Abstieg des VfL Bochum„Zweite Liga tut schon weh – scheißegal, ist okay“

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Trauer auf dem Platz: die Spieler des VfL Bochum.
Trauer auf dem Platz: die Spieler des VfL Bochum. (Foto: Anke Waelischmiller/dpa)

Der VfL nimmt den siebten Bundesliga-Abstieg seiner Geschichte erhobenen Hauptes hin. Das Team wird sich verändern, aber Trainer Hecking macht weiter – und nach vier Jahren erstklassiger TV-Einnahmen nimmt der Klub ein finanzielles Polster mit.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Das Bochumer Ruhrstadion an der Castroper Straße steht großen Schauspielbühnen in nichts nach. In dieser Fußballarena für 26 000 Zuschauer werden alternierend feuchtfröhliche Komödien und epische Dramen präsentiert. Sieben Mal in seiner Geschichte ist der VfL Bochum in die Bundesliga aufgestiegen – und nun genauso oft wieder ab. Am Samstag war es so weit: Im Ruhrstadion wurde das Drama vom verflixten siebten Abstieg uraufgeführt. In der Geschichte der Bundesliga sind nur der 1. FC Nürnberg (9) und Arminia Bielefeld (8) häufiger abgestiegen.

Durch die klare 1:4-Niederlage gegen Mainz 05 steht nach Wochen des Bangens endgültig fest, dass der VfL in der kommenden Saison am Spielbetrieb der zweiten Liga teilnehmen muss. Vier Jahre nach dem umjubelten siebten Aufstieg am 23. Mai 2021 müssen die Bochumer wieder eine Etage hinunter. Die Fans kennen dieses Gefühl längst, Drama gehört zu ihrer DNA. Das Publikum befindet sich gewissermaßen in steter Therapie und richtete auch am Samstag den Blick bereits wieder darauf, irgendwann in die Bundesliga zurückzukehren. „Zweite Liga tut schon weh – scheißegal, ist okay“, sangen die Fans bereits während der zweiten Halbzeit.

Da war nämlich alles schon durch. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte hatte Bochum den 0:1-Rückstand durch einen von Nadiem Amiri sehenswert verwandelten 18-Meter-Freistoß hinnehmen müssen. In der zweiten Halbzeit erhöhten Phillipp Mwene (53.) und Jonathan Burkardt (73.) auf 3:0 für Mainz. In der 84. Minute gelang dem Bochumer Gerrit Holtmann zwar der Ehrentreffer zum 1:3, den letzten Bundesligatreffer im Ruhrstadion auf unbestimmte Zeit schoss allerdings der Mainzer Paul Nebel mit dem 4:1 in der Nachspielzeit (90+3.).

Bochums Abstieg hatte sich lange abgezeichnet. Der letzte Sieg war ein sensationelles 3:2 am 8. März beim FC Bayern gewesen. Seither gewann Bochum acht Spiele in Serie nicht, verlor davon sechs und schaffte bloß zwei Unentschieden. „Wir sind nicht heute abgestiegen“, sagte entsprechend der Flügelspieler Maximilian Wittek. Der Trainer Dieter Hecking, der kürzlich seinen Vertrag auch für die zweite Liga verlängert hatte, sprach kurz nach dem Spiel ins Stadionmikrofon zu den Fans: „Ich muss mich entschuldigen“, sagte er, als sei ihm persönlich ein gewaltiger Fauxpas passiert: „Wir werden alles tun, um das zu reparieren.“ Dafür erntete Hecking großen Jubel.

Emotional: Trainer Dieter Hecking spricht nach dem Vollzug des Abstiegs zu den Fans des VfL.
Emotional: Trainer Dieter Hecking spricht nach dem Vollzug des Abstiegs zu den Fans des VfL. (Foto: Anke Waelischmiller/dpa)

Als die Bochumer vor vier Jahren in die Bundesliga aufgestiegen waren, hieß der Trainer Thomas Reis, der Sportgeschäftsführer Sebastian Schindzielorz und der Präsident Hans-Peter Villis. Von den dreien ist keiner mehr im Amt. Auch der Schindzielorz-Nachfolger Patrick Fabian und der Sportdirektor Marc Lettau sowie die Reis-Nachfolger Thomas Letsch und Peter Zeidler sind bereits wieder Geschichte. Einzige personelle Konstante auf der Führungsebene ist der Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Der Schweizer hat sich als Sportgeschäftsführer nun Dirk Dufner an die Seite geholt und den Trainer Hecking überredet, auch mit ins Unterhaus zu gehen. Damit steht das Führungstrio fest, das den Versuch des Wiederaufstiegs orchestrieren soll.

Stark verändern wird sich die Mannschaft. Anthony Losilla und Cristian Gamboa hören auf und wurden am Samstag feierlich verabschiedet. Eine feste Verpflichtung der Leihspieler Myron Boadu, Tom Krauß, Jakov Medic und Georgios Masouras erscheint wenig wahrscheinlich. Tim Oermann wechselt vermutlich zu Bayer Leverkusen, und Ibrahima Sissoko und Bernardo ziehen womöglich genug Interessenten an, um nicht in die zweite Liga zu müssen.

Dufner und Hecking bekommen in Sachen Neuaufbau folglich einiges zu tun, aber nach vier Jahren erstklassiger TV-Einnahmen wird der VfL mit einem Etat von wohl etwas mehr als 20 Millionen Euro zu den bessersituierten Zweitliga-Klubs zählen. Das war auch mit ein Grund dafür, dass Hecking sich für die zweite Liga zur Verfügung stellt.

Nach der Niederlage gegen Mainz versammelte sich die Bochumer Mannschaft vor jener Osttribüne, auf der sich die Fans ohnehin latent in Standing Ovations befinden. Aber auch jetzt sangen sie und applaudierten der Mannschaft. „Kein böses Wort von den Fans!“, sagte etwas später voller Erstaunen der Spieler Wittek in der Interviewzone. Nach elf Jahren in Bochum rief der Kapitän Losilla, 39, zum Abschied zu den Fans ins Stadionmikrofon: „Genau dafür liebe ich den VfL Bochum.“

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