VfL Wolfsburg:Rathausverbot wegen Relegation

Für die Wolfsburger Frauen fällt die Pokal-Party aus, weil die Männer noch um die Rettung kämpfen.

Von Ulrich Hartmann

Die Fußballfrauen vom VfL Wolfsburg mussten sich am Wochenende vom eigenen Verein demütigen lassen, weil sie selbst zwar sehr erfolgreich, die Bundesliga-Männer aber so ziemlich das Gegenteil davon sind. Weil die Fußballer an diesem Montagabend in Braunschweig noch um den Klassenerhalt spielen, hat der Klub sein Frauenteam gewissermaßen in Kollektivhaft genommen - und die Ehrung der Double-Gewinnerinnen beim Wolfsburger Bürgermeister auf dem Rathausplatz abgesagt.

In einer offiziellen Mitteilung hatte es schon vor dem Pokal-Endspiel geheißen: "Der gesamte VfL fokussiert sich natürlich komplett auf die Relegation, weshalb die Party für die Frauen erst zum Start der kommenden Saison stattfinden wird." Die so um ihre Feierlichkeiten gebrachten Spielerinnen und ihr Trainer Ralf Kellermann haben sich nach dem 2:1-Sieg im Pokalfinale von Köln gegen den SC Sand mit Kritik zurückgehalten. "Ich könnte mich jetzt nur um Kopf und Kragen reden", sagte die Torhüterin Almuth Schult, gab aber zu: "Verstehen muss man die Entscheidung nicht." Es wird bei der geplanten Ehrung im September knapp vier Monate her sein, dass die Wolfsburgerinnen Meistertitel und Pokal gewonnen haben.

Das Spiel gegen Braunschweig schauen sie in der Kabine

Die Spielerinnen waren nach ihrem dritten Pokaltriumph in Serie am Samstag in Köln aber nicht auf Krawall gebürstet. "Wichtig ist jetzt, in den Zusammenhalt zu gehen", sagte die Angreiferin Alexandra Popp, "wir müssen unseren Fußballern signalisieren, dass wir ihnen beistehen." Am Samstagabend feierten sie ihren hart erkämpften Sieg gegen den badischen Dorfklub ausgelassen im Kölner Hotel, am Sonntag fuhren sie gemütlich mit dem Bus nach Hause. Und an diesem Montagabend wollen sie sich in der Kabine ihres kleinen Stadions, nur einen Steinwurf von der großen Volkswagen-Arena entfernt, alle zusammen das Relegationsspiel der Männer in Braunschweig ansehen. "Hinterher haben dann sicher alle was zu feiern", sagt der Trainer Ralf Kellermann, der sich nach acht Jahren in Doppelfunktion nun auf den Posten des Sportdirektors konzentriert und seinen Assistenten Stephan Lersch zum neuen Cheftrainer macht.

SC Sand v VfL Wolfsburg - Women's DFB Cup Final 2017

Routine im Finale: Drei Mal in Folge durften die VfL-Frauen den Pokal stemmen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Neun Titel binnen fünf Jahren haben die Frauen mit Kellermann gewonnen: vier Mal den Pokal, drei Mal die Meisterschaft, zwei Mal die Champions League. 2013 gelang das Triple, 2014 das Double aus Meisterschaft und Champions League, nun das Double aus Meisterschaft und Pokal. Die Wolfsburgerinnen bilden in Sachen Titel seit fünf Jahren die erfolgreichste Fußballmannschaft Deutschlands.

Nach den Querelen spielt Wolfsburg im Finale schwach

"In ansonsten schwierigen VfL-Zeiten ist auf die Frauen Verlass", lobt der Geschäftsführer Tim Schumacher, "es ist beeindruckend, mit welcher Konstanz sie Titel gewinnen." Am Sonntag die Ehrung im Rathaus zu erlauben, um in der Krise des Männerteams das Positive im Klub herauszukehren, war fürs Management aber wohl keine Option.

Mancher skeptische Beobachter interpretierte in eine recht schwache Final-Leistung der Wolfsburgerinnen auch Ärger über diese vereinsinternen Querelen hinein. "Wir haben eines der schlechtesten Spiele der ganzen Saison gezeigt", sagte die schwedische Kapitänin Nilla Fischer. Es dauerte 65 Minute, ehe die dänische Angreiferin Pernille Harder den Triumph mit zwei Kopfballtreffern binnen zehn Minuten sicherte. Alexandra Popp brachte den Sieg mit ihrem Platzverweis sogar noch einmal in Gefahr. Sie hatte sich an die Stirn getippt und der Schiedsrichterin Ines Appelmann so ihre Unzufriedenheit über eine gelbe Karte signalisiert. Nach eigenem Bekenntnis randalierte sie in der Kabine gerade, als die zukünftige FC-Bayern-Stürmerin Jovana Damnjanovic für Sand den Anschlusstreffer erzielte. Doch am Ende brachten die Wolfsburgerinnen gegen Sand, die schon im Jahr zuvor Finalgegner waren, den 2:1-Sieg nach Hause.

Hattrick für den Werksklub aus Wolfsburg: Alle Pokal-Endspiele der Frauen seit 1995

1995 FSV Frankfurt - TSV Siegen 3:1 (1:1)

1996 FSV Frankfurt - SC Klinge-Seckach 2:1 (1:1)

1997 GW Brauweiler - FFC Heike Rheine 3:1 (1:0)

1998 FCR Duisburg - FSV Frankfurt 6:2 (4:1)

1999 1. FFC Frankfurt - FCR Duisburg 1:0 (0:0)

2000 1. FFC Frankfurt - SF Siegen 2:1 (0:0)

2001 1. FFC Frankfurt - Flaesheim-Hillen 2:1 (0:1)

2002 1. FFC Frankfurt - Hamburger SV 5:0 (2:0)

2003 1. FFC Frankfurt - FCR Duisburg 1:0 (0:0)

2004 Turbine Potsdam - 1. FFC Frankfurt 3:0 (1:0)

2005 Turbine Potsdam - 1. FFC Frankfurt 3:0 (2:0)

2006 Turbine Potsdam - 1. FFC Frankfurt 2:0 (0:0)

2007 Frankfurt - FCR Duisburg i.E. 4:1 (1:1, 1:1)

2008 1. FFC Frankfurt - 1. FC Saarbrücken 5:1 (1:1)

2009 FCR Duisburg - Turbine Potsdam 7:0 (2:0)

2010 FCR Duisburg - USV Jena 1:0 (0:0)

2011 1. FFC Frankfurt - Turbine Potsdam 2:1 (1:1)

2012 Bayern München - 1. FFC Frankfurt 2:0 (0:0)

2013 VfL Wolfsburg - Turbine Potsdam 3:2 (1:0)

2014 1. FFC Frankfurt - SGS Essen 3:0 (3:0)

2015 VfL Wolfsburg - Turbine Potsdam 3:0 (1:0)

2016 VfL Wolfsburg - SC Sand 2:1 (1:1)

2017 VfL Wolfsburg - SC Sand 2:1 (0:0)

"Vielen Dank, Trainer", stand auf einem Transparent, das die Spielerinnen nach Spielschluss für Kellermann hochhielten. Doch so einfach kam er nicht davon. In der Kabine warfen sie ihn ins Entmüdungsbecken.

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