Vierschanzentournee in Innsbruck:Immer wieder Österreich

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Andreas Kofler gewinnt die Innsbrucker Etappe der Vierschanzentournee vor Gregor Schlierenzauer - die beiden schaffen damit den dritten österreichischen Doppelsieg in Serie. Die deutschen Springer präsentieren sich wieder mit wechselhaften Leistungen, trotzdem landen zwei DSV-Athleten unter den besten Zehn.

Thomas Hahn, Innsbruck

Die Eltern Schlierenzauer zittern immer, wenn ihr Gregor oben auf dem Balken sitzt. Weil sie hoffen, dass er weit springt, aber auch, weil sie hoffen, dass er nicht zu weit springt. Das Skispringen ist eine verzwickte Angelegenheit, man kann auch zu gut sein darin. Gregor Schlierenzauer hat das schon oft erlebt, dass sein Talent seinen Sport überforderte.

Nach drei Springen stand bei der Tournee immer ein Österreicher ganz oben auf dem Podium: Gregor Schlierenzauer (links) in Oberstdorf und Garmisch, Andreas Kofler in Innsbruck. (Foto: dpa)

Dass ihn ein Aufwind erfasste, der ihn gefährlich weit hinuntertrug ins Tal. Dass ihn der Landedruck in die Knie zwang. Und in Innsbruck, beim dritten Wettkampf der 60. Vierschanzentournee, blies der Wind auch wieder unberechenbar. Die Sorge von Paul und Angelika Schlierenzauer war nicht unberechtigt, dass ihr hochbegabter Sohn mit einem mächtigen Absprung zum falschen Zeitpunkt im Hang zerschellen könnte.

Gregor Schlierenzauer ist zum Glück nicht zerschellt vor 22.500 Zuschauern im ausverkauften Bergisel-Stadion, und ihm ist auch nicht das Pech widerfahren, dass die Luft ihn fallen ließ. Er sprang weit, er landete sicher, er hielt sich auf Kurs zu seinem ersten Tournee-Gesamtsieg vor dem Finale in Bischofshofen an diesem Freitag.

Er musste eine kleine Niederlage einstecken, denn der Tagessieg gelang ihm nicht nach seinen Erfolgen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen, weil sich diesmal sein Innsbrucker Vereinskollege Andreas Kofler nach zwei zweiten Plätzen auf Platz eins schob. Die Chance ist weg, mit vier Siegen den Tournee-Rekord von Sven Hannawald aus dem Jahr 2002 zu wiederholen und dafür die Prämie von einer Million Schweizer Franken einzuziehen, aber das hat Schlierenzauer verschmerzen können.

"Der Grand Slam hat mich noch nie interessiert", sagte er, "mein großes Ziel ist der Tournee-Sieg." Und der bekommt Formen, denn in der Gesamtwertung liegt er immer noch mit 17 Punkten vorne. Die Tournee nimmt ihren logischen Gang. Österreich dominiert, und Schlierenzauer, das Wunderkind aus Fulpmes, löst das Versprechen ein, das sein Publikum schon in ihm sah, als er 2006 mit 16 sein Weltcup-Debüt gab.

Und sonst? Die Konkurrenz der Österreicher wirkt nicht besonders konstant bei dieser Tournee. Die Japaner sind gut mit ihren jungen Team-Kapitänen Daiki Ito und Taku Takeuchi, aber ihnen scheint noch der letzte technische Schliff zu fehlen, um mehr zu bewirken als solche Ausreißer aus dem gehobenen Mittelfeld, wie sie Ito als Dritter von Garmisch-Partenkirchen zeigte und Takeuchi als Dritter von Innsbruck.

Sieger der Vierschanzentournee
:Popstars und Supermänner

Die früheren Sieger des traditionsreichen Skisprungvierkampfes waren allesamt wagemutig - manch einer auch abseits des Sports. Von Offizieren, Häftlingen und Maskenträgern.

Die Norweger wirken etwas entzaubert, Anders Bardal jedenfalls, als Weltcup-Gewinner von Engelberg und Mitfavorit zur Tournee gereist, hat sich nicht ins Spiel um die besten Plätze bringen können; am Bergisel war er Vierter. In dem Polen Kamil Stoch führte zur Halbzeit in Innsbruck ein weiterer potentieller Österreich-Bezwinger, aber im zweiten Durchgang versackte er im Wechselwind: Platz neun.

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Und die Deutschen schaukeln erst recht hin und her im Klassement. Einer schafft eigentlich immer eine ordentliche Platzierung, aber einer geht eben immer auch als Verlierer von der Schanze. Beständigkeit sieht anders aus. Diesmal patzte Severin Freund, der in Oberstdorf (Vierter) und Garmisch-Partenkrichen (Siebter) noch ziemlich gut aufgelegt war.

Jetzt: Rückfall ins Mittelfeld, Rang 21. Freund hätte sich selbst belogen, wenn er das auf die schwierigen Bedingungen geschoben hätte. Freund übersetzte seine Selbstkritik ins Bayerische: "Völliger Schmarrn" sei das gewesen, was er zusammengesprungen sei: "Manchmal gibt es so Tage, da läuft es nicht." Seine Empfehlung an sich selbst: "Vergessen." Ihn ersetzten im Dunstkreis der Besten: Maximilian Mechler als Siebter, Michael Neumayer als Achter und Richard Freitag als Zwölfter.

Mechler und Neumayer als Beste ihres Teams - damit waren die Launen der Deutschen fast schon auf die Spitze getrieben: Neumayer hatte in Oberstdorf nicht einmal die Qualifikation für den Wettkampf geschafft, Mechler in Partenkirchen als 43. ein vorübergehendes Tournee-Tief erlebt. "Mal läuft's super, oder ich hab' zu kämpfen", sagte Mechler und wagte lieber keine Prognose für den Einsatz in Bischofshofen: "Man wird sehen."

Morgenstern rückt auf

Im Grunde zieht die Tournee vor dem Finale nur noch ihre Spannung aus der Frage, wie die Herausforderer diesmal scheitern werden an der Übermacht in Rot-Weiß-Rot. So unentschlossen agiert die Konkurrenz, dass am Ende des bewegten Tages am Bergisel auch noch Thomas Morgenstern als Tages-Sechster Daiki Itos dritten Platz in der Gesamtwertung übernahm.

Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner war jedenfalls "sehr emotional gerührt" nach dem Tiroler Doppelsieg. Er hatte schließlich auch gesehen, wie der Wind sich regte. "Turbulent" nannte Pointner das Wetter. Er wirkte mehr als zufrieden. Er wirkte erleichtert. Seine Besten waren weit gesprungen. Aber nicht zu weit.

© SZ vom 05.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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