VfB-Trainer Huub Stevens:Schwabe ehrenhalber

VfB Stuttgart  - Press Conference & Training Session

Stuttgart im Spätherbst: Rückkehrer Huub Stevens macht sich auf den Weg zum Training des VfB, den er im Mai erst verlassen hatte.

(Foto: Thomas Niedermueller/Getty Images)

Die Geschichte von Huub Stevens und dem VfB Stuttgart ist eine Geschichte voller Zufälle. Von seinen Idealen lässt sich der Klub bei der Trainersuche schon länger nicht mehr lenken. Aber immerhin wirkt die Präsentation des Niederländers wie eine glückliche Heimkehr.

Von Christof Kneer

In der Ruhmeshalle des VfB Stuttgart steht Jürgen Sundermann gleich neben Hansi Müller und Karlheinz Förster. Sundermann, Kosename Wundermann, ist der wichtigste Trainer in der Klubgeschichte, aber allmählich muss Sundermann aufpassen. Sein Status als oberster Klubheiliger ist ernsthaft gefährdet.

Sundermann, 74, ist in den Siebzigerjahren mit dem VfB aus der zweiten in die erste Liga aufgestiegen, und dort oben hat er mit Spielern wie Hansi Müller und Karlheinz Förster jenen Mythos von den jungen Wilden begründet, dem der Verein bis heute nachjagt. Und zwar seit Jahren derart erfolglos, dass es jetzt schon als Heldenstück gilt, wenn man nach 40 Jahren nicht wieder in der zweiten Liga landet. Deshalb ist der Niederländer Huub Stevens seit Mai ein Held in Stuttgart. Und wenn er den VfB jetzt ein zweites Mal vor dem Abstieg retten sollte, dann wird der Titel "Wundermann" wahrscheinlich auf ihn übergehen.

Dabei ist die Geschichte von Huub Stevens und dem VfB Stuttgart eine Geschichte voller Zufälle. Nur weil der Präsident von Paok Saloniki den Trainer Stevens Ende Februar 2014 rechtzeitig entließ, war er im März 2014 frei für den VfB. Und nur weil Armin Veh im November 2014 fluchtartig die Bank räumte, konnte dieser Stevens jetzt zurückkehren, bevor er anderswo einen ähnlichen Auftrag übernehmen konnte.

Huub Stevens, 60, ist jetzt also der Vorgänger und der Nachfolger von Armin Veh. Das sieht so aus, als gäbe es in der Klubsatzung einen geheimen Passus, wonach sich der VfB neuerdings nur noch von Käuzen trainieren lassen dürfe, aber von den Idealen der Satzung wird dieser Klub schon länger nicht mehr gelenkt. Es wirkte wie eine glückliche Heimkehr, als Stevens am Dienstag neben dem Präsidenten Bernd Wahler auf dem Podium saß, aber es war nicht Romantik, die beide Partner wieder zusammengeführt hatte. Es war dasselbe Motiv wie am 10. März, als Stevens auf dem selben Podium neben demselben Präsidenten saß. Es war wieder: die nackte Not.

Die Chef-Trainer des VfB Stuttgart seit 1999

Ralf Rangnick 5/1999 - 2/2001

Felix Magath 2/2001 - 6/2004

Matthias Sammer 7/2004 - 6/2005

Giovanni Trapattoni 7/2005 - 2/2006

Armin Veh 2/2006 - 11/2008

Markus Babbel 11/2008 - 12/2009

Christian Gross 12/2009 - 10/2010

Jens Keller 10/2010 - 12/2010

Bruno Labbadia 12/2010 - 8/2013

Thomas Schneider 8/2013 - 3/2014

Huub Stevens 3/2014 - 6/2014

Armin Veh 7/2014 - 11/2014

Huub Stevens ab 11/2014

"Diesmal habe ich mehr Zeit, aber man darf nicht denken, dass es leichter wird als vor ein paar Monaten", sagte Stevens mit seinem berüchtigten Pragmatismus, "es wird noch schwerer." Es war ein neuer, ein aktueller Satz, aber viele andere Sätze kamen einem bekannt vor, weil sie so oder ähnlich schon am 10. März gesagt worden waren. "Wir werden es schaffen, aber wir können es nur gemeinsam tun", sagte Stevens am 10. März und am 25. November. So geriet eine handelsübliche Trainer-Präsentation zu einer kuriosen Show: Mitunter wirkte es, als übertrage der Klub eine Pressekonferenz aus der Vergangenheit.

