Vierschanzentournee in Innsbruck:Die Schanze, auf der die Besten scheitern und Außenseiter siegen

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Oft fiel hier die Entscheidung: Die Skisprungschanze am Innsbrucker Bergisel fordert die Athleten auf ganz spezielle Weise. (Foto: Daniel Schoenherr/Gepa/Imago)

Die meisten Skispringer freuen sich auf die spezielle, schwierige Innsbrucker Schanze. Auch in diesem Jahr könnte sich das Tableau im dritten Springen der Tournee noch einmal durchmischen.

Von Volker Kreisl, Innsbruck

Jede Schanze hat ihre Besonderheiten; viele sind unbequem, der Athlet fühlt sich irgendwie nicht wohl, aber er kann dies durchaus ausgleichen. Denn es soll ja gerecht zugehen in so einer Sportart, die sich am Rande der Extreme bewegt. Jedoch nun, nachdem der Tross des Spektakels am Bergisel in Innsbruck eingetroffen ist, geht es erst richtig los.

Die Skispringer der Vierschanzentournee kommen jetzt in eine Phase, in der sie vor einer neuen Herausforderung stehen. Diese ist fast so unlösbar, dass man fast nur noch den lieben Gott anflehen kann, damit er mitspielt, was aber nichts bringen dürfte, weil ja alle Konkurrenten, die halbwegs gut abschneiden wollen, auch Stoßgebete abschicken. Und auf so etwas wird sich der Himmel sicher nicht einlassen.

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Die Vierschanzentournee bleibt auch in Garmisch-Partenkirchen fest in der Hand der Österreicher: Daniel Tschofenig gewinnt und übernimmt die Führung in der Gesamtwertung. Pius Paschke hat nach seinem neunten Platz kaum noch Chancen auf den Tourneesieg.

Von Volker Kreisl

Wenn alles wie gewohnt verläuft im dritten Springen der Vierschanzentournee, dann wird auf dieser Bergisel-Schanze erst einmal vieles durchgemischt, was natürlich auch das Tableau der besten Zehn betrifft. Jeder, der sich noch Chancen auf den Gesamtsieg ausrechnet oder wenigstens einen Platz unter den besten Drei, vielleicht wenigstens unter den besten Zehn, der kann hier seinem Trainer oder auch Sponsor beweisen, dass er starke Nerven hat und man auf seinen Fleiß bauen kann.

Dieser Bakken mit seinem Turm ist nicht nur eitel, sondern auch gefährlich

Die Tournee hat also von Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen nach Tirol übergesetzt. Und egal ob aus Garmisch oder aus Kufstein, dem Süden oder dem Westen aus Arlberg, irgendwann kommt sie dem Anreisenden ins Blickfeld, schön und außergewöhnlich. Eine Schanze, die mehr ist als nur ein Stück Beton, mehr als eine Sportanlage. Dieser Bakken mit seinem Turm ist nicht nur eitel, sondern auch gefährlich, weswegen der Spitzname Kobra seine Berechtigung hat. Kobra auch deshalb, weil das Ende dieses Schanzenturms einen Kopf hat wie den einer Kobra, wie viele finden. Weitere Spitznamen: Stöckelschuh (weil sie so aussieht, mit dem schrägen, unten freien Anlaufsteg), oder auch nur „Turm“ oder „Steg“.

Auch die österreichischen Springer werden ihren Respekt vor dieser Schanze haben, was die Älteren wie Stefan Kraft sicherlich beherzigen. Anders könnte es bei Daniel Tschofenig aussehen. Er ist erst 22 Jahre alt, hat am Neujahrstag die zweite Tournee-Etappe gewonnen, und er ist wie alle jungen Springer vernünftig, feiert erst nach dem letzten Tagessprung. Jedoch, er wäre nicht der erste Springer oder Vierschanzen-Tagessieger, dem unterbewusst doch der Übermut dazwischenspringt.

Jeden von den Besten könnte es am Bergisel wieder nach vorne wehen in der Gesamtwertung – den Schweizer Gregor Deschwanden etwa, den Norweger Daniel André Forfang und immer auch noch den Deutschen Pius Paschke. Der hat seinen riesigen Weltcupvorsprung und seine Siegerform von vor einigen Wochen bis zur Tournee zwar mittlerweile verloren. Ihm könnte aber zumindest wieder eine Verbesserung von nun Gesamtrang sechs auf einen vorderen Platz gelingen, wenn er seine Aufgabe auf dieser tückischen Schanze auf besonnene und respektvolle Weise angeht.

Der Oberstdorfer Karl Geiger ist in Innsbruck oft gescheitert, auch ihm liegt diese Schanze weniger, und er kennt auch das Problem: Er weiß, dass man hier noch schneller in die Flughaltung kommen muss. Denn sonst bremst das System, und der Flieger hat auf dem kurzen Hang keine Chance mehr, noch zu beschleunigen. Geiger, der auf den aktuellen ersten beiden Tournee-Springen gerade wieder zu seiner Form gefunden hat und sich wohl auf Innsbruck und Bischofshofen freut, er hat seine Erfahrungen gemacht. Einmal hat er über diese schwierige wie elegante Schanze gesagt: „Wenn du nicht aufpasst, dann saugt es dich auf den Hang.“ Wenn einen nicht eine der vielen Windböen erwischt hat, für die Innsbruck ebenfalls bekannt ist. 2008 und 2022 fiel das Springen sogar aus, die Bischofshofener trugen seinerzeit jeweils zwei Springen aus, die Dreischanzentournee war geboren.

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Auslauf mit Gegenhang: Hier müssen sich die Springer wirklich bis zum Ende konzentrieren

Die Anlage in Innsbruck ist für die meisten eine Problemschanze. Überall sind Fallstricke, an denen die langen Latten der Springer hängen bleiben könnten. Und natürlich fängt es ganz oben an. Der Springer geht in die Hocke und taxiert die richtige Höhe des Mittelbereichs seines Körpers, damit er möglichst viel Tempo aufnehmen kann. Wenn er schlecht gewachste Skier hat oder einfach nicht aufpasst und zu langsam ist, kann alles schon vorbei sein. Auch der Punkt, auf dem er abspringen muss, die wenigen Zentimeter, sind schwieriger zu treffen als woanders.

Und dann hat der Springer es immer noch nicht hinter sich. Denn er kann unten, nach dem Aufsprung, nicht einfach nur weitergleiten und ein bisschen nach rechts und nach links bremsen und irgendwo seine Skier abschnallen, sie auf die Schulter nehmen und sich dann trollen – nein, das funktioniert nicht. Innsbruck ist die wohl einzige Skisprungschanze auf Weltcupniveau zusammen mit denen in Trondheim und Oslo, wo den Springer, wenn er aufgekommen ist, noch eine Zusatzaufgabe erwartet.

Oslo, Trondheim und eben auch Innsbruck haben einen sogenannten tückischen Gegenhang. Der Tournee-Zweite von 2015/16 und Gesamtweltcupsieger von 2014/15, Severin Freund, ist dort einmal zurückgerutscht und hat sich wehgetan, Richard Freitag verspielte bei einem Sturz seine Chancen auf den Gesamtsieg, allerdings kurz nach der Landung. Skispringen fordert längst in jeder Sekunde komplette Konzentration, beim Anlauf, im Fliegen, beim Landen – umso mehr hier, auf dem Schicksalsberg Tirols, wo man sich noch im Auslauf verletzen kann.

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