VfL Bochum: Heinemann für Koller:Schokolade fürs nörgelnde Kind

Bochums Übergangstrainer Frank Heinemann inszeniert sich als Gegenmodell zum entlassenen Schweizer Marcel Koller.

Ulrich Hartmann

Vor zehn Monaten musste sich Marcel Koller vor einem Tribunal schlimme Vorwürfe anhören. Der als "Fanabend" verharmloste Disput zwischen dem umstrittenen Fußballtrainer des VfL Bochum und den schon damals unzufriedenen Fans entblößte die kommunikativen Kräfteverhältnisse im Trainerteam. Während Koller vor den giftigen Fans immer stiller wurde, blühte der Assistenztrainer Frank Heinemann richtig auf und gab den Anhängern lautstark Kontra.

VfL Bochum: Heinemann für Koller: Frank Heinemann ist neuer Trainer beim VfL Bochum.

Frank Heinemann ist neuer Trainer beim VfL Bochum.

(Foto: Foto: ddp)

Seit Montag nun ist Heinemann, 44, mit der Unterstützung des ehemaligen Bochumer Profis Dariusz Wosz für die Mannschaft verantwortlich; Koller war am Sonntagabend beurlaubt worden. Eine 2:3-Niederlage gegen Mainz vor der mit 16.225 Zuschauern schlechtesten VfL-Bundesliga-Kulisse seit acht Jahren sowie heftige Proteste der wütenden Fans haben den Verein vor dem Pokalspiel am Dienstagabend gegen Schalke zum Trainerwechsel veranlasst. "Uns fehlte der Glaube, dass es in dieser Konstellation wieder hätte aufwärts gehen können", sagte Sportchef Thomas Ernst.

"Zufriedene Fans sind die Basis jedes Fußballklubs", hat Ansgar Schwenken vor drei Wochen gesagt. Der Geschäftsführer des VfL Bochum sprach damals zu den versammelten Vertretern der Fanklubs. Zufriedene Fans sorgen für gute Stimmung und helfen der Elf beim Gewinnen, zufriedene Fans kaufen Eintrittskarten und verhelfen dem Klub zu mehr Einnahmen, zufriedene Fans kaufen Tassen, Handtücher und Babyschnuller mit dem Klubwappen. Zufriedene Fans sind gute Kunden, aber beim VfL ist es schon ein paar Jahre her, dass die Fans richtig zufrieden waren.

Vor fünf Jahren hat der Trainer Peter Neururer den Klub mal kurzfristig in den Europapokal geführt. Manchmal hat Neururer vor der Fantribüne getanzt. Ein tanzender Neururer nach gewonnenen Spielen hat den Fans gefallen, am Ende aber ist Neururer mit der Mannschaft wieder abgestiegen und wurde entlassen. Ein vertrauter Vorgang, Bochum ist in 16Jahren fünfmal abgestiegen.

Unter Neururers Nachfolger Marcel Koller stieg Bochum dann im Sommer 2006 auf und drei Jahre nacheinander nicht wieder ab. Das ist ein großer Erfolg für diesen Verein, aber erreicht hat Koller dieses alljährliche Saisonziel mit fußballerischem Minimalismus. Bochum hat unter ihm bloß 31 von 108 Bundesligaspielen gewonnen. Die Fans haben sich zunehmend in den Gedanken verrannt, dass ohne den braven Schweizer alles besser werde.

Sie haben so lange gegen Koller opponiert, bis der Verein ihnen nachgab wie einem nörgelnden Kind vor dem Schokoregal an der Kasse. "Es hatte einfach keinen Zweck mehr", sagte sogar Aufsichtsratschef Werner Altegoer, der jahrelang Kollers größter Rückhalt war. Zuletzt aber verfehlte Koller mit seinem oft fad wirkenden Fußball immer häufiger die bedeutsamsten Zwecke für den Klub: leidenschaftliche Fußballer, zufriedene Fans, zahlungsbereite Kundschaft.

Appell an Kampf und Leidenschaft

"Es besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen Leistung und Stimmung", sagt Sportchef Ernst und macht die jüngsten Vorstellungen der Mannschaft und die heftigen Reaktionen der wütenden Fans für die Trainerentlassung gleichermaßen verantwortlich. Zwar habe Koller die Spieler auch in den vergangenen Jahren immer wieder aus zwischenzeitlichen Krisen herausgeholt, "aber die Abstände zwischen diesen Krisen wurden immer kürzer". Ernst sagt: "Wir hatten den Eindruck, in der Mannschaft bestand zuletzt eine gewisse Lethargie." Diese aufzubrechen, trauten sie Koller am Ende nicht mehr zu.

"Ich bin ein ganz anderer Typ als Marcel Koller", sagte am Montag forsch Frank Heinemann. Der vorübergehende Cheftrainer weiß um die charakterlichen Unterschiede zwischen ihm und seinem ehemaligen Vorgesetzten und er scheute sich auch nicht, sie sogleich als Schlüsselqualifikation zu benennen. "Ich werde bei den Spielern an jene Tugenden appellieren, die den Menschen in dieser Region wichtig sind", sagte Heinemann und nannte "Kampf, Disziplin und Leidenschaft" als jene Mittel, mit denen die Bochumer den FC Schalke 04 besiegen oder mindestens derart in die Bredouille bringen wollen, dass die Anhänger hinterher auf jeden Fall begeistert sind.

Heinemann ist seit 33 Jahren Vereinsmitglied und seit 13 Jahren Assistenztrainer. Wenn es nach dem Vorstand geht, dann soll der beliebte Heinemann, Spitzname "Funny", aber bald wieder in die Rolle des Assistenten zurückkehren. "Wir suchen bereits einen neuen Cheftrainer", sagt Sportchef Ernst. "Bis dahin trauen wir Funny Heinemann zu, dass wir von der Mannschaft wieder Auftritte sehen, wie wir sie zuletzt nicht mehr erlebt haben."

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