VfL Wolfsburg:Auf falschen Wegen

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Der VfL Wolfsburg mit Manager Klaus Allofs muss nach dem 0:3 am Freitag bei Bayer Leverkusen erkennen, dass die Europacup-Ambitionen zurzeit eher unrealistisch sind. (Foto: Guido Kirchner/dpa)

Der Werksklub sabotiert sich zunehmend selbst, so auch beim peinlichen 0:3 des VfL in Leverkusen. Und nun kommt auch noch Real Madrid in der Champions League.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Während Manager Klaus Allofs seine Meinung zum 0:3 des VfL Wolfsburg bei Bayer Leverkusen äußerte, öffnete sich in seinem Rücken eine Tür. Luiz Gustavo ging hindurch, besser gesagt: Er spazierte hindurch. Er trug einen blütenrein sauberen Trainingsanzug, und er pfiff eine heitere Melodie. Schließlich zwinkerte er noch einem Bekannten am Wegesrand zu, bevor er sich in gelassenen Schritten zum Ausgang begab.

Luiz Gustavo hatte nicht mitgespielt an diesem Abend, eine leichte Verletzung behinderte ihn, er blieb auf der Ersatzbank. Aber auch als unmittelbar Unbeteiligter war er ein Betroffener, und so bezeugte sein unbeschwerter Spaziergang durch den Keller des Leverkusener Stadions den Zustand dieser Wolfsburger Mannschaft. Wer nach einer Erklärung für die armselige Aufführung des Vorjahreszweiten forschte - hier fand er einen klingenden Hinweis. Dieser bedurfte keiner Worte, ein paar Pfeifentöne genügten.

Es war ein Spiel, in dem es darum ging, Anschluss an die Europacup-Plätze zu halten und einen direkten Konkurrenten auszustechen - es folgte ein 0:3 und eine traurige Leistung. Das würde in einem Klub, der unter realen Bedingungen existiert, einen Proteststurm auslösen. Aber als die Wolfsburger Mannschaft nach Spielschluss auf ihre Fankurve zuging, wurden dort die grün-weißen Fahnen geschwenkt, es gab ermunternde Gesänge. Ein paar Spieler spendierten ihre Trikots, und so gingen Profis und Fans in gutem Einvernehmen auseinander. Im Grunde ein begrüßenswertes Bild von Frieden und Eintracht. Aber eben auch ein Indiz dafür, dass in diesem solide finanzierten Sportverein die Dinge ein wenig anders betrachtet werden. An die geradezu lächerliche Auswärtsschwäche zum Beispiel scheinen sich alle Akteure gewöhnt zu haben.

Das Spiel der Wolfsburger Profis war zwischenzeitlich dazu geeignet, mit der Rubrik "Der nächste VW-Skandal" versehen zu werden. André Schürrle, Julian Draxler und Max Kruse bildeten eine Offensive, deren Prominenzfaktor hoch, deren Schlagkraft und Gefährlichkeit aber gering war. Jeder Prominente schien sich selbst genug zu sein. Anfangs gaben sich die Leverkusener Fans noch Mühe, den just vom Bundestrainer verbannten Nationalspieler Kruse auszupfeifen. Bald verzichteten sie auf diese Zermürbungsstrategie - überflüssiger Aufwand: Kruse stellte keine Bedrohung dar. Draxler ließ hin und wieder seine Klasse aufblitzen, das Gros der Zeit verbrachte er jedoch mit Nebenherlaufen. Und Schürrle? Er rannte viel - doch er rannte auf den falschen Wegen. Er suchte den Ballkontakt - aber er konnte dann mit dem Ball nichts anfangen. Und er setzte sich zornig zur Wehr - allerdings nicht in gewinnbringenden Zweikämpfen mit dem Gegner, sondern im nutzlosen Zwiegespräch mit dem Schiedsrichter. Bezeichnend, dass sich Schürrle und Draxler gegen Spielende noch zwei gelbe Karten verdienten. Der eine wegen eines Frustfouls, der andere wegen Meckerns. Draxler fehlt deshalb beim Heimspiel gegen Mainz nächste Woche.

Darüber hätte man sich als Vorgesetzter mal richtig aufregen dürfen. Doch Allofs stellte mit gemäßigtem Temperament fest, dass Draxlers Verwarnung der "Kategorie nicht clever" zuzuordnen sei. Auch das große Ganze fasste der Manager zwar in eindeutigen Worten zusammen ("wichtiges Spiel, schlechte Leistung, große Enttäuschung"), aber auf eine routinierte und geschäftsmäßige Weise, die sich nach Gewöhnung und Resignation anhörte.

Dieses Derby der Werksklubs, vom kicker mit dem schönen Etikett "El Plastico" ausgestattet, hat erneut bewiesen, dass elf renommierte Profis nicht notwendigerweise eine Elf ergeben. Leverkusen bekämpfte den VfL bissig und resolut, aber es waren vor allem die Wolfsburger selbst, die ihr Spiel sabotierten. Die hohe Fehlerzahl entstand aus den fehlenden mannschaftlichen Zusammenhängen. Ein Kollektiv-Gedanke war dem Team nicht anzusehen, nur die Mittelfeldakteure Arnold und Guilavogui engagierten sich angemessen.

"Wir haben Leverkusen das Heft in die Hand gegeben", meinte Torhüter Diego Benaglio. Schließlich nutzte der eingewechselte Mexikaner Chicharito eine Betriebsstörung in der ohnehin unstabilen VfL-Defensive zum 2:0 (73.). Über den Prolog dieser Szene - Chicharitos Balleroberung gegen Dante - wurde später ein wenig diskutiert, Klaus Allofs meinte, die Leverkusener hätten es da an Fairplay fehlen lassen, aber dieser Einwand war nicht mehr als ein Versuch der Ausflucht.

Dieter Hecking ließ die Mini-Debatte um das 0:2 links liegen. Er suchte keine Ausreden, es gab ja auch keine. "So ist es keine Mannschaft", urteilte der Trainer über sein Ensemble. Die Europacup-Ambitionen für die laufende Saison erklärte Hecking bis auf Weiteres für erloschen ("wenn man die Leistung heute gesehen hat, verbietet es sich, darüber nachzudenken"), und auf den am Mittwoch anstehenden Saisonhöhepunkt - die Begegnung mit Real Madrid in der Champions League - schien er seit diesem Abend auch keine große Lust mehr zu haben: "Mit einer Leistung wie heute oder zuletzt gegen Darmstadt 98 wird es nicht so prickelnd", weissagte Hecking.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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