, falls vorhanden, einen möglichen Knacks im Selbstvertrauen bis zum Dienstag in der Innsbrucker Qualifikation wieder geheilt kriegen. Und günstig wäre es auch, wenn die Anlaufspur auf der Bergiselschanze diesmal keine ruppigen Stellen aufweist, die den Anlauf zu einem Gefühl wie bei einer "Achterbahn" machte. Ob es daran lag oder ob es die eigene mangelnde Konzentration im Radius war - beiden fehlte teils die Aufmerksamkeit für den optimalen Absprung.
Skisprungtrainer sind sehr zurückhaltend mit Tadel an ihren sensiblen Sportlern, pauschale Kritik bringt sie nicht weiter. Wohl deshalb wirkte Horngacher an diesem eher verkaterten Montagmorgen auch ein bisschen wie ein Motivator. "Wir waren gestern auch deshalb gut, weil es ein hohes Niveau war", und Geiger zum Beispiel mit Platz elf nicht allzu viel Boden verloren hatte. Markus Eisenbichler sei "nicht mehr weit weg vom Ende von seinem Formtief", und Stephan Leyhe, Constantin Schmid und sowieso das Talent Philipp Raimund haben sich in Anbetracht schlechter Windbedingungen gut geschlagen, sagte der Teamchef. Ob die Sonne über diesem Team tatsächlich bald aufgeht, wird sich in Österreich zeigen.