Vierschanzentournee:Freund wird angriffslustig

Vierschanzentournee: Severin Freund- angestachelt von Erfolgen.

Severin Freund- angestachelt von Erfolgen.

(Foto: AP)

Der zweite Platz bei der Vierschanzentournee hebt Severin Freunds Selbstvertrauen auf ein neues Niveau. Auch der Bundestrainer glaubt, dass er den Rückstand auf Sieger Prevc bald aufholt.

Von Matthias Schmid, Bischofshofen

Peter Prevc wandte dem goldenen Adler achtlos den Rücken zu. Er interessierte sich nicht für das Tier, womöglich war er sogar ganz froh, dass er es nicht mehr herumtragen musste. Der Vogel mit einer beachtlichen Flügelspannweite von einem halben Meter ist schwer. Zwanzig Kilo wiegt die Trophäe, die der Sieger der 64. Vierschanzentournee neben einem hübschen Preisgeld erhält. Vielleicht zu schwer für einen leichtgewichtigen Skispringer wie den 23-Jährigen aus Slowenien.

Prevc ließ den goldenen Adler nach der Pressekonferenz also einfach auf dem Tisch stehen, er drehte sich nicht mal sehnsüchtig zu ihm um, als er sich in die Ecke zu ein paar wartenden Journalisten begab. Dabei symbolisiert diese Skulptur den größten Erfolg seiner noch jungen Karriere. Nach etlichen Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften, nach zwölf Siegen im Weltcup hatte er Mittwochabend in Bischofshofen seinen ersten großen Titel geholt. "Er bedeutet mir sehr viel, weil ich endlich gezeigt habe, dass ich auch wichtige Pokale gewinnen kann", sagte Prevc.

Severin Freund, der Zweite der Tageswertung und des Gesamtklassements, hatte zu diesem Zeitpunkt den Raum schon verlassen. Aber es ist der deutsche Springer vom WSV-DJK Rastbüchl, der einen erheblichen Anteil daran hat, dass Prevc ein Großereignis erstmals als Gewinner beenden konnte. Freund und Prevc sind Rivalen, die in diesen Tagen das Skispringen dominieren und auf ein selten dagewesenes Niveau heben. Ihr intensiver Zweikampf motiviert und inspiriert sie, sie stacheln sich gegenseitig zu Höchstleistungen an, sie fordern sehr viel vom jeweils anderen und fördern so die Qualität ihrer Sprünge.

Das war in Bischofshofen, beim letzten Stopp der Vierschanzentournee, wieder zu erkennen. Als der 27-jährige Freund im Finaldurchgang auf die Tageshöchstweite von 141 Metern flog, sprang Prevc einfach noch einmal eineinhalb Meter weiter - nur ein halber Meter fehlte ihm zu dem elf Jahre alten Schanzenrekord des Japaners Daiki Ito. "Mich mit Severin messen zu können, macht mich stärker", sagt Prevc anerkennend. Wie weit sich die beiden von ihren übrigen Konkurrenten schon entfernt haben, fasste Vorjahressieger Stefan Kraft treffend zusammen: "Wir alle müssen jetzt schauen, dass wir dahinkommen, wo die beiden sind."

Die beiden führen den Gesamtweltcup deutlich an, Prevc und Freund haben neun der bisher elf Wettbewerbe in dieser Saison gewonnen. Sechsmal stand dabei allein der Slowene aus Dolenja vas ganz oben auf dem Treppchen. "Peter ist im Moment ein Stück besser als ich", gibt Freund freimütig zu. Der deutsche Bundestrainer Werner Schuster kann den Leistungsstand sogar in Metern umrechnen. "Ein, zwei Meter", erklärt der Österreicher, sei Prevc im Moment noch voraus. Vor der Tournee sei der Unterschied noch viel größer gewesen. "Severin hat den Abstand verringert und es wird bei den nächsten Wettkämpfen weiter Druck auf Peter machen. Es wird dann spannend zu sehen sein, ob er dann auch mal den einen oder anderen Fehler begeht", bekennt Schuster.

Prevc hadert mit Hannawalds Rekord

Vor allem im zweiten Flugdrittel kann er bei Prevc noch minimale Vorteile gegenüber seinem Springer erkennen. "Er ist da noch näher am Ski als Severin, er springt sauberer", sagt Schuster. Beim Absprung hätten sie die gleiche Höhe. Es sind nur noch Nuancen, die die beiden voneinander trennen, sie sind nur für das geschulte Auge des Fachmanns zu erkennen.

Aus diesem Grund gab sich auch Severin Freund nach der Vierschanzentournee und seinem zweiten Platz ziemlich aufgeräumt. Sogar angriffslustig für seine sonst eher zurückhaltende Art. "Peter ist nicht unschlagbar", sagte Freund also, "ich kann von hier sehr viel mitnehmen und weiß jetzt, dass ich hier eines Tages auch ganz oben stehen kann." Der Niederbayer war mit sich im Reinen, weil er erstmals nicht erklären musste, warum er wieder einen dieser unerklärlichen Leistungsabstürze bei der Tour erlebt hat. "Das ist ein schönes Gefühl und auch eine große Genugtuung für mich."

Freund war nie schlechter platziert als Rang drei, er gewann sogar das Auftaktspringen in Oberstdorf. In den vergangenen Jahren hätte eine ähnlich formidable Serie für den Gesamtsieg gereicht. Diesmal nicht, weil Prevc auf höchstem Niveau noch beständiger sprang - und ohne eine einzige Schwäche blieb. Freund fand deshalb auch keinen Grund, sich darüber grämen zu müssen, im Gegenteil. "Im Moment sieht es nach einem gefestigten Bild aus", hob er hervor, "aber ich werde jeden Tag nutzen, um auf der Schanze weiterzukommen. Die Saison ist noch lang und die Ergebnisse werden bald wieder andere sein." Auch Bundestrainer Werner Schuster denkt nicht daran, die Leistung von Prevc verklären zu wollen. "Wir haben in der letzten Saison gezeigt, dass wir den Spieß umdrehen können." Da gewann Freund den Gesamtweltcup erst nach dem letzten Springen - vor Prevc.

In Willingen wird sich das Duell am kommenden Wochenende schon wieder fortsetzen. Vielleicht wird dann Freund die fehlenden ein, zwei Meter zur Glückseligkeit aufgeholt haben. Es könnte sein, dass Peter Prevc mental noch nicht wieder ganz bei sich ist, nicht in diesem Tunnel, in diesem Flow der Tournee. Er haderte nämlich ein bisschen nach dem Gesamtsieg. "Warum sind es nicht vier?", hatte er sich in Bischofshofen plötzlich gefragt. Warum hat er nicht alle vier Springen gewonnen, wie einst Sven Hannawald im Winter 2001/2002?

Severin Freund lächelte, als er die historische Dimension vernahm, genauso wie bei der Frage an Peter Prevc, ob schon bald eine Küche oder ein Sessel nach ihm benannt werde. Prevc' Eltern haben ein Möbelgeschäft. Zumindest ein schöner Schrank für den goldenen Adler wird sich da finden lassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: