VfB-Trainer Huub Stevens:Auf ins nächste Abenteuer

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Taktik? System? Dazu wollte sich Huub Stevens bei der Präsentation als neuer VfB Trainer nicht äußern."Du kannst die Spieler nicht ändern", sagt der Niederländer und bedient gerne die Klischees, die die Bundesliga von ihm kennt. Er ist knorrig und ein harter Hund.

Von Benedikt Warmbrunn

Es öffnete sich die Hintertür, heraus trat Huub Stevens, die Tür schloss sich, und offen blieb die Frage, wie Stevens die Farbe VfB-Brustringrot steht. Stevens ist im kollektiven Gedächtnis der Fußball-Bundesliga gespeichert als der Mann in blauem Trainingsanzug und weißem Trainer-Polo-Shirt, eine Erinnerung an seine Zeit bei Schalke 04, die sich kaum mit dem VfB-Brustringrot verträgt. Doch der Stevens, hinter dem sich nun die Hintertür schloss, trug kein Rot. Er hatte sich für einen schwarzen Rollkragen-Trainingsanzug entschieden. Für das neutrale Outfit.

Eine halbe Stunde lang dauerte am Montag die Vorstellung von Huub Stevens, 60, als neuem Trainer des VfB Stuttgart. Eine halbe Stunde, in der deutlich wurde, dass die Liga den Stevens zurückbekommt, an den sie sich erinnert. Zurück ist ein Mann, der nicht sofort mit seinen Ideen prahlt. Zurück ist ein Mann, der sich anschaut, was er vorfindet, und dann entscheidet, was zu tun ist. Zurück ist ein Pragmatiker.

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Der erfahrene Huub Stevens wird beim VfB Stuttgart nicht als Exorzist verpflichtet, sondern weil es sein Markenzeichen ist, Teams ein Gleichgewicht zu geben. Der Klub weicht damit von seinem Weg, eigene Talente zu fördern, vorübergehend ab. Es ist dem Gebot der Realpolitik geschuldet.

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Am Sonntagvormittag hatte der VfB den bisherigen Trainer Thomas Schneider, 41, beurlaubt, nach einem 2:2 gegen den Tabellenletzten Braunschweig, nach dem ersten gewonnenen Punkt nach acht Niederlagen in Serie. Schneider stand für die übergeordnete Strategie, mit der sie sich beim VfB so gerne identifizierten, für die Arbeit mit jungen Leuten aus der Region. "Diese Philosophie ist super", sagte Stevens, "aber Priorität hat jetzt der Klassenerhalt."

Weil sie das beim VfB inzwischen auch so sehen, hatte Sportvorstand Fredi Bobic bereits am Montag in der vergangenen Woche Stevens erstmals angerufen, "20 Stunden, nachdem ich entlassen wurde", sagte Stevens. Entlassen wurde der Niederländer bei Paok Saloniki, nach einem dreiviertel Jahr. Eine Zeit, die Stevens nur "das Abenteuer" nennt. Er sei daher sofort interessiert gewesen, an diesem "Plan B", dem ihm Bobic offerierte für den Fall, dass der VfB unter Schneider auch nicht gegen Braunschweig gewinnen sollte. "Ich habe gesagt, dass ich nicht hoffe, dass das in Wirkung tritt", erzählte Stevens, "aber wenn es passiert, bin ich bereit."

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Der VfB Stuttgart zieht Konsequenzen - und trennt sich von Trainer Thomas Schneider. Sein Nachfolger steht bereits fest: Huub Stevens soll nun den Abstieg des VfB verhindern.

Es war eine unaufgeregte Vorstellung, und mit ihr endeten zunächst einmal die turbulenten Tage beim VfB. In der Woche zuvor hatten die Vereinsgremien zwei Tage lang über Schneider sowie einen möglichen Nachfolger beraten, diskutiert wurde auch über den ehemaligen VfB-Spieler und Bobic-Freund Krassimir Balakow. Ein Vorschlag, der in den Gremien keine Mehrheit fand. Diskutiert wurde aber auch über Stevens. Weniger kontrovers. "Die Gespräche mit Huub waren so, wie ich sie erwartet habe", sagte Bobic, "kurz und knackig und sehr bestimmend."

In der Nacht auf den vergangenen Sonntag telefonierte er erneut mit Stevens, einigte sich auf einen Vertrag bis zum Saisonende. Am Sonntagabend unterschrieb der Niederländer. Und am Montag bediente er gerne jenes Klischee, welches der deutsche Fußball-Fan auf den Stevens-Stationen in Schalke, Berlin, Köln und Hamburg von ihm gewonnen hat: Er sei "ein harter Hund und knorrig". Als "Knurrer aus Kerkrade" war er besonders zu Zeiten bei Schalke bekannt, wo er erstmals von 1996 bis 2002 wirkte, wo er 1997 den Uefa-Pokal gewann und 2001 im legendären Saisonfinale mit dem FC Bayern nur zum "Meister der Herzen" ausgerufen wurde. Nun steigt er ein in den Abstiegskampf, den Kampf der Schmerzen, mit einer plakativen Parole für den VfB: "Es ist eins vor zwölf, nicht fünf vor zwölf."

Der Pragmatismus, mit dem Stevens seine Aufgabe beim Tabellen-15. angeht, demonstrierte er nicht nur, indem er wiederholt betonte, dass dies "eine Herausforderung" sei. Er demonstrierte seine Haltung bereits am Sonntagabend mit einem ungewöhnlichen Termin: Er traf Thomas Schneider. Wobei Stevens selbst diesen Termin nicht allzu ungewöhnlich fand. "Weil Thomas doch die Mannschaft besser kennt. Thomas war in der Kabine dabei. Thomas war in Trainings, in denen wir nicht waren. So konnte er erzählen, wie bestimmte Sachen abgelaufen sind."

Nach der Pressekonferenz sprach Stevens erstmals mit seiner neuen Mannschaft, er hat sich für die nächsten Tage auch viele Einzelgespräche vorgenommen. Er will "deutlich sein zu den Spielern, damit sie wissen, worum es geht". Um zu vermitteln, was da in den verbliebenen zehn Partien (inklusive dem letzten Saisonspiel beim FC Bayern) auf dem Plan steht, sagte Stevens, "werde ich versuchen, eine Organisation herzustellen, in der sich die Spieler wohlfühlen".

Taktik? System? Dazu wollte sich der Niederländer vorerst nicht äußern. "Du kannst doch die Spieler nicht ändern", sagte Huub Stevens, "ich werde da ansetzen, dass die Spieler wieder Spaß finden. Sie müssen aber auch wissen, dass dazu eine gewisse Disziplin nötig ist, um die Organisation zu finden."

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Sollte diese Organisation erfolgreich sein, wollen sich Bobic, Präsident Bernd Wahler und Stevens nach Saisonende zusammensetzen. Eine längerfristige Bindung schloss am Montag zumindest Wahler nicht aus. "Klar ist: Wir werden von der gesamten Strategie nicht abweichen", sagte der Präsident, "aber Huub Stevens hat bereits gezeigt, dass er mit jungen Spielern arbeiten kann."

Ein Spieler, an den sich Stevens gut erinnert, war einer, der beim ersten Zusammentreffen schon älter war, ein Spieler am Ende seiner Karriere. Stevens trainierte im Jahr 2003 die Hertha in Berlin, täglich arbeitete er mit dem Stürmer Fredi Bobic. Nicht immer waren die beiden einer Meinung. "Fredi war nicht so ein einfacher Spieler, aber ich hatte ganz gerne mit ihm zu tun", sagte Stevens am Montag, "ich hoffe, dass ich hier auch einige nicht ganz so einfache Spieler finden werde." Stevens grinste. Und auch Bobic grinste, irgendwie erlöst, das erste Mal an diesem Mittag.

© SZ vom 11.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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