VfL Bochum nach 1:1 gegen Leverkusen:Der gute, alte Hecking-Effekt

Lesezeit: 3 Min.

Da wollen wir hin: Schon im ersten Spiel geht es für den neuen Bochumer Trainer nach oben, der VfL trotzt Meister Leverkusen einen Punkt ab. (Foto: David Inderlied/dpa)

Der Tabellenletzte VfL Bochum holt beim Debüt seines neuen Trainers einen Punkt gegen enttäuschende Leverkusener – und wirkt tatsächlich lebhaft und defensiv stabil. Dieter Hecking ist selbst überrascht, wie gut sein Plan aufgeht.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Die Vorbereitung auf seinen ersten Gegner hatte für den neuen Bochumer Trainer Dieter Hecking mit einer skandalös anmutenden, allerdings unfreiwilligen, Melatonin-bedingten Geringschätzung begonnen: Um sich die Champions-League-Partie von Bayer Leverkusen beim FC Liverpool am vergangenen Dienstag anzusehen, hatte sich Hecking, 60, aufs Bett gelegt und war nach kurzer Zeit eingenickt, so hat er es auf der Pressekonferenz vor dem Spiel erzählt. Als er wieder aufwachte, führte Liverpool 2:0 und Hecking dachte: Nanu? Am Ende verlor Leverkusen 0:4.

Die Chancen des VfL Bochum für das Bundesliga-Spiel gegen Leverkusen im Ruhrstadion hat Heckings Powernap allerdings nicht geschmälert. Der gebürtige Castrop-Rauxeler ist schließlich das, was man im Fußball ehrfürchtig einen alten Hasen nennt. Entscheidend für Bochums überraschendes 1:1 (0:1)-Unentschieden gegen den deutschen Meister war ein anderer Faktor: In die Mannschaft des VfL ist mit dem Trainer Hecking das Leben zurückgekehrt – und auch ein wenig das Glück: Den Ausgleich zum 1:1 erzielte in der 89. Minute Koji Miyoshi. Das Ruhrstadion flippte aus.

„Die Zuschauer haben uns bis zum Ende gepusht“, sagte hinterher anerkennend und dankbar der Japaner Miyoshi, der im Sommer von Birmingham City nach Bochum gekommen war. Der Dank der Spieler ging aber auch an Hecking: „Wir sind sehr gut auf den Gegner eingestellt worden“, lobte der Torwart Patrick Drewes, und der starke Flügelmann Gerrit Holtmann, der im Sommer eigentlich hätte verkauft werden sollen, sagte fast gerührt: „Heute haben wir gezeigt, was wir neun Spiele lang haben vermissen lassen.“

Gegen uninspirierte Leverkusener ist das Remis absolut angemessen

Die Leverkusener zeigten sich nach der Demütigung in Liverpool und nur einem Sieg und vier Unentschieden in den vorangegangenen fünf Bundesligaspielen in Bochum am Ende kaum mehr stabil. „Das war ärgerlich“, sagte ihr Trainer Xabi Alonso, „wir wollen eigentlich besser sein.“

Das Unentschieden war absolut angemessen, weil gegen uninspirierte Leverkusener die Bochumer durchgängig Rückgrat zeigten und ihre zunehmenden Auflösungserscheinungen aus den vorangegangenen Partien (0:5 gegen Bayern und 2:7 in Frankfurt unter Interimstrainer Markus Feldhoff) abrupt beendeten.

„Auch wenn es komisch klingt“, sagte hernach Hecking, „aber ich wäre mit dem Auftritt der Mannschaft auch dann zufrieden gewesen, wenn wir den Ausgleich nicht mehr erzielt hätten.“ Die Mannschaft habe Struktur gebraucht, „und ich war überrascht, wie gut sie es umgesetzt hat“. Hecking hat jetzt ein Gefühl der Hoffnung: „Dieses Spiel kann ein Wendepunkt sein, aber dazu brauchen wir noch 24 Mal eine solche Leistung wie heute.“

Hecking hatte die Bochumer Startelf gegenüber dem 2:7 in Frankfurt auf vier Positionen verändert: Er brachte in Tim Oermann, Jakov Medic und Gerrit Holtmann drei neue Spieler in eine etwas überraschende Fünferkette sowie mit Matus Bero einen neuen Spielgestalter. Hecking wollte in diesem Spiel vor allem einen Fortschritt im Hinblick auf Stabilität sehen, und schon das lediglich eine Gegentor bedeutete einen gravierenden Fortschritt, wenn man sich die Reihe der Bochumer Gegentreffer in den ersten zehn Spielen anschaut: 1, 2, 2, 2, 4, 3, 3, 5, 7 – und nun: 1.  Hecking findet: „Der Bochumer Kader ist nicht schlechter besetzt als der von fünf, sechs anderen Klubs in der Bundesliga.“

Der Kader von Bayer Leverkusen zählt hierbei natürlich nicht dazu. Den zunächst abgezockten Rheinländern genügte in der ersten Halbzeit eine einzige geniale Aktion zur Pausenführung, als Florian Wirtz in der 18. Minute aus dem Mittelfeld heraus mit einem superpräzisen Steilpass Patrik Schick zum 1:0 auf die Reise schickte. Schick hatte im Sturm den Vorzug vor dem zuletzt stark belasteten Victor Boniface erhalten, der erst spät eingewechselt wurde. Auch Robert Andrich und Jonas Hofmann standen neu in Bayers Startelf.

Nach der Leistung dürfen sich die Bochumer Spieler auf zwei freie Tage freuen

Statt wie in den vergangenen Wochen nach dem 0:1 auseinanderzubrechen, wehrten sich die Bochumer diesmal in der zweiten Halbzeit umso heftiger und kamen nach einer guten Stunde zu vielversprechenden Chancen auf den Ausgleich. In dieser Phase sangen mehr als 20 000 leidenschaftlich mitfiebernde Zuschauer, der VfL werde niemals untergehen. Doch es sollte bis zur 89. Minute dauern, ehe Miyoshi den Ausgleich erzielte. Das Ruhrstadion kochte. Die Fans sangen: „Der VfL ist wieder da.“

Am Ende verriet der gut gelaunte Trainer-Routinier Hecking auch noch, wie er die Mannschaft binnen gerade mal vier Tagen gepackt und ihr mit all seiner Erfahrung so kurzfristig zu einer ganz anderen Verfassung verholfen hatte: „Ich habe den Spielern gesagt, dass sie zwei Tage frei bekommen, wenn sie gut spielen.“ Auch für ihn selbst hatte das einen schönen Nebeneffekt: Er wollte nämlich im ostwestfälischen Soest, wo er aufgewachsen ist, noch auf die berühmte Allerheiligenkirmes gehen.

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