Süddeutsche Zeitung

VfL Wolfsburg:Entspannt im Sessel

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Trainer Mark van Bommel gibt ein überzeugendes Bundesliga-Debüt. Der Wolfsburger 1:0-Sieg gegen Aufsteiger Bochum hätte deutlich höher ausfallen können - und kann dennoch keine schlüssigen Erkenntnisse über das Leistungsvermögen des VfL liefern.

Von Thomas Hürner, Wolfsburg

Selten kamen in einer Woche zwei Themen auf, die in der Nation so heftige und emotionale Debatten ausgelöst haben. Da war zum einen die Sache mit der VW-Currywurst, dem "Kraftriegel" der Arbeiterschaft (Gerhard Schröder, Kanzler a. D.), deren Verbannung aus einer Konzernkantine eine politische Dimension erhielt und eine Welle der Empörung nach sich zog. Und da war natürlich zum anderen die Wechselposse bei einem Pokalspiel in Münster, wo der neue Werkself-Trainer Mark van Bommel fälschlicherweise sechs statt der erlaubten fünf Spieler aufs Feld schickte, was zumindest ein Fall von sportpolitischer Tragweise wurde und eine Welle von Spott und Häme auslöste.

Nun wäre es eine übertriebene Behauptung, dass sich die Augen der Nation auf die Bundesliga-Partie zwischen dem VfL Wolfsburg und dem VfL Bochum gerichtet hätten. Der Samstagnachmittag hielt aber durchaus Erkenntnisse hinsichtlich der Diskussionen bereit, die die Republik zuletzt beschäftigt hatten: In der Wolfsburger Arena wird der wurstige Kraftriegel nach wie vor an die zahlende Belegschaft ausgehändigt. Und das Wolfsburger Trainerteam hat entweder aus dem Vorfall im Preußenstadion gelernt oder höchste Vorsicht walten lassen: Im Spiel gegen Bochum wurden lediglich drei Spieler ausgetauscht, laut Regelwerk wären sogar noch zwei weitere Wechsel möglich gewesen.

Die Wolfsburger spielten ohne die Zugänge Nmecha und Bornauw

Die frohe Kunde für alle Werkself-Anhänger war aber vor allem, dass van Bommel und sein neuer Klub das Spiel gegen Bochum 1:0 gewinnen konnten, was beim Vorjahres-Viertplatzierten und Champions-League-Teilnehmer nach dem misslungenen Pokalauftakt in Münster gewiss einiges an Dampf aus dem Kessel nimmt. Dieser Dampf scheint aber ohnehin das Elixier des einstigen Mittelfeldraubeins van Bommel zu sein, wie er hinterher offenbarte. "Druck ist gut", sagte der Trainer, der sich sogar veranlasst sah, diese Beurteilung in einen Superlativ zu packen: "Druck ist das Schönste, was es gibt."

In der Theorie möchte sich van Bommel von seinem Vorgänger auf der Wolfsburger Trainerbank, dem nach Frankfurt abgewanderten Oliver Glasner, emanzipieren und dessen flottes Umschaltspiel um dominanten Ballbesitzfußball erweitern. Auf dem Spielberichtsbogen standen jedoch dieselben Namen wie in der Vorsaison, weil der Sturmzugang Lukas Nmecha verletzt fehlte und sich Innenverteidiger Sebastiaan Bornauw, der für angeblich 15 Millionen Euro aus Köln kam, vorerst hinter dem etablierten Duo aus John Anthony Brooks und Maxence Lacroix einordnen muss. Angreifer Josip Brekalo, der gegen Bochum nicht im Kader stand, soll vor einem Wechsel zu Lazio Rom stehen.

Stürmer Wout Weghorst verschießt einen Elfmeter

Vom Samstag können jedenfalls nur die ersten drei Minuten als repräsentative Stichprobe herhalten, wie van Bommels Fußball mal aussehen könnte. Da stürmten die Wolfsburger wie entfesselt drauf los und kamen trotz der Kürze der Zeit zu besten Gelegenheiten. Die darauffolgende Ecke veränderte aber die Arithmetik eines jeden Fußballspiels: Nach einem Kopfball von VfL-Angreifer Renato Steffen war Bochums Robert Tesche auf der Linie mit der Hand am Ball, was die Wolfsburger Führung verhinderte und mit der roten Karte geahndet wurde.

Die Heimelf spielte fortan aber einen "sehr guten Fußball", wie van Bommel sagte - und das, obwohl so eine frühe Überzahlsituation in der Praxis "viel schwieriger ist, als es aussieht". Nicht viel einfacher wurde es, als Top-Stürmer Wout Weghorst den fälligen Handelfmeter verschoss und der VfL in der Folge einen wirklich sagenhaften Chancenwucher betrieb. Van Bommel, der als aktiver Fußballer gelegentlich zu Eruptionen neigte, habe dennoch meist "ganz entspannt" in seinem Sessel gesessen. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass Weghorst sein Malheur wieder gutmachte und in der 22. Minute zur 1:0-Führung traf. Thomas Reis, der Trainer des Aufsteigers, attestierte seinem Team hingegen "Verhaltensweisen, die nicht optimal waren" - und meinte damit weniger das Benehmen seiner Spieler als die mangelhafte Umsetzung seiner Taktikvorgaben.

Für die Wolfsburger gilt es an diesem Montag vor dem DFB-Sportgericht zu klären, ob der Wechselfehler in Münster Folgen nach sich ziehen wird. Auch ein Ausschluss aus dem Wettbewerb gilt als möglich. Dieser Umstand sorgte dafür, dass van Bommel zuletzt der europaweit wohl einzige Trainer war, der bei unangenehmen Fragen auf "die laufenden Ermittlungen" verweisen konnte.

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