Süddeutsche Zeitung

VfL Wolfsburg:Neuer Lehrplan - und "a bisserl Glück"

Der neue Trainer Oliver Glasner erlebt ein starkes Debüt gegen den 1. FC Köln - VfL-Manager Jörg Schmadtke erlebt hingegen Bedrückendes.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Auch Xaver Schlager, 21, ist neu in der deutschen Fußball-Bundesliga, der österreichische Mittelfeldspieler wechselte aus Salzburg zum VfL Wolfsburg. Er fühle sich wohl in der neuen Heimat, beteuerte er nach dem 2:1-Auftaktsieg seiner neuen Mannschaft gegen den Aufsteiger 1. FC Köln, auch wenn "das Umfeld, wie soll i' sog'n, a bisserl flacher ist", scherzte der aus der Bergen nach Niedersachsen Umgezogene - eine Erkenntnis, die ihn nicht wirklich überrascht hat. Perplex wirkte Schlager hingegen, als auch Erkundigungen darüber eingeholt wurden, ob seine Oma in Salzburg, die nun bei Heimreisen an freien Tagen mit einem Schweinsbraten auf ihn wartet ("hab' ich bestellt"), auch ein Pay-TV-Abo abschließen konnte, um den weiteren Werdegang des begabten Enkels in der Bundesliga zu verfolgen. Was für eine Frage, na klar, antwortete Schlager: "Also am Mars leben wir ja nicht."

Fußballerisch gilt das für Österreich schon mal gar nicht, wie immer deutlicher zu erkennen ist. Schon in der vergangenen Saison sorgte der frühere Salzburg-Trainer Adi Hütter in Frankfurt für Furore, nun wirkt in Wolfsburg ein Landsmann: Oliver Glasner, 44. Und wenn man die Ouvertüre der Wolfsburger richtig deutet, darf man sich beim VfL auf eine interessante Saison einstellen. Denn unter Glasner, der vom Linzer ASK gekommen ist, scheint in der Autostadt ein Autorenteam heranzuwachsen, das sich vom Vorgängermodell, das der Trainer Bruno Labbadia designt hatte, deutlich unterscheidet. "Man hat klar gesehen, was der Trainer auf die Mannschaft übertragen möchte", sagte Wolfsburgs Sportdirektor Marcel Schäfer, 35.

Bei den Toren, die zum VfL-Sieg führten, war auch ein wenig Fortüne im Spiel. Den Ball volley so perfekt aus 18 Metern mit dem Außenrist zu treffen wie es Maximilian Arnold beim frühen 1:0 tat (16.), geschieht nicht alle Tage. Und Xaver Schlager, der als giftiger, arbeitsamer Mittelfeldspieler auffiel, widersprach später aufrichtig der These, dass das 2:0 (60.) durch Wout Weghorst ein perfektes Beispiel für die neuen Pressing-Vorgaben des Trainers Glasner gewesen sei: "Lehrbuch war's ned, da war scho' a Pressschlag dabei und a bisserl Glück", sagte Schlager zu der Szene, in der er den Ball erobert und dann mit einem intelligenten Pass den Mittelstürmer Weghorst in Szene gesetzt hatte.

Für ein erstes Saisonspiel durchaus beeindruckend war die Sicherheit, mit der sich der VfL bereits im neuen 3-4-3-System bewegte. Und zwar gegen einen wirklich "sehr ambitionierten und schwer zu bespielenden Gegner", wie Glasner über den FC sagte, der in der Nachspielzeit durch Simon Terodde zum 1:2 kam - und nach Schlusspfiff mit dem Schiedsrichter haderte: "Wir müssen einen klaren Elfmeter kriegen", klagte Kölns Trainer Achim Beierlorzer, 51, über jene Szene, in der Wolfsburgs Abwehrchef Josuha Guilavogui den FC-Stürmer Dominick Drexler im Strafraum straffrei zu Fall gebracht hatte (32.).

Jenseits dessen war eine Wolfsburger Mannschaft zu sehen, die dominant sein will - ohne Ballbesitz als Selbstzweck anzustreben. Man lauere mehr und sei auf Ballgewinne aus, um schnell umzuschalten, bestätigte Schlager. Ins Auge stach zudem, mit welcher Bestimmtheit Glasner seine Außenbahnspieler William (rechts) und Roussillon (links) in die Offensive dirigierte: Sie sollten "mutiger nach vorne verteidigen", sagte auch der Trainer, "vieles ist eine Frage des Mutes, der Laufbereitschaft und der Aggressivität. Dass die Jungs das physisch draufhaben, haben sie in der zweiten Halbzeit gezeigt", lobte Glasner. Manager Jörg Schmadtke wiederum lobte den neuen Trainer dafür, wie er den Spielern "die Dinge auch tief erklärt", und ihnen aufzeige, "warum sie bestimmte Handlungsmuster an den Tag legen müssen".

Bedrückend fand Schmadtke dagegen die Schmährufe, die er am Samstag aus dem Kölner Fan-Block ertragen musste - sorgfältig von den Ultras inszeniert. Schmadtke hatte von 2013 bis 2017 in Köln die Regie geführt, den Klub bis nach Europa geführt, dann aber im Herbst der Abstiegssaison 2017/18 völlig überraschend sein Amt niedergelegt. Am Samstag musste er von den FC-Anhängern Beschimpfungen und, wie er selbst betonte, "Unwahrheiten" ertragen, die teilweise unter die Gürtellinie gegangen und "ehrabschneidend" gewesen seien, so Schmadtke am Sonntag in der TV-Sendung Doppelpass.

Zu den Schmähungen aus dem Gästeblock gehörte auch der Vorwurf, dass Jörg Schmadtke bei seinem Abschied eine hohe, vertraglich fixierte Abfindung kassiert hatte ("Schmadtke, du Betrüger, nimmst drei Millionen und haust ab"). Schmadtke dankte am Sonntag seinem früheren FC-Geschäftsführerkollegen Alex Wehrle dafür, dass jener für diese Gesänge sofort um Entschuldigung gebeten hatte. Andere Kölner Verantwortliche hingegen hätten geschwiegen - und das sei für ihn "viel mehr ein Stachel als diese Gesänge". Der enttäuschte Schmadtke erwägt nun sogar einen Vereinsaustritt beim 1.FC Köln: "Ich bin lebenslanges Mitglied - mal gucken, wie lange noch ..."

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SZ vom 19.08.2019
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