VfL Wolfsburg:Euphorie vorm Endspurt

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Nutzte seine Freiräume: Josip Brekalo erzielte gegen Union drei Tore. (Foto: Maja Hitij/Getty Images)

Dank eines Hattricks von Josip Brekalo besiegt Wolfsburg Union Berlin mit 3:0 - und liefert vor dem schweren Schlussprogramm gegen Leipzig und Mainz eine der besten Saisonleistungen ab. Bei Trainer Glasner verdichten sich dennoch die Zeichen für einen Abschied.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Wer sich einen Begriff davon machen wollte, wie bemerkenswert die Leistung des VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Union Berlin gewesen war, der musste sich nur vor Augen führen, wie nebensächlich der Matchwinner war. "Matchwinner": So hatte VfL-Trainer Oliver Glasner den kroatischen Stürmer Josip Brekalo genannt, und das war vollkommen gerechtfertigt. Brekalo, 22, hatte in seinem 100. Spiel für die Wolfsburger nicht weniger als alle drei Tore geschossen, darunter einen Treffer, von dem er noch in vielen, vielen Jahren erzählen wird: Aus 20 Metern schlenzte er den Ball zur Führung in den rechten oberen Winkel. Glasner wollte Brekalo nicht die Rolle des Protagonisten rauben, aber es war die Mannschaftsleistung, die ihn berührt hatte, und auch das völlig zurecht: "Es war ein toller Auftritt", sagte der Österreicher.

Seit 2019 ist er in Wolfsburg, und es hat nur selten Situationen gegeben, in denen er derart enthusiastisch über die eigene Mannschaft sprach. Wenn man so will, wohnte alledem die mitunter tragische Ironie inne, die das Schicksal mit sich bringt. "Ich weiß nicht, wann Wolfsburg letztmals mehr als 60 Punkte geholt hat", klopfte sich Glasner dezent auf die Brust, denn womöglich wusste er es doch: In der Saison 2014/15 war das, als sich die Niedersachsen letztmals für die Champions League qualifizierten und in der folgenden Saison in akute Abstiegsgefahr gerieten.

Aber die Resultate sind das eine. Vielmehr freut es Glasner, dass sein Team die Form erreicht, die er ihm geben wollte. Gegen einen der unangenehmsten und anspruchsvollsten Gegner der Liga setzte seine Mannschaft alles um, was ihr auf den Weg gegeben worden war. Ausgerechnet jetzt, da sich die Zeichen des Abschieds verdichten.

Glasner möchte weiterhin nicht über seine Zukunft sprechen

Zuletzt war Glasner reichlich genervt von den vielen Gerüchten und den mal mehr und mal weniger realistischen Spekulationen über bevorstehende Engagements in Mönchengladbach, Leipzig und Salzburg. Diese blühen ja nicht zuletzt deswegen auf, weil er sich mit VfL-Manager Jörg Schmadtke nicht ganz so gut versteht, aktuell ist Glasner bei Eintracht Frankfurt als Nachfolger seines österreichischen Landsmanns Adi Hütter im Gespräch.

Am Samstag nun, nach dem 3:0 gegen Union, schlug Glasner in der Pressekonferenz gleich zwei Mal die Einladung aus, einen möglichen Wunsch nach einer Fortsetzung seiner Arbeit öffentlich zu hinterlegen, sein Vertrag läuft bis 2022. "Jetzt nach diesem tollen Spiel habt ihr mich gerade so euphorisch erlebt. Und jetzt kommt so ein Stimmungsbrecher...", stöhnte er auf, als er am Samstag gefragt wurde, ob er denn nicht Klarheit darüber schaffen wolle, wo es in der kommenden Saison für ihn weitergeht. "Die Spieler haben heute verdient, im Mittelpunkt zu stehen und nicht ich", erklärte Glasner.

Wolfsburg hat die unangenehmen Berliner komplett im Griff

Das galt vor allem, aber beileibe nicht nur für Brekalo, der so hochbegabt ist, dass ihn Top-Klubs wie Milan, Liverpool und Atlético Madrid auf dem Zettel haben sollen. Das verwundert nicht, viele Fummler wie ihn gibt es nicht mehr. Nun fiel er auch noch als Vollstrecker auf, mit drei Toren, nachdem er in zuvor 27 Saisoneinsätzen lediglich vier Treffer erzielt hatte. "Josip war immer im torgefährlichen Raum, da kam seine Abschlussqualität zum Tragen", sagte Glasner. Aber was ihn wirklich freute, war die Variabilität im Spiel seiner Mannschaft, die sich über 90 Minuten erstreckte und dazu führte, dass Wolfsburg "bis auf drei, vier Minuten nach der Pause, als Union ein bisschen aufkam", das Spiel komplett im Griff hatte, wie sich Mittelfeldspieler Maximilian Arnold freute.

Bittschön, der Herr: Wolfsburgs Maxence Lacroix (rechts) überreicht den Spielball an den dreifachen Torschützen Josip Brekalo. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Mal erspielten sich die Wolfsburger Chancen aus einem Ballgewinn in Nähe des gegnerischen Strafraums, mal führte der eigene, intelligent langgezogene Ballbesitz zu Gelegenheiten. Sie zeigten 90 Minuten lang ein gutes Positionsspiel, und sie waren defensiv auf der Hut - sowohl bei Konterchancen als auch bei Standardsituationen. "Heute gibt es von meiner Seite aus wirklich gar nichts auszusetzen", sagte Glasner.

Arnold hofft auf einen Leipziger Pokalsieg

Das unmittelbare Resultat: Nach nur drei Punkten aus den vergangenen vier Partien (Sieg gegen Stuttgart, Niederlagen gegen Frankfurt, Bayern und Dortmund) verteidigte Wolfsburg immerhin den dritten Platz. Die Champions League winkt zum ersten Mal seit fünf Jahren.

"Wir haben alles in der eigenen Hand. Wir sind jetzt super dran", freute sich Brekalo. Aber: Der Vorsprung auf die Verfolger ist dünn, und die verbleibenden Spiele sind alles andere als Selbstläufer. Vor dem Finish gegen Mainz 05 muss Wolfsburg am kommenden Sonntag zu den Leipzigern reisen, die unmittelbar zuvor, am Donnerstag, in Berlin das Pokalfinale gegen Borussia Dortmund bestreiten. Maximilian Arnold baut darauf, dass die Leipziger den Cup gewinnen. "Es wäre schon ganz gut, wenn sie gewinnen und dann ordentlich feiern", sagte der Mittelfeldspieler. Er würde auch durch Spenden von Spirituosen zum Aufbau von Restalkohol in den Leipziger Blutbahnen beitragen, sagte er. Nötig wird es eher nicht. "Ich glaube, mit Getränken haben die keine Probleme", meinte Arnold.

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