Tatsächlich ist den Verantwortlichen des Tabellenletzten nichts anderes übrig geblieben, als eine kleine Zeitreise zu wagen. Auch die Abmachung, die sie jetzt mit Stevens getroffen haben, ähnelt jener vom letzten Mal bis in den vorletzten Buchstaben. "Wir haben einen Vertrag bis zum Ende der Saison geschlossen", sagte Präsident Bernd Wahler, und was danach komme, werde man "mit großem Respekt füreinander besprechen", um dann "die beste Entscheidung für alle zu treffen".

Auch das ist: Originalton März.

Thomas Tuchel ist weiter ein Thema

Das muss man dem VfB Stuttgart lassen: Zwar haben die Klubbosse schon lange keine nachhaltige Trainer-Idee mehr entwickelt, aber dafür haben sie es in der Kunst der Schadensbegrenzung zu einiger Meisterschaft gebracht. Auch die Not-Personalie Stevens beinhaltet genau das, was dieser Verein offenbar dringend nötig hat: Nach Veh, dessen Unentschlossenheit in einem bizarren Torwarttausch gipfelte, hat nun ein sehr entschlossener Trainer das Kommando übernommen, der seit seinem Ersteinsatz von März bis Mai als Schwabe ehrenhalber durchgeht.

Stevens lebt eine eiserne Schaffermentalität vor, die nicht aufgesetzt wirkt, sondern sich ziemlich schnell in seinen Teams wiederfindet. In den zehn Wochen seines ersten VfB-Engagements, berichten Klub-Angehörige beeindruckt, habe Stevens die Stadt Stuttgart nur fünfmal kurz verlassen: zu den Auswärtsspielen. Ansonsten war er täglich ab morgens auf der Anlage, wo er eine labile Elf mit gemeinsamen Frühstücken, solider Trainingsarbeit und klarer hierarchischer Struktur wenigstens so weit befestigte, dass es für ein weiteres Erstligajahr reichte. Nichts anderes ist jetzt der Plan.

Für den VfB könnte es ein Glück sein, dass Stevens in diesen ambitionierten Noteinsätzen womöglich ein neues Geschäftsmodell erkannt hat. Aktuell lässt er zumindest keine Begehrlichkeiten über den Sommer hinaus erkennen, was den VfB in die Lage versetzt, auch weiter an einer nachhaltigen Zukunftslösung herumzudenken. Bei Thomas Tuchel haben die Stuttgarter vor ein paar Wochen schon mal über einen Mittelsmann nachfragen lassen, aber ob der VfB für Trainer dieser Konfektionsgröße begehrenswert genug sein wird, ist aus einem einleuchtenden Grund recht ungewiss: Niemand weiß gerade so genau, wer der VfB überhaupt ist.

Die zentrale Planstelle des Sportchefs ist weiter unbesetzt, vom Assistenten Jochen Schneider wird der Stuhl nur übergangsweise angewärmt. Im Klub jonglieren sie gerade mit überraschenden Ideen, so fällt etwa der Name des Groninger Sportdirektors Henk Veldmate.

"Bis Sommer kann noch so viel passieren", sagt Stevens. Er weiß ja, dass die Branche selbst ihn, den radikalen Realo, noch verblüffen kann. Als er am Sonntag im Fernsehen seine Bereitschaft übermittelte, nach seiner Schaffenspause ins Geschäft zurückzukehren, da sollte das nur ein Testballon sein. Ein paar Stunden später trat Armin Veh zurück, ein paar Stunden später war der VfB am Telefon. Aus dem Testballon war eine Rakete geworden.

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