Harmonie sieht tatsächlich anders aus. Sechs Wochen vor dem Saisonende hatte der Bundesligist VfL Bochum Anfang April seinen Trainer Thomas Letsch gefeuert. In den letzten beiden Saisonspielen erlitt der VfL beim 0:5 gegen Leverkusen und beim 1:4 in Bremen kapitale Demütigungen. Auf den Relegationsplatz rutschte Bochum am 34. Spieltag in buchstäblich letzter Minute durch einen Treffer von Union Berlin in der Nachspielzeit im Parallelspiel ab. Und drei Tage vor der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf nahm der VfL am Montag auch noch seinen langjährigen Stammtorwart Manuel Riemann aus dem Kader, weil sich dieser nach der Niederlage in Bremen sehr schlecht benommen haben soll.
Und so plagt die Bochumer die Furcht, dass all die unheilvollen Zwischenfälle der jüngeren Vergangenheit Einfluss auf die Mannschaft haben könnten, wenn sie an diesem Donnerstag erst daheim gegen den Zweitliga-Dritten Fortuna und am Montag in Düsseldorf um den Klassenverbleib spielt. "Wir dürfen nicht zu viele negative Dinge an uns heranlassen", sagte am Dienstag mit sehr ernstem Blick der Kapitän Anthony Losilla - "sonst schaffen wir das nicht".
Man kann den VfL-Entscheidungsträgern um die beiden Sportchefs Patrick Fabian und Marc Lettau sowie dem Aufsichtsratsboss Hans-Peter Villis nicht gerade nachsagen, dass sie in herausfordernden Zeiten die Ruhe bewahrt hätten. Die Entlassung von Letsch war zweifelhaft und wurde noch zweifelhafter, als man nach der Absage mindestens eines externen Kandidaten (Peter Stöger) den A-Jugend-Trainer Heiko Butscher zum Interimschefcoach beförderte. Der positive Impuls war überschaubar. Auch die (zunächst nur vorübergehende) Freistellung vom Torwart Riemann könnte sich nun im schlimmsten Fall als Eigentor entpuppen, denn zumindest der Kapitän Losilla und selbst der Riemann-Ersatz Andreas Luthe äußerten sich erstaunlich kritisch über diese Maßnahme des Vereins.
"Wir alle hätten Manu lieber im Tor gesehen", sagt Riemann-Ersatz Andreas Luthe
Luthe, 37, der erst jüngst im Winter zum VfL zurückgekehrt ist, von 2001 bis 2016 aber schon für Bochum gespielt hatte und dabei auch 2011 in der verlorenen Relegation gegen Borussia Mönchengladbach (0:1/1:1) zum Einsatz gekommen war, zeigte sich am Dienstag nicht gerade begeistert darüber, dass er jetzt das tun darf, was eigentlich alle Fußballer tun wollen, nämlich spielen. "Wir alle hätten Manu lieber im Tor gesehen", sagte er tatsächlich und stellte explizit klar: "Diese Entscheidung hat der Verein getroffen - nicht die Mannschaft!" Luthe sagte, er hätte Riemann "gern dabei gehabt", und betonte angesichts der Riemann-Maßnahme: "Ich bin ein Freund des Diskurses." Damit suggerierte Luthe, dass es nach einem vermuteten Riemann-Ausraster seitens des Vereins keine größere Aussprache gegeben haben könnte.
Das klang beim Sport-Geschäftsführer Fabian am Mittwoch aber ganz anders. Der 36-Jährige sagte in der Pressekonferenz: "Wir haben den Austausch mit Mannschaft, Trainerteam und Staff gesucht." Man sei sehr kritisch gewesen, "aber es gab keinen Graubereich, nur schwarz oder weiß, Manuel Riemann ist alt genug - und das Ergebnis ist bekannt". Auf die Frage, ob das Gerücht stimme, dass Riemann den Mitspieler Matus Bero geohrfeigt habe, antwortete Fabian: "Gerüchte möchte ich nicht kommentieren." Auf die Frage, ob die Mannschaft die Riemann-Entscheidung mittrage, antwortete Fabian: "Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft das mitträgt."
Womöglich muss Bochum zur neuen Saison den halben Kader ersetzen
Der Ersatztorwart Luthe klang derweil, als sehe er eine Gefahr in der Riemann-Maßnahme: "Wenn man auf Manu verzichten muss, ist das schon ein kleiner Anpassungsprozess." Riemann ist ein Torwart, der sich sehr aktiv in das Spielgeschehen einbringt. So spielt Luthe nicht.
Auch vom Kapitän Losilla war am Dienstag Kritik an der Riemann-Maßnahme durchgeklungen: "Manu ist eine wichtige Figur für den VfL Bochum, er hat uns in schwierigen Situationen oft gerettet." Losilla gilt im Kader als engster Vertrauter des Torwarts. Der nicht unumstrittene Riemann, 35, war in den vergangenen Wochen oft dadurch aufgefallen, dass er seine Mitspieler offen angepöbelt und sich mitunter auch nicht zurückgehalten hat, während eines Spiels von den Trainern Letsch oder Butscher sehr extrovertiert Auswechslungen einzelner Mitspieler einzufordern.
Sollte der VfL nach drei Jahren wieder in die zweite Liga absteigen, könnte die sportliche Führung im Sommer noch tiefer in die Bredouille geraten. Denn bevor am 2. August die neue Zweitliga-Saison beginnt, muss man einen neuen Trainer gefunden und womöglich auch den halben Kader ersetzt haben. Es laufen viele Verträge aus.