Vierschanzentournee in Innsbruck:"Das tut unendlich gut"

Vierschanzentournee in Innsbruck: Richard Freitag jubelt: Er gewann in Innsbruck.

Richard Freitag jubelt: Er gewann in Innsbruck.

(Foto: AP)
  • Mit Richard Freitag gewinnt nach langer Zeit wieder ein Deutscher ein Springen bei der Vierschanzentournee.
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Von Volker Kreisl, Innsbruck

Einen Podestplatz hatte Werner Schuster gefordert. Wenigstens einen Rang unter den besten Dreien - das war das Mindeste, was sich aus den Leistungen vor der Vierschanzentournee ergab, wozu seine Top-Athleten noch in dieser Serie imstande sein müssten. Die deutschen Skispringer und ihr Trainer sehnten sich nach einem Erfolgserlebnis - und am Sonntag hatten sie es dann endlich und zwar in vollendeter Form: Richard Freitag gewann in Innsbruck die dritte Station der Tournee. Fünf Punkte Vorsprung hatte der 23-Jährige aus Aue vor dem Österreicher Stefan Kraft am Ende eines Tages, der unter anderem einen neuen Schanzenrekord brachte und die Nerven der Finalisten mit Verzögerungen anspannte. Im Gesamtklassement führt nun Kraft vor seinem Teamkollegen Michael Hayböck und dem Slowenen Peter Prevc. Freitag ist Fünfter. Platz eins am Bergisel - welche Wirkung dieser Qualitätsnachweis noch entfalten wird, das wird im Hinblick auf die Weltmeisterschaft in Falun/Schweden in fünf Wochen spannend werden. Dort wäre wieder einmal ein großer Einzeltitel zu gewinnen. Aber im ersten Moment des Erfolges sagte Freitag erst einmal: "Das tut unendlich gut". Und: "Das hier macht einfach Riesen-Riesen-Spaß." Und: "Gigantisch." Und: "Yeahh." Der Sieg war der erste Erfolg für den Deutschen Skiverband in Innsbruck seit Sven Hannawalds erstem Platz 2002. Schuster sagte: "Ich bin fast ein wenig gerührt." Freitag habe "sein Ding extrem gut durchgezogen". Zwei saubere Telemark-Landungen weit unten über dem Hill-Size von 130 Metern brachten ihm hervorragende Noten, ein Kampfrichter zückte gar die 20. "Ein toller Tag", sagte Schuster. Freitag hatte sich schon zu Beginn dieses Wochenendes an die Spitze des Teams gesetzt. In der Qualifikation war er bei 125,5 Metern gelandet. "Da habe ich schon gemerkt, dass es aufwärts geht", sagte er. Mit den Eigenheiten dieser Schanze, ihrer geringeren Länge und ihrem kurzen Radius, kam er gut zurecht. Noch am Samstagnachmittag kündigte er Größeres an: "Ich will den Kessel zum Kochen bringen."

Der Kessel - das ist eine Arena, die mit ihren steil aufragenden Tribünen wirkt wie ein Hörsaal, nur viel größer und lauter, und natürlich fehlt ihr auch das Dach. Sonst hätte es ja auch nicht dieses eigenartige typische Innsbrucker Bangen gegeben, das bis zum späten Samstagabend noch anhielt. Wie fast immer hieß es schon in den Tagen zuvor: Wann wird der Wind kommen? Und wenn, wie stark? Erst war von Föhnböen die Rede, dann vom gegenteiligen Wetterphänomen, einer Sturmfront aus dem Westen, dann von den Innsbruck-üblichen Übertreibungen.

Weite Sprünge der Deutschen

Am Sonntagmorgen - kein Lüftchen. Der Sturm hatte nachts an den Fensterläden gerüttelt, war dann über Stadt und Schanze hinweggezogen, und am Bergisel gab es zunächst sogar ideale Bedingungen. Und die deutschen Springer begannen mit ansprechenden Leistungen. Der Erste aus Schusters Team, Stephan Leyhe aus Willingen, seit kurzem neu im Weltcup, kam gleich auf 119,5 Meter und erwies sich wieder als einer der Besten unter den Neulingen.

Genauso wenig Mühe in seinem K.o.-Duell hatte Michael Neumayer, der mit 123 Metern und 112,8 Punkten weiterkam und sich später als 18. im Mittelfeld einordnete. Aber Neumayer, 35, der seit Jahren stabile, wenngleich bloß solide springende Oberstdorfer, repräsentiert nicht das Problem der Deutschen. Sie hatten seit mehr als einer Woche massive Sorgen mit ihren Spitzenleuten.

Zum Beispiel auch mit Severin Freund. Er ist der Frontmann des DSV-Teams, seine Durchschnittssprünge hatten die Trainer zuletzt besonders enttäuscht, aber Freund behielt seine nach außen zuversichtliche Art und bestätigte diese mit seinem ersten Top-Sprung in dieser Tournee. Der trug ihn weit nach unten über die Hill-Size-Linie auf 131 Meter, was kurz die Führung und nach einem weiteren guten Sprung im zweiten Durchgang Platz acht bedeutete.

Gegen Nachmittag, als die Windfahnen doch wieder in Bewegung gerieten und der Wettkampf immer wieder unterbrochen wurde, entwickelte sich schon Durchgang eins zu einem ersten Höhepunkt. Das Finale lief noch gar nicht, da übertönte der Krach im Hörsaal bereits die Rhythmen aus den Lautsprechern. Stefan Kraft war ein neuer Schanzenrekord gelungen. Er flog und flog auf 137 Meter und übertraf die Bestmarke von Sven Hannawald (134,5 Meter). Später kam Hayböck sogar auf 138 Meter, griff aber in den Schnee. Stefan Kraft musste sich auch deshalb so weit strecken, weil Freitag ihn mit einer Weite von 133,5 Metern unter Druck gesetzt hatte. Aufgrund besserer Windpunkte und Haltungsnoten behielt er auch nach Krafts Rekordsprung seinen Spitzenplatz - er teilte ihn sich mit dem Österreicher, obwohl dieser dreieinhalb Meter weiter geflogen war. Die Entscheidung würde unter den beiden fallen, zu weit zurück lagen Ammann, Kasai & Co. Am Ende hatte Freitag die besseren Nerven und die eleganteste Ausführung, mit 132 Metern gelang die größte gestandene Weite des Finaldurchgangs. Und sein Trainer Schuster wirkte nun auch wieder ein bisschen hin und hergerissen. Zum einen sagte er, man arbeite nun in Ruhe weiter: "Jeder hat nun die Chance, bei dieser Tournee seine persönliche Bestleistung zu steigern, das ist doch auch etwas." Zum anderen klang auch wieder etwas Angriffslust durch in seiner Stimme, denn nach dem früh verpatzten Gesamtsieg war es doch noch gelungen, so etwas wie eine forsche Ansage in die Tat umzusetzen: "Wir haben gesagt, wir drehen das, und wir haben es geschafft."

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