In der Ruhmeshalle des VfB Stuttgart steht Jürgen Sundermann gleich neben Hansi Müller und Karlheinz Förster. Sundermann, Kosename Wundermann, ist der wichtigste Trainer in der Klubgeschichte, aber allmählich muss Sundermann aufpassen. Sein Status als oberster Klubheiliger ist ernsthaft gefährdet.
Sundermann, 74, ist in den Siebzigerjahren mit dem VfB aus der zweiten in die erste Liga aufgestiegen, und dort oben hat er mit Spielern wie Hansi Müller und Karlheinz Förster jenen Mythos von den jungen Wilden begründet, dem der Verein bis heute nachjagt. Und zwar seit Jahren derart erfolglos, dass es jetzt schon als Heldenstück gilt, wenn man nach 40 Jahren nicht wieder in der zweiten Liga landet. Deshalb ist der Niederländer Huub Stevens seit Mai ein Held in Stuttgart. Und wenn er den VfB jetzt ein zweites Mal vor dem Abstieg retten sollte, dann wird der Titel "Wundermann" wahrscheinlich auf ihn übergehen.
Dabei ist die Geschichte von Huub Stevens und dem VfB Stuttgart eine Geschichte voller Zufälle. Nur weil der Präsident von Paok Saloniki den Trainer Stevens Ende Februar 2014 rechtzeitig entließ, war er im März 2014 frei für den VfB. Und nur weil Armin Veh im November 2014 fluchtartig die Bank räumte, konnte dieser Stevens jetzt zurückkehren, bevor er anderswo einen ähnlichen Auftrag übernehmen konnte.
Huub Stevens, 60, ist jetzt also der Vorgänger und der Nachfolger von Armin Veh. Das sieht so aus, als gäbe es in der Klubsatzung einen geheimen Passus, wonach sich der VfB neuerdings nur noch von Käuzen trainieren lassen dürfe, aber von den Idealen der Satzung wird dieser Klub schon länger nicht mehr gelenkt. Es wirkte wie eine glückliche Heimkehr, als Stevens am Dienstag neben dem Präsidenten Bernd Wahler auf dem Podium saß, aber es war nicht Romantik, die beide Partner wieder zusammengeführt hatte. Es war dasselbe Motiv wie am 10. März, als Stevens auf dem selben Podium neben demselben Präsidenten saß. Es war wieder: die nackte Not.
Ralf Rangnick 5/1999 - 2/2001
Felix Magath 2/2001 - 6/2004
Matthias Sammer 7/2004 - 6/2005
Giovanni Trapattoni 7/2005 - 2/2006
Armin Veh 2/2006 - 11/2008
Markus Babbel 11/2008 - 12/2009
Christian Gross 12/2009 - 10/2010
Jens Keller 10/2010 - 12/2010
Bruno Labbadia 12/2010 - 8/2013
Thomas Schneider 8/2013 - 3/2014
Huub Stevens 3/2014 - 6/2014
Armin Veh 7/2014 - 11/2014
Huub Stevens ab 11/2014
"Diesmal habe ich mehr Zeit, aber man darf nicht denken, dass es leichter wird als vor ein paar Monaten", sagte Stevens mit seinem berüchtigten Pragmatismus, "es wird noch schwerer." Es war ein neuer, ein aktueller Satz, aber viele andere Sätze kamen einem bekannt vor, weil sie so oder ähnlich schon am 10. März gesagt worden waren. "Wir werden es schaffen, aber wir können es nur gemeinsam tun", sagte Stevens am 10. März und am 25. November. So geriet eine handelsübliche Trainer-Präsentation zu einer kuriosen Show: Mitunter wirkte es, als übertrage der Klub eine Pressekonferenz aus der Vergangenheit.
Tatsächlich ist den Verantwortlichen des Tabellenletzten nichts anderes übrig geblieben, als eine kleine Zeitreise zu wagen. Auch die Abmachung, die sie jetzt mit Stevens getroffen haben, ähnelt jener vom letzten Mal bis in den vorletzten Buchstaben. "Wir haben einen Vertrag bis zum Ende der Saison geschlossen", sagte Präsident Bernd Wahler, und was danach komme, werde man "mit großem Respekt füreinander besprechen", um dann "die beste Entscheidung für alle zu treffen".
Auch das ist: Originalton März.