VfL Wolfsburg:Tiefschläge in den Wolfsburger Magen

Hamburger SV - VfL Wolfsburg

Mario Gomez ist der beste Wolfsburger dieser Saison - aber reicht ein guter Profi?

(Foto: dpa)
  • Beim VfL Wolfsburg löst das Abrutschen in die Relegation große Bedenken aus.
  • Beim 1:2 in Hamburg verspielt das Team den sicher geglaubten 15. Tabellenplatz.
  • Fragwürdig ist wieder einmal, wie das Team nach guter erster Hälfte so einbrechen konnte.

Von Frank Hellmann, Hamburg

Es war ein bezeichnendes Bild im Erdgeschoss des Hamburger Tollhauses, dass es zwei Ordner brauchte, um Francisco Javier Garcia Sanz den Abgang zu ermöglichen. Der gebürtige Madrilene, der in Personalunion Aufsichtsratschef der VfL Wolfsburg Fußball GmbH und Vorstandsmitglied der Volkswagen, wollte partout keinen Kommentar abgeben zu der 1:2-Niederlage beim Hamburger SV, die nicht nur den Bundesligaprofis des VfL schwer zusetzte. Sondern einem ohnehin kriselnden Standort gleich mit zu schaffen machte.

Auch der von unbequemen Journalistenfragen beschützte Sanz, Topmanager mit großer Fußballaffinität, wirkte wie einer, der einen späten Schlag in der Magengrube erlitten hatte. Später stellte sich Wolfgang Hotze, der altgediente VfL-Geschäftsführer, um sich zur allgemeinen Wolfsburger Gemütslage zu äußern. "Das ist ein Tiefschlag für Spieler und Funktionäre", sagte er. So hatte es auch ausgesehen, als mit Schlusspfiff die VfL-Kicker wie vom Blitz getroffen auf den Rasen sackten. Paul-Georges Ntep zog das Trikot über den Kopf, Philipp Wollscheid tippte sich an die Stirn, Mario Gomez suchte auf der Ersatzbank seinen Platz.

"Wenn wir das Herz mehr in die Hand nehmen und einfach Fußball spielen wie wir es gelernt haben, dann musst du in der zweiten Halbzeit drei oder vier Tore machen. Wir haben es als Mannschaft nicht geschafft. Jetzt haben wir eine Extra-Runde", sagte der Nationalspieler. Der 31-Jährige hatte am Mittwoch eigentlich von Bundestrainer Joachim Löw einen langen Sommerurlaub erhalten und muss nun erstmals in seiner Karriere Entscheidungsspiele gegen den Abstieg bestreiten.

Auch Jonkers Aufstellung trägt Schuld an der Niederlage

Denn statt der Rettung, die ein 1:1-Remis gebrachte hätte, stürzte das sicherlich nur bedingt gerechte Endresultat im Volksparkstadion den Werksklub auf den Relegationsrang, so dass es mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit zu zwei hochbrisanten Nachbarderbys gegen Eintracht Braunschweig kommt. "Es ist nicht das, was wir uns erhofft haben", sagte Sportchef Olaf Rebbe sichtlich betroffen, "wir hätten das gerne heute klar gemacht. Hinten heraus haben wir das Spiel aus der Hand gegeben."

Warum die Wolfsburger, die 80 Minuten Spiel und Gegner weitgehend kontrolliert hatten, in der Schlussphase in eine Passivität verfielen wie ein Werksangestellter, der in der letzten halben Stunde der Nachtschicht nur noch den Feierabend herbeisehnt, konnte so richtig niemand erklären. Manager-Novize Rebbe wollte die Mentalitätsfrage, die seit langem die Debatten am Mittellandkanal beherrscht, nicht stellen. "Erste Halbzeit war die Mentalität in Ordnung."

Da hatte Verteidiger Robin Knoche den Gast per Kopfball in Führung gebracht (23.), ehe Filip Kostic nach schwerem Wollscheid-Fehler ausglich (32.). "Ein individueller Fehler, wie er im Spitzenfußball passieren kann", sagte VfL-Coach Andries Jonker. Vielleicht urteilte der niederländische Fußballlehrer über den Aussetzer der England-Leihgabe deshalb so milde, weil er selber Anteil am Ausgang eines Spiels trug.

"Es ist unglaublich, dass wir auf Platz 16 stehen"

Jonkers Maßnahmen, mit Vieirinha und Victor Osimhen die rechte Seite für den Endspurt mit ausnahmslos offensiv ausgerichteten Akteuren zu besetzen - und dafür den verlässlichen Sebastian Jung auszuwechseln und Christian Träsch nicht einzuwechseln, war ein Fehler.

Just über diese Seite schlug ungestört Kostic kurz vor Schluss jene Maßflanke, in deren Anschluss Matchwinner Luca Waldschmidt den VfL-Linksverteidiger Yannick Gerhardt übersprang. Rebbe wollte Jonkers Verantwortung nicht thematisieren: "Diese Fragen müssen dem Trainer gestellt werden." Der wiederum flüchtete sich in der Feststellung, sein Ensemble sei eine der besten Mannschaften der Bundesliga, wenn es Ordnung und Kampfgeist verbinde. "Es ist unglaublich, dass wir auf Platz 16 stehen."

Gleichwohl: Böse Mächte haben die "Wölfe" dort nicht hingeführt; es sind Aussetzer wie beim 1:2, die zum Ist-Zustand geführt haben und die generöse Unterstützung des Autobauers konterkarieren. "In der Szene schlafen wir einfach. Wir müssen das analysieren, aber dann müssen morgen die Köpfe wieder hochgehen", erklärte Knoche, den als gebürtigen Braunschweiger vermutlich ganz besondere Entscheidungsspiele anstehen. Das VfL-Eigengewächs erzählte auch, dass in der Kabine fast alle Spieler zu Boden geschaut hätten, "da ist keiner, der das so einfach wegsteckt." Hotze, der eigentlich zur Aufmunterung in die Umkleide wollte, sagte: "In der Kabine wurde mehr geschwiegen als gesprochen."

Weil vermutlich allen Protagonisten dämmert: Nun muss von allen zuletzt für Platz 16 gehandelten Kandidaten jenes Aufgebot nachsitzen, dass am wenigsten für den Abstiegskampf gemacht ist.

